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Roche: Trotz Rekordverlust kaum Zukunftsängste

Weniger Produktions- als Portfolioprobleme: Roche. Roche

Roche hat mit vier Milliarden Franken Verlust einen historischen Negativ-Rekord aufgestellt.

Analysten reagierten nicht allzu negativ. Die Verluste gehen vor allem auf das Finanz- und weniger auf das operationelle Geschäft zurück.

Es steht schlimm, aber zumindest etwas weniger schlimm als erwartet: vier Milliarden Franken Verluste muss der Basler Pharmakonzern für 2002 ausweisen, mit noch mehr hatte man gerechnet.

107-Jahres-Tiefst

Die vier Milliarden entsprechen dem absoluten Negativ-Rekord in der Geschichte des Baslers Pharmaunternehmens. Noch nie im 107-jährigen Bestehen des Konzerns musste man solch tiefrote Zahlen präsentieren.

Im Jahr 2001 hatte der Pharmakonzern noch einen Gewinn von rund 3,7 Mrd. Franken ausgewiesen. Das schlechte Konzernresultat sei ein einmaliger Rückschlag in der Geschichte von Roche, sagte Konzernchef Franz Humer.

Umsatz positiv

Gleichzeitig versprühte der CEO und Verwaltungsratspräsident Zuversicht: Roche wachse stärker als der Weltmarkt, die Profitabilität steige.

So wuchs im 2002 der Umsatz um 2% auf 29,725 Mrd. Franken, gab Roche an ihrer Bilanzkonferenz bekannt. In lokalen Währungen habe das Plus gar 8% betragen.

Tabula rasa kostet 7,8 Milliarden

Ohne Sonderfaktoren hätte Roche für 2002 einen adjustierten Konzerngewinn von 3,8 Mrd. Fr. verbuchen können. Der Konzern machte aber tabula rasa und entledigte sich mit einem Schlag einer Reihe von Problemfeldern. Dies belastete die Konzernrechnung mit insgesamt 7,8 Mrd. Franken.

Fette Wertschriftenverluste

Als Hauptbrocken figuriert eine Wertberichtigung von 5,2 Mrd. Franken auf den Wertpapierbeständen von Roche als Folge der Börsenbaisse. Diese Bestände hatten Ende letzen Jahres 24 Prozent der liquiden Mittel von Roche ausgemacht, die sich auf 15,8 Mrd. Fr. beliefen.

Die Wertschriften sollen je nach Entwicklung der Finanzmärkte verkauft werden. Der Erlös soll für das operative Geschäft und den Schuldenabbau verwendet werden. Mit 40 Prozent Eigenkapital sei Roche weiterhin solide finanziert, sagte CFO Erich Hunziker.

Nicht mehr wie in früheren Jahren brillieren kann Roche mit dem Finanzertrag, der von 1,52 Mrd. auf 663 Mio. Fr. einbrach. Ohne den Verkauf von LabCorp-Aktien hätte sich das Finanzergebnis gar auf minus 536 Mio. Fr. belaufen.

Weitere Rückstellungen als Folge der Vitamin-Preisabsprachen

Erneut drückte auch der Vitaminskandal mit Rückstellungen von weiteren 1,8 Mrd. Franken auf das Konzernergebnis. Roche geht davon aus, dass damit sämtliche Forderungen aus Klagen abgedeckt sind. Insgesamt kosten die dem Konzern vorgeworfenen illegalen Preisabsprachen 5,1 Mrd. Franken.

Wertberichtigungen beim Verkauf der Division Vitamine und Feinchemikalien standen mit 1,6 Mrd. Fr. zu Buche. Auf 0,8 Mrd. Fr. belaufen sich zudem die Rückstellungen für einen Rechtsstreit der US-Tochter Genentech. Dafür brachte die Allianz mit Chugai in Japan einen Buchgewinn von 586 Mio. Franken.

Dividende trotz allem erhöht

Trotz der Milliardenverluste im letzten Jahr will der Verwaltungsrat die Dividende um 12% auf 1,45 Franken erhöhen. Dies wird mit dem guten Betriebsergebnis begründet, das ohne “Sonderfaktoren” um 12% auf 5 Mrd. zunahm.

Operationell stark

Zwar suchen die Analysten der Zürcher Kantonalbank eine klare Leitlinie für das organische Wachstum – ein zweistelliges Umsatzwachstum sei mit der Konsolidierung von Chugai keine Überraschung. Die Analysten der Banque Pictet wiederum sehen für die Zukunft des Pharmaunternehmens nicht schwarz.

Im Gegenteil: Sie begrüssen nicht nur die transparenteren Bilanzen, sondern weisen auch auf die operationelle Stärke von Roche hin: “Operationell gesehen zeigt Roche zunehmende Wachstumszahlen und auch die Gewinnmargen werden weiter zunehmen.”

Pictet geht in ihrem Kommentar davon aus, dass “Investoren die Stärke Roches im Vergleich zu ihren Konkurrenten erkennen werden.”

Novartis bekräftigt Interesse an Roche

Die Stärke Roches scheint auch Novartis-Chef Daniel Vasella weiterhin zu interessieren. Vasella ist schon länger an einer Fusion mit Roche interessiert, was er in einem am Mittwoch in der “Handelszeitung” veröffentlichten Interview nochmals bekräftigte. Novartis würde nach einer Fusion mit Roche weltweit zur Nummer zwei der Branche aufrücken, sagte Vasella. Novartis hält zur Zeit rund 32,7% Roche-Aktien, was knapp einem Drittel entspricht.

Eine Fusion der zwei Basler Pharma-Multis würde die Konkurrenzfähigkeit verbessern und dank der breiteren Geschäfts- und Produktpalette die Risiken reduzieren, so Vasella.

Roche will solo bleiben

Roche lehnt eine Fusion mit dem Konkurrenten und Grossaktionär weiterhin ab. Roche-Konzernchef Franz Humer: “Weder der Verwaltungsrat noch der Pool der Gründerfamilien haben die Absicht, ihre Mehrheit an Roche aufzugeben.” Die Handlungsfreiheit von Roche sei somit gewährleistet, stellte Humer an der Bilanzkonferenz klar, selbst wenn Novartis ihren Anteil auf 33,3 Prozent erhöhe.

Elf Mitglieder der Gründerfamilien Hoffmann und Oeri kontrollieren über einen Aktien-Pool eine Mehrheit von 50,1% der Roche.

Startklar für die Zukunft

In der Medienerklärung vom Mittwoch sagte Roche-Präsident und -Konzernchef Franz B. Humer, dass die Belastungen aus der Vergangenheit mit den gemachten Wertberichtigungen bereinigt seien.

Im laufenden Jahr erwartet Roche in seinen beiden Sparten Pharma und Diagnostika – auf die sich der Konzern laut Humer konzentrieren will – jeweils ein zweistelliges Wachstum bei Umsatz und Ertrag.

swissinfo und Agenturen

Roche fährt für 2002 einen Rekordverlust ein.
Dies vor allem infolge Vitamin-Kartell-Strafen in den USA und Verlusten im Wertschriften-Portfolio.
Der Umsatz jedoch konnte um 2% gesteigert werden und liegt bei 29,7 Mrd. Franken.
Der Bereich Pharma wuchs um 9% auf 19,3 Mrd. Franken.
Roche beschäftigt weltweit rund 62’000 Mitarbeiter.
Von einer Fusion mit Novartis hält nach wie vor nichts.
Roches Handlungsfreiheit ist, laut Konzernchef Humer, nach wie vor gewährleistet.

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