SBB-Blackout: Risiken unterschätzt
Sie hätten die Risiken eines Totalausfalls ungenügend analysiert, meinen die SBB-Chefs gegenüber der Sonntagspresse. Das wollen sie nun ändern.
SBB-CEO Benedikt Weibel und Infrastrukturchef Hansjörg Hess streben erst einmal ein verbessertes Risiko- und Störungsmanagement an.
Nach dem grossen Blackout infolge eines Kurzschlusses vom vergangenen Mittwoch räumen die Verantwortlichen der SBB Fehler ein. «Wir müssen grundsätzlich über die Bücher», sagt Weibel in einem Interview des «SonntagsBlicks». Notwendig sei ein vorbereitendes Störungsmanagement.
«Vermutlich haben wir dem Risikomanagement des heutigen Bahnbetriebs zu wenig Beachtung geschenkt», sagt der seit einem Jahr amtierende Infrastrukturchef Hess in der «SonntagsZeitung».
War der Totalausfall vermeidbar?
Selbstkritisch äussern sich die Verantwortlichen auch zum Vorgehen der SBB unