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Preisüberwacher: 20 Jahre und schon lange erwachsen

Preisüberwacher und Konsumentenschützerin: Rudolf Strahm und Simonetta Sommaruga 2004 im Nationalrat. Keystone

1986 hatte der erste Monsieur Prix sein Amt angetreten. Heute ist die Hochpreisinsel Schweiz am Bröckeln, auch wegen der steten Interventionen der Preisüberwacher.

Der Kampf für tiefere Preise macht nicht nur die Konsumenten zu Gewinnern: Fast alle bisherigen Preisüberwacher waren populär, zwei schafften es in die Regierung.

Totgesagte leben länger: Noch vor zwei Jahren, nach dem Rücktritt des Glarners Werner Marti, wollte die Schweizer Regierung dem Drängen aus dem neoliberalen Lager nachgeben und das Amt des Preisüberwachers abschaffen.

Am Sessel des heutigen Monsieur Prix, Rudolf Strahm, sägt heute aber niemand mehr. «Strahm zeigt, dass ein Preisüberwacher sein Amt mit Unerschrockenheit, Mut und Sachkompetenz ausüben muss. Dann ist die Akzeptanz in der Bevölkerung, aber auch in Wirtschaft und Politik für dieses Amt sehr gross», sagt Simonetta Sommaruga gegenüber swissinfo.

Sie ist seit 2000 Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) und zudem sozialdemokratische Vertreterin des Kantons Bern in der kleinen Kammer des Schweizer Parlaments (Ständerat). Davor war Sommaruga jahrelang als SKS-Geschäftsführerin oberste Konsumentenschützerin des Landes gewesen.

Unbestritten

Die Anerkennung für Strahm geht aber über das eigene Parteienlager hinaus. «Er macht einen sehr guten Job», lobte auch der St. Galler Wirtschaftsprofessor Franz Jaeger. Als Gegner staatlicher Interventionen hatte Jaeger früher mehrmals die Abschaffung der Preisüberwachung oder zumindest deren Integration in die Wettbewerbs-Kommission gefordert.

Strahms guter Ruf rührt auch daher, dass er nicht nur Preisen von privaten Firmen den Kampf ansagt, sondern auch Tarife unter die Lupe nimmt, welche von staatlichen Behörden verfügt wurden.

Blick über das Portemonnaie hinaus

«Wir brauchen einen aktiven, mutigen Preisüberwacher wie den jetzigen, der nicht davor zurückschreckt, auch unangenehme Dinge anzusprechen», skizziert Sommaruga Strahms Profil. In der Tat interpretiert er seine Aufgabe im Vergleich mit seinen Vorgängern weiter. Strahm geht es nicht nur um den Franken in Form von Kaffee- oder Bierpreisen, sondern um versteckte Strukturen, welche Wettbewerbsverzerrungen fördern.

So attackierte er etwa das Preisdiktat der Lieferanten von Saatgut oder Dünger für die Bauern oder die «staatliche Preistreiberei», die er auch als Folge eines Dschungels aus Regelwerk denunzierte. Strahm pocht zudem unvermindert auf die Zulassung von Parallelimporten, welche Einfuhren im Betrag von insgesamt 132 Mrd. Franken um 20% verbilligen würden.

Lob als Novum

Offensiven hat Rudolf Strahm insbesondere bei den Medikamentenpreise und im Strommarkt angekündigt. In ersterem Fall zeigt sich schon Erfolg. Die Vereinbarung zwischen dem Bund und der Industrie, seit Anfang Jahr in Kraft, wird bis Ende 2006 Einsparungen von 300 bis 400 Mio. Franken bringen, zollte der Preisüberwacher jüngst Gesundheitsminister Pascal Couchepin unerwartetes Lob.

Im Fall des Strommarktes dürfte Strahm auf härteren Widerstand treffen, will er doch bis zu dessen endgültiger Öffnung nicht locker lassen. Dabei hat er namentlich die zu hohen Durchleitungstarife ausgemacht, welche eine Öffnung faktisch verhindern würden. Zwar hat er schon Senkungen von über 11% erreicht, was Einsparungen von 30 Mio. Franken bringt. Doch Bedarf besteht weiter.

Mehr Freiraum

Im Gegensatz zu manchen Vorgängern, die das Amt des Preisüberwachers als Sprungbrett für eine politische Karriere nutzten – Leon Schlumpf und Joseph Deiss wurden Bundesräte – ging Strahm den umgekehrten Weg.

Der sozialdemokratische Nationalrat (Mitglied der grossen Parlamentskammer) gab sein Mandat nach der Wahl als Marti-Nachfolger ab, was ihm mehr Unabhängigkeit und somit Aktionsradius eintrug. Damit machte sich Strahm noch mehr zu einem Anwalt des Volkes.

swissinfo, Renat Künzi

Preisüberwachung 2005:
1395 Reklamationen aus dem Publikum
Zunahme gegenüber 2004: 50% (gegenüber 2003: 100%).

Er muss Konsumenten und Wirtschaft vor überhöhten Preisen schützen. Seine Informationen sollen dazu beitragen, die Preisgestaltung transparent zu machen.

Seine Tätigkeitsfelder liegen dort, wo der Wettbewerb nicht oder nur bedingt spielt.

Also im Fall eines Monopols oder von administrierten Preisen. Von solchen spricht man, wenn eine staatliche Behörde Preise für Leistungen oder Gebühren festlegt (z.B. für die Kehrichtentsorgung).

Wo Wettbewerb herrscht, muss die Wettbewerbs-Kommission des Bundes (Weko) überwachen, dass es nicht zu Absprachen oder anderen Verzerrungen kommt.

1972: Leo Schürmann erster Preisüberwacher – es herrscht Hochkonjunktur mit hoher Teuerung (konjunkturelle Preisüberwachung).

1979: Geburt des «echten» Preisüberwachers – die Konsumentinnenforen der deutschen, französischen und italienischen Schweiz reichen die Initiative zur Verhinderung missbräuchlicher Preise ein.

1982: Überraschende Annahme an der Urne durch das Volk.

Im Dezember 1985 erlässt das Parlament das Preisüberwachungs-Gesetz (PüG), das am 1. Juli 1986 in Kraft tritt.

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