Regierung will nicht «Avanti»
Ein zweiter Strassentunnel durch den Gotthard sei nicht prioritär: Der Bundesrat ist gegen die entsprechende "Avanti"-Initiative. Die grossen Verkehrsprobleme lägen in den Agglomerationen.
«Wir müssen vom Mythos Gotthard wegkommen», sagte der zuständige Bundesrat Moritz Leuenberger am Mittwoch in Bern vor den Medien. Zwei Drittel aller Staus träten in den Agglomerationen auf und nicht auf der Nord-Süd-Achse.
Mit einem gezielten Ausbauprogamm will der Bundesrat die Verkehrsprobleme in den Agglomerationen und auf der Ost-West-Achse entschärfen. Er präsentierte seinen Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Avanti – für sichere und leistungsfähige Autobahnen».
Für die Avanti-Initiative ist das Nationalstrassen-Netz für die Schweiz zentral, es solle weiter ausgebaut werden – inklusive einer zweiten Röhre am Gotthard (detaillierte Forderungen siehe Link).
Strasse und Schiene
Die Vorschläge der Avanti-Initiative seien zu undifferenziert und einseitig, heisst es in der Mitteilung des zuständigen Departements von Bundesrat Moritz Leuenberger.
Ausserdem würde die Wirtschaftlichkeit der NEAT beeinträchtigt und ein falsches Signal zur Verlagerungspolitik gesetzt. Schliesslich widerspräche eine zweite Gotthardröhre dem von Volk und Ständen angenommenen Alpenschutzartikel in der Bundesverfassung.
Die unbestrittenen Punkte der Initiative übernimmt der Bundesrat in der zu Handen des Parlaments verabschiedeten Botschaft zum Gegenvorschlag jedoch wörtlich.
Mineralöl-Steuer nicht nur für Strassenprojekte nutzen
Demnach soll der Bund mit einem neuen Verfassungsartikel verpflichtet werden, sich für leistungsfähige Infrastrukturen einzusetzen und Engpässe beim Strassen- und Schienenverkehr zu beseitigen.
Um die gesamten Probleme zu beheben, sind grosse Investitionen nötig. Der Bundesrat will das Geld aus der Mineralöl-Steuer neu je nach Notwendigkeit verwenden können. Bisher waren die Einkünfte rein für den Strassenverkehr bestimmt. Das so genannte «Road pricing» sei kein Ersatz für die Zweckerweiterung, so die Regierung.
Probleme rund um die grossen Städte
Zudem wird in einer Übergangs-Bestimmung festgehalten, dass der Bundesrat innert zwölf Monaten nach Annahme des Gegenvorschlags ein Programm für die Beseitigung von Engpässen auf dem Nationalstrassen-Netz und in den Agglomerationen vorlegt.
Die hauptsächlichen Verkehrsprobleme sieht der Bundesrat in den Agglomerationen Zürich, Basel, Lausanne, Genf, Bern, Luzern, Lugano, Winterthur und St. Gallen sowie auf Abschnitten der Ost-West-Achse des Nationalstrassen-Netzes.
In den Ballungsgebieten besteht laut Mitteilung Handlungsbedarf bei den Autobahnen sowie bei der Infrastruktur für den öffentlichen Langsamverkehr.
Prioritär will der Bundesrat die drei Autobahnabschnitte Härkingen-Wiggertal (A1), Luterbach-Oensingen (A1) und Andelfingen-Schaffhausen-Nord (A4) ausbauen. Der Ausbau weiterer Abschnitte wird geprüft.
Dabei wird auch die A2 zwischen Göschenen und Airolo einbezogen. «Es ist nicht ausgeschlossen, dass dereinst auch die Gotthardstrecke ausgebaut wird», sagte Leuenberger. Doch erste Priorität habe dieses Vorhaben nicht.
Gotthardprobleme nicht Alltag
Die Staus am Gotthardtunnel beschränkten sich weitgehend auf die Spitzentage während den Hauptreisezeiten. Eine rasche Kapazitätserweiterung würde zudem zu einer Verschärfung der Verkehrsprobleme auf den Zufahrtsstrecken führen.
Der Gegenvorschlag des Bundes sowie die Avanti-Initiative selber werden voraussichtlich nach den Sommerferien im Parlament behandelt. Schon jetzt ist absehbar, dass es dabei zu heftigen Diskussionen kommen wird, denn die Reaktionen auf den Regierungs-Vorschlag liessen nicht lange auf sich warten.
Reaktionen uneins
An den bisherigen Fronten hat sich nichts geändert: Die bürgerlichen Parteien haben schon vor längerem entschieden, dass sie sich für eine zweite Gotthardröhre einsetzen wollen – das werde auch weiterhin so sein, hiess es von FDP, CVP und SVP.
Entschieden dagegen sind weiterhin die Sozialdemokraten. Noch rigider äusserte sich das von Alpen-Initiative, Verkehrs-Club Schweiz und Umweltverbänden getragene Komitee «Avanti-Nein»: Man lehne nicht nur die zweite Röhre am Gotthard entschieden ab, sondern sei auch gegenüber den Ausbauplänen des Bundesrats «äusserst skeptisch».
Die Volksabstimmung ist frühestens im Jahr 2004.
swissinfo und Agenturen
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch