«Preise für Kunst voraussagen wäre reine Spekulation»
Karl Schweizer, Verantwortlicher der Abteilung Art Banking UBS, wird auf keinen Fall die glamouröse Art Basel verpassen, die am 12. Juni ihre Tore öffnet.
Als Hauptsponsor dieser wichtigen Messe bietet die Bank den Sammlern ihre Dienstleistungen an, denn Art Banking hat sich der Vermögensverwaltung verpflichtet.
Im Sog der Börse hat der Kunstmarkt im letzten Jahr einen phänomenalen Zuwachs erreicht. Fachleute sprechen von etwa 25% – und eine Änderung ist nicht in Sicht. Im Mai haben sich die Verkäufe im Vergleich zum selben Zeitraum des letzten Jahres bei Christie’s und Sotheby beinahe verdoppelt. Die Zahlen der Art Basel sind streng geheim, doch alles deutet darauf hin, dass die Messe die erfolgreichste überhaupt sein wird.
Das Wachstum im Kunstbereich ist derart vielversprechend, dass nun auch die Banken im Wettkampf mitmischen. Wie die UBS, die seit 1998 ihren Klienten mit Rat und Tat zu Diensten steht. Ihr Ziel ist es, undurchsichtige Ränkespiele auf dem Kunstmarkt zu vereiteln und den Schmuggel mit Kunstwerken zu unterbinden.
swissinfo: Als die UBS 1998 diese spezielle Abteilung schuf, war sie eine der ersten Banken, die Kunst und Geld zusammenbrachte. Eine etwas merkwürdige Heirat, nicht?
Karl Schweizer: Nein, wir stellten fest, dass wir in einem Umfeld, dem es an Organisation und Transparenz mangelt, einen Standard setzen mussten.
Wir bieten keine Beratungen für Investitionen an. Unsere Dienstleistungen richten sich an kunstbegeisterte Kunden, hauptsächlich im Bereich Erwerb und Veräusserung und bei Fragen rund um Transport, Versicherung und Herkunft von Kunstwerken.
Objektivität, Neutralität und Unabhängigkeit, das sind die Kernpunkte unserer Beratung. Die Nachfrage steigt, denn unsere Klienten haben wenig Vertrauen in eine Kunstwelt, die wegen mannigfachen Interessenskonflikten in Verruf geraten ist.
swissinfo: Zugegeben, ein Kunstmarkt mit einem Umsatz von rund 30 Milliarden Dollar im Jahr 2006 wird immer gewichtiger…
K. S.: Ja. Er befindet sich in einem starken Wachstum, doch niemand kann garantieren, dass dies so weitergeht. Die Geschäftsbank Merrill Lynch hat den Kunsthandel in alternative Investitionsfonds integriert (vor allem in Hedge Fonds).
Während meiner Karriere habe ich zwei Einbrüche des Marktes miterlebt und jedes Mal hat die Entwicklung der Börse eine unmittelbare Auswirkung auf die Verkäufe von Kunstwerken ausgeübt. Im Moment gibt es einen Markt der Käufer; sie bestimmen den Preis, den sie zu zahlen bereit sind, und dies wiederum beeinflusst die Transaktionen und folglich die Preise.
Das bedeutet, dass im Fall einer Börsenkrise die Verkäufer gezwungen sind, die Preise zu senken, was sie jedoch nie zugeben würden, denn die Show muss ja weitergehen. Der Kunstmarkt ist eine Welt der Gerüchte, in der niemand eine Niederlage eingesteht.
Deshalb ist es auch unmöglich, die Entwicklung der Preise für die Kunstwerke vorauszusagen. Das wäre reine Spekulation.
swissinfo: Wie erklären Sie sich diese allgemeine Begeisterung?
K. S.: Es gibt heute etwa neun Millionen Millionäre auf der Welt, die aus jenen Regionen mit dem grössten Vermögenszuwachs stammen: Europa (mit Russland), Asien und die Vereinigten Staaten.
Die Begeisterung für die Kunst und den Kunsthandel ist in Europa eng verflochten mit der kulturellen Tradition und dem wirtschaftlichen Wachstum. In den Vereinigten Staaten jedoch ist das Phänomen spektakulär. Die kulturelle Tradition ist dort nicht älter als 250 Jahre und die Kunst spielt eine immer wichtigere Rolle bei der gesellschaftlichen Integration, was bedeutet, dass viele Junge in diese Welt der Kunst eintreten möchten und bereit sind, dafür Unsummen zu bezahlen.
