«Rubik geht an die Wurzel des Problems»
Alfredo Gysi, VR-Präsident der Bank BSI in Lugano und Präsident der Auslandbanken in der Schweiz, hatte die anonyme Abgeltungssteuer gemäss dem Modell Rubik erstmals öffentlich lanciert. Im Interview nimmt er zu den aktuellen Entwicklungen Stellung.
Er denke, dass der eingeschlagene Weg der Abgeltungssteuer die «effektivste und unbürokratischste Weise für die anderen Länder ist, um an das geschuldete Geld zu kommen», sagt Gysi im Interview.
swissinfo.ch: Wie zuversichtlich sind Sie, dass sich das Modell Rubik durchsetzen wird?
Alfredo Gysi: Mit dem bilateralen Abkommen mit Grossbritannien ist ein Meilenstein erreicht worden. Denn es ging darum, das bilaterale Abkommen nach dem Modell Rubik mit dem bestehenden EU-Abkommen zur Zinsbesteuerung in Einklang zu bringen. Und dies ist nun geschehen. Ich denke, dies ist vor allem ein wichtiges Signal in Richtung Deutschland.
swissinfo.ch: Doch gerade in Deutschland ist der Widerstand gegen eine Abgeltungssteuer aber besonders gross.
A.G.: Grundsätzlich ist erst einmal positiv, wenn ein bilaterales Steuerabkommen in Einklang mit der EU steht. Das löst natürlich nicht die internen Probleme in Deutschland. Aber dieser «Stolperstein Europa» ist eliminiert. Interesse signalisieren mittlerweile ja auch andere europäische Länder. Das ist positiv.
swissinfo.ch: Trotzdem wird von verschiedenen Seiten auf den automatischen Informationsaustausch zur Bekämpfung der Steuerflucht beziehungsweise Steuerhinterziehung gedrängt. Dieser Druck auf die Schweiz wird doch bleiben?
A.G.: Nein, denn der automatische Informationsaustausch bezieht sich nur auf die Zinsbesteuerung. Dieser erfasst also nicht alle Bereiche. Ich denke, dass der eingeschlagene Weg der Abgeltungssteuer die effektivste und unbürokratischste Weise für die anderen Länder ist, um an das geschuldete Geld zu kommen. Und zwar so effizient, wie es sich mit keinem Informationsaustausch erreichen lässt.
swissinfo.ch: Können Sie das verdeutlichen?
Mit einem Informationsaustausch könnten sich Millionen von Daten um die Welt bewegen, aber es bewegt sich noch kein Euro. Die Abgeltungssteuer ist dagegen sehr konkret.
Wir sprechen von 2013. In wenigen Monaten ist die Lösung in greifbarer Nähe; das geschuldete Geld könnte fliessen. Diesen Vorteil gibt es bei keinem anderen Vorschlag.
swissinfo.ch: Mit der BSI und ihrem Kerngeschäft der Vermögensverwaltung sind Sie besonders gegen Italien exponiert. Dort signalisiert man keinerlei Interesse an einer Abgeltungssteuer im Rahmen eines bilateralen Vertrags.
A.G.: Italien befindet sich in einer heiklen Phase und will auf keinem Fall die Beziehungen zu Brüssel stören. Italien ist an keiner Lösung interessiert, die bei der EU auf Schwierigkeiten stossen könnte.
Doch genau dieses Problem ist mit dem Abkommen mit UK aus dem Weg geschafft. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass Italien relativ rasch zur Stelle ist, wenn auch Deutschland einlenkt.
swissinfo.ch: Besteht auf Grund des Drucks aus der EU und USA in Bezug auf Steuerflucht die Gefahr, dass Kunden nach Asien, etwas Singapur, abspringen?
A.G.: Wir haben diese Art der Bewegungen bisher nicht feststellen können, obwohl über diese Thematik seit einiger Zeit diskutiert wird. Die Kunden sind sich bewusst, welchen Weg die Schweiz eingeschlagen hat.
Ganz wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang aber auch der jüngste Entscheid vom 16. Februar auf Stufe der FATF (Financial Action Task Force on Money Laundering), wonach schwere Steuerhinterziehung als Vortat zu Geldwäscherei zu klassifizieren ist. Dies wird dazu führen, dass man in Kürze weltweit die Geldwäschereigesetze anpassen muss.
swissinfo.ch: Was bedeutet das für die Kunden?
