Polo Hofers Blick in Albert Hofmanns LSD-Kosmos
Am Dienstag ist Albert Hofmann im Alter von 102 Jahren verstorben. Der LSD-Entdecker schickte Millionen von Menschen auf bewusstseins-erweiternde Reisen. Auch Mundartrock-Pionier Polo Hofer. Eine Hommage aus Sicht eines Kenners.
Einer war Chemiker, der andere ist Sänger, beides sind sie «Väter»: Albert Hofmann gilt als Vater des Halluzinogens LSD, Polo Hofer als Vater des Schweizer Mundartrocks.
Für den 63-jährigen Berner Musiker war Hofmann keine Vaterfigur, Hofer und Hofmann haben sich nie getroffen. Der Jüngere verdankt dem Älteren, nun Verstorbenen, aber «beglückende Erfahrungen».
In den USA schluckten Hippies der so genannten Woodstock-Generation LSD und gingen auf den Trip in neue Sphären des Bewusstseins.
Sie erklärten ihren Eltern und ihrem Land, das sich mit Vietnam im Krieg befand, den Krieg. Diesen führten sie mit Blumen statt Waffen. Mit im Arsenal: LSD.
In der Schweiz der 1960er-Jahre sei LSD vor allem unter Künstlern und Intellektuellen der Bohème-Szene verbreitet gewesen, erzählt Hofer.
Mystische Erlebnisse
«Ein Trip hatte etwas Mystisch-Spritituelles, ich erhielt Ehrfurcht vor der Natur», sagt Hofer gegenüber swissinfo. Er habe eine halbe Stunde lang eine Erdbeere anschauen können und dabei Bilder von unglaublicher Schönheit gesehen.
Die Trips ermöglichten dem Berner Musiker auch Blicke «in den eigenen Nanokosmos» hinein. Dabei habe er gesehen, was in ihm selbst steckte, und dass alles miteinander zusammenhänge.
Jungen Menschen aus der Generation der Kampftrinker geht es heute darum, sich mit Hochprozentigem «zuzuputzen» – möglichst schnell und möglichst heftig. Hofer und seine Freunde haben sich damals «seriös» auf ihre «Reisen» vorbereitet. Als Führer dienten ihnen die Bücher von Albert Hofmann und Timothy Leary. Auch haben sie die gemachten Erfahrungen ausgetauscht.
Regeln, die eingehalten wurden
Nie hätten sie die psychoaktive Substanz alleine genommen. «Wir haben uns immer an Verhaltensregeln, etwa die Anweisungen aus dem ‹Tibetanischen Totenbuch› Learys, gehalten», erklärt Hofer.
Sie hätten die Trips auch nicht in einer Disco genommen, sondern im Wald oder auf einer Alp, also an einem einsamen und ruhigen Ort. «Ich kannte Leute, die ausser Kontrolle gerieten, weil sie sich nicht vorbereitet hatten», sagt Polo Hofer.
Erst bei der Lektüre hätten sie gemerkt, dass Hofmann Schweizer gewesen sei. Kontaktiert hätten sie ihn aber nie. Im Gegensatz zu Leary, der gar eine Zeit lang in Hofers Geburtsort Interlaken lebte.
LSD kann Inspiration verleihen, wenn man diese zu nutzen weiss, sagt Hofer und verweist auf die Bilder-Ausstellung «Psychonauten», die momentan im Museum des Schweizer Künstlers HR Giger auf Schloss Greyerz zu sehen ist.
Malerei nicht gleich Musik
Hofers Band Rumpelstilz, mit der er Anfang der 1970er-Jahre den Durchbruch schaffte, experimentierte auch mit LSD. Befruchtend wirkte sich das allerdings nicht aus. Die Hits «Teddybär», «Kiosk» oder der romantische Klassiker «D’Rosmarie und I» kamen sozusagen clean zustande.
In der Schweizer Musikszene war LSD laut Hofer damals nicht sehr verbreitet. Anders in den USA: Dort haben Bands wie The Grateful Dead, Jefferson Airplane oder die Ikone Jimi Hendrix ihre Trips durch unbekannte Galaxien offen besungen – vor einem Millionenpublikum.
«Die Jam-Sessions, die wir auf Band aufnahmen und dann ’nüchtern› auswerteten, ergaben nur Schrott; die Musik war nicht schön, sondern chaotisch», erinnert sich Hofer an diese Zeiten.
Seinen ersten Trip übrigens hatte Polo Hofer vom Organisten der britischen Rockband Moody Blues erhalten, welche mit «Night in White Satin» einen Welthit landeten.
Ende in Frieden
Dann war die Kraft der Blumen und deren Kinder auf einmal versiegt. «1975 war es in der Schweiz vorbei, die Leute haben plötzlich damit aufgehört.» Körperliche Abhängigkeit habe es keine gegeben, und Hofer kann sich auch nicht erinnern, dass Personen in die harte Drogenszene abgerutscht wären.
«Wir stillten damals mit LSD gewissermassen unseren jugendlichen Entdeckertrieb, und es war gut und interessant», schliesst Hofer. Und immer friedlich.
LSD wurde 1943 vom Schweizer Forscher Albert Hofmann entdeckt, der für die Basler Pharmaziefirma Sandoz arbeitete. Diese fusionierte später mit Ciba-Geigy zu Novartis.
Forscher suchten damals nach Möglichkeiten, chemische Zusammensetzungen von Pflanzen zu identifizieren und künstlich herzustellen.
Sandoz produzierte und verkaufte die ersten LSD-Tabletten 1947, hauptsächlich zur Behandlung von Alkoholismus und anderen psychologischen Leiden.
LSD wurde später als Freizeitdroge bekannt, besonders bei der Hippie-Generation der 1960er-Jahre. Die starke Verbreitung führte schliesslich zu Protesten und einem weltweiten Verbot gegen Ende der 1960er-Jahre.
Auch in der Medizin wurde es kaum noch benutzt. Sandoz stoppte die Produktion 1966.
LSD gilt als eine der stärksten halluzinogenen Substanzen, die Sinne, Wahrnehmungen und Launen verstärken und verändern. Es kann psychische Probleme komplizieren, doch gilt es nicht als Suchtdroge.
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