In Asien, vor allem in China, ist es komplizierter. Die Schaffung von Reichtum ist enorm, aber es besteht auch ein Interessenskonflikt zwischen traditioneller und westlicher Kultur. Die aktuelle chinesische Kunstproduktion ist zu einem grossen Teil ganz offensichtlich für den Westen bestimmt.
swissinfo: Seit die Auktionshäuser sich mit zeitgenössischer Kunst und Künstlern beschäftigen, hat man hat den Eindruck, dass die Museen und Galerien nicht mehr viel zu sagen haben…
K. S.: Das täuscht. Finanziell gesehen schneiden sich die Auktionshäuser mit acht Milliarden Dollar nur einen Teil vom Kuchen des Weltmarktes ab, der 30 bis 35 Milliarden Dollar stark ist. Nein, der private Markt ist enorm. Zudem muss man wissen, dass es die Auktionatoren sind, die mit Verkäufen in Millionenhöhe einen maximalen Werbeeffekt erreichen und einen glauben machen, das sei immer der Fall – was aber nicht stimmt.
Andererseits ist die Grenze zwischen den Aktivitäten der Auktionatoren und der Galerien nicht mehr klar zu trennen, denn beide tendieren dazu, gemeinsam Geschäfte zu machen.
Die Museen hingegen sind die Hüter des Tempels, und sie sind es, die die Qualitätsstandards definieren. Schliesslich gibt es noch die Kunstgeschichte, eine Wissenschaft, die zu allen Zeiten das Innovative an der Kunst und deren Qualität erkannte und definierte.
swissinfo: Und Sie selber, sind Sie zuerst Kunstliebhaber oder Banker?
K. S.: Ursprünglich bin ich Banker und Anwalt. Doch im Lauf meiner Karriere hatte ich die Gelegenheit, viel über Kunst zu erfahren. Seit ich diese Stelle habe, kombiniere ich beides. Viele Probleme, denen ich begegne, stehen nicht direkt mit der Kunst in Verbindung, sondern sind oft eher technischer oder rechtlicher Natur, wie zum Beispiel Fragen zur Gesetzgebung oder zu Finanztransaktionen usw.
Angefangen habe ich mit dem Sammeln von Fotografien. Damit habe ich nun aufgehört und interessiere mich eher für Kunstwerke aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und für chinesische Antiquitäten.
swissinfo-Interview: Isabelle Eichenberger
(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)
UBS schätzt den Umsatz des weltweiten Kunstmarktes im Jahr 2006 auf 30 bis 35 Milliarden Dollar und bei Versteigerungen auf acht Milliarden Dollar.
Gesamthaft gesehen überschreiten 80% der aus Auktionen verkauften Werke die Marke von 11’000 Dollar nicht.
Geboren 1955 in Basel.
Von Beruf Anwalt, wendet er sich der Finanzwelt zu und arbeitet bei verschiedenen Banken, darunter beim Schweizerischen Bankverein (SBV).
Anlässlich der Fusion SBV mit der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) zur UBS 1998 wird er beauftragt, die Abteilung Art Banking der UBS AG zu gründen.
Selber ist er auch Kunstsammler. Angefangen hat er mit Fotografie und interessiert sich heute für moderne Plastik und chinesische Antiquitäten.
Die UBS Art Collection ist eine sehr wichtige Sammlung zeitgenössischer Kunst mit mehr als 900 Gemälden, Fotografien, Zeichnungen und Skulpturen von 1950 bis heute.
UBS fördert die zwei Messen Art Basel und Art Basel Miami Beach.
UBS Art Banking koordiniert und organisiert Kunstevents. Sie bietet ihren Kunden verschiedene Dienstleistungen an: Identifizierung und Recherche von Marktchancen zum Erwerb und der Veräusserung von Kunstwerken, die Ausarbeitung von Investitionsstrategien, Beratung bei Versicherungs- und Transportfragen usw.
Die UBS wurde vom Magazin «Euromoney» zur «Best Art Banking in the World in 2005» gewählt.
Die UBS ist die grösste Vermögensverwalterin der Welt und die erste Bank in der Schweiz. Im März 2007 zählte sie mehr als 80’000 Angestellte in 50 Ländern.
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