A.G.: Ich denke, die Kunden wissen, dass sich ihnen durch ein Abkommen wie mit Grossbritannien eine einmalige Chance bietet, mit der Vergangenheit abzuschliessen und eine neue Zukunft zu planen.
Den meisten Kunden ist bewusst geworden, dass es besser ist, in der Schweiz zu bleiben, wenn man hier die Vergangenheit bewältigen kann, als an einen anderen Ort auf der Welt zu flüchten.
swissinfo.ch: Was raten Sie Ihren Kunden, etwa Italienern, die noch unversteuerte Vermögen bei Ihnen haben?
A.G.: Abwarten. Und die Gelegenheit zur Regulierung ergreifen, wenn sich diese Möglichkeit ergibt. Ich möchte übrigens daran erinnern, dass viel Geld aus Italien nicht aus Steuerfluchtmotiven in die Schweiz gekommen ist, sondern etwa aus Angst vor dem Terrorismus, Geldabwertung und anderen Problemen.
Im heutigen Europa sind wir an einem Punkt angelangt, in dem die Kunden einen Schlussstrich hinter diese Vergangenheit ziehen, aber ihr Geld frei bewegen wollen. Dies ist auch im Interesse der künftigen Generationen der Kunden.
swissinfo.ch: Was halten sie vom Vorschlag, dass ein Kunde schriftlich gegenüber der Bank erklären muss, seine Gelder seien am Steueramt gemeldet?
A.G.: Wenn ein Kunde das Steueramt anlügt, könnte er auch seine Bank anlügen… Insofern ist das keine wirkliche Lösung. Modelle wie Rubik gehen an die Wurzel des Problems. Denn ich bin überzeugt, dass die Schweiz auch in Zukunft Gelder aus dem Ausland anziehen wird, allein schon weil dieses Land als sicherer Hafen gilt – wir sehen dies ja an der Stärke des Schweizer Frankens.
Und die Banken müssen vermeiden, dass sich wieder zweideutige Situationen ergeben. Das Ausfüllen eines Stücks Papier – nur hier in der Schweiz – nützt da nichts. Das wird niemanden im Rest der Welt beeindrucken.
Die Schweiz hat Änderungen bei dem bereits unterzeichneten, aber noch nicht ratifizierten Steuerabkommen mit Deutschland vorgeschlagen. Die Eidgenossenschaft wartet nun auf eine rasche Antwort aus Berlin.
Nach Angaben des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) muss bis Ende dieser Woche klar sein, ob es eine Einigung gibt. Wegen der Fristen in der Schweiz für eine Ratifizierung müsse dies jetzt schnell geklärt werden, wenn das Abkommen wie geplant Anfang 2013 in Kraft treten soll.
Das Abkommen stösst in Berlin offenbar weiterhin auf Widerstand – trotz der neuen Vorschläge der Schweiz.
Nach einer Sitzung der Ministerpräsidenten am Donnerstagabend habe sich gezeigt, dass die SPD-geführten Bundesländer, die schon den ersten Vertragstext zum Scheitern gebracht hatten, das Abkommen nach wie vor weitgehend geschlossen ablehnen, berichtet Schweizer Radio DRS online.
Die Ministerpräsidenten dieser Bundesländer werden sich im Vorfeld der Sitzung des , an diesem Freitag mit den Vorschlägen befassen.
Am Freitag befasst sich der deutsche Bundesrat (Länderkammer) voraussichtlich mit dem Abkommen.
Stimmt die Länderkammer dem Vertrag zu, müssten die Änderungen zum Abkommen von den Finanzministerien beider Länder protokolliert und abgezeichnet werden.
Mario Tuor, Sprecher des Schweizer Staatssekretariats für Internationale Finanzfragen (SIF), sagte, er gehe davon aus, dass dies noch in dieser Woche geschehen könnte.
Die mit Deutschland und Grossbritannien unterzeichneten «Rubik»-Abkommen zielen auf eine Regularisierung der nicht-deklarierten, unversteuerten Guthaben ab, die Staatsangehörige dieser beiden Länder in der Schweiz deponiert haben.
Zur Bereinigung der «Altlasten» soll eine Pauschalsteuer erhoben und das Geld unter Wahrung der Anonymität des Kontohalters an die Steuerbehörden in Deutschland und in Grossbritannien überwiesen werden.
Für künftige Kapitalerträge soll dann eine Quellensteuer auf Zinsen und Dividenden erhoben werden.
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