Regierung will kein Gen-Moratorium
Das von den Initianten verlangte 5-jährige Gen-Tech-Moratorium würde den Forschungsplatz Schweiz gefährden und den Wirtschaftstandort schädigen.
Die Regierung lehnt deshalb die Volksinitiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft» ab.
Das Volksbegehren verlangt für die Dauer von fünf Jahren eine Landwirtschaft, die frei von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) ist.
In dieser Zeit wäre es verboten, gentechnisch veränderte Pflanzen oder Pflanzenteile zu importieren oder in Verkehr zu bringen
Die Schweizer Regierung widersetzt sich dem Ansinnen der Initianten und will kein 5-jähriges Gentech-Moratorium in der Landwirtschaft, wie dies die Volksinitiative fordert
In seiner Botschaft vom Mittwoch empfiehlt der Bundesrat dem Parlament, die im September 2003 eingereichte Initiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft» abzulehnen.
Die geltenden gesetzlichen Bestimmungen schützten bereits umfassend vor den Missbräuchen der Gentechnologie, heisst es.
Die Regierung verweist damit auf das Gentechnik-Gesetz und mehrere Verordnungs-Änderungen, die seit Anfang Jahr in Kraft sind. Sie regeln den Umgang mit der Gentechnologie im aussermenschlichen Bereich. Den Initiantinnen und Initianten aus Konsumenten-, Umwelt- und Landwirtschaftskreisen geht dieses Regime zu wenig weit.
Importverbot für GVO
Gemäss dem von 120’824 Bürgerinnen und Bürgern unterzeichnete Volksbegehren wäre es verboten, während fünf Jahren gentechnisch veränderte Pflanzen oder Pflanzenteile zu importieren oder in Verkehr zu bringen.
Die gleichen Bestimmungen würden auch für Gentech-Saatgut gelten, das in der Landwirtschaft, im Gartenbau oder in der Forstwirtschaft verwendet wird.
Verboten wären zudem gentechnisch veränderte Tiere, die für die Produktion von Lebensmitteln und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen bestimmt sind.
Die Landesregierung lehnt diese Forderungen ab und verweist auf das geltende Gesetz. Dieses schreibe für die Einfuhr und das Arbeiten mit GVO bereits ein Bewilligungs-Verfahren vor, das vom Vorsorgeprinzip geleitet sei.
Dieses Verfahren sorge auch für den Schutz der gentechfreien Landwirtschaft.
Forschungsstandort gefährdet
Aus Sicht des Bundesrates erhöht das Moratorium die Sicherheit, welche schon das bestehende Gesetz biete, «faktisch» nicht.
Die Herstellung von Lebensmitteln mit gentechnisch veränderten Wirbeltieren sei schon heute untersagt. Auch würde ein Bewilligungs-Verfahren für Gentech-Pflanzen mehrere Jahre dauern.
Durch ein Moratorium sieht der Bundesrat schliesslich auch den Forschungsstandort Schweiz gefährdet. Dieser drohe international an Ansehen und Interesse zu verlieren, obwohl die Forschung – und damit auch die Freisetzungs-Versuche – von der Initiative nicht direkt betroffen seien.
Die unsicheren Perspektiven könnten nach Meinung des Bundesrates dazu führen, dass Forschende ins Ausland abwandern.
Bis jetzt kein Gesuch
Frühestens in der Wintersession 2004 wird sich der Erstrat der Initiative annehmen, der Zweitrat in der Frühjahrssession 2005. Die Volksabstimmung hat bis spätestens Mitte Januar 2007 stattzufinden, falls das Parlament keinen Gegenentwurf vorlegt.
Das von der Schweizer Regierung zitierte Bundesgesetz über die Gentechnik, mit dem der Bundesrat die Ablehnung des Gentech-Moratoriums begründet, ist seit Anfang Jahr ist in Kraft.
Bislang wurde jedoch in der Schweiz noch kein Gesuch für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen gestellt.
Zurzeit seien eine gentechnisch veränderte Sojasorte und drei Maissorten für den Import als Lebens- und Futtermittel zugelassen, teilte das Volkswirtschaftsdepartement (EVD) mit.
Allerdings seien bisher noch keine gentechnisch veränderten Lebensmittel in die Schweiz eingeführt worden.
Als Futtermittel dürfen laut EVD zudem etwa Maiskleber und Sojaschrott von allen Gentech-Sorten eingeführt werden, die entweder in der EU, den USA oder Kanada zugelassen sind.
Dennoch würden kaum kennzeichnungspflichtige Futtermittel aus GVO in die Schweiz gelangen.
Im ersten Halbjahr 2004 hatten 0,35% der Futtermittel-Importe GVO-Anteile von über 3%.
Ein Anbauversuch
Bislang bewilligten die Behörden einen einzigen Freisetzungsversuch – jenen der ETH Zürich zur Resistenz von gentechnisch verändertem Weizen in Lindau bei Zürich.
Gegen dieses Experiment auf einer 8 Quadratmeter grossen Fläche hatte sich heftiger Widerstand geregt.
Der Freilandversuch der ETH Zürich im zürcherischen Lindau wurde im Juli beendet. Im März davor hatten rund 40 Greenpeace-Aktivisten das Feld besetzt und den Abbruch des Versuches gefordert. Das Feld wurde von der Polizei beschützt.
Die Forscher entnahmen noch vor der vollen Reife des Weizens in Lindau die letzten Pflanzen- und Bodenproben. Durch das frühe Ende des Versuchs seien keine keimfähigen Körner entstanden und in die Umwelt gelangt.
Das eingezäunte Feld wurde anschliessend geräumt, das Pflanzenmaterial den Vorschriften entsprechend entsorgt. Die acht Quadratmeter Anbaufläche wurde anschliessend abgeflammt und sterilisiert, gemäss den Auflagen des Bundesamts für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL).
Erste Resultate des Anbauversuches seien für Ende Jahr zu erwarten, hält das EVD fest. Zurzeit lägen keine Gesuche um weitere Freisetzungs-Versuche vor.
swissinfo und Agenturen
Seit 1996 hat sich die Anbaufläche für gentechnisch veränderte Pflanzen um den Faktor 40 vergrössert. 2003 waren es in 18 Ländern 68 Mio. Hektaren.
GVO sind in 55% der weltweiten Sojaproduktion, in 21% Baumwolle, 16% Raps und 11% Mais.
Die EU wird demnächst den Handel von transgenem Mais erlauben. Das nach dem Ende eines sechsjährigen Moratoriums.
18.09.2003: Rund 20 Umwelt-, Konsumenten- und Landwirtschafts-Organisationen deponieren die Initiative für ein Moratorium für GVO.
27.02.2004: Die ETH Zürich erhält von BUWAL die Bewilligung für einen Freisetzungsversuch für gentechnisch veränderten Weizen.
18.08.2004: Die Regierung lehnt die Moratoriums-Initiative ab.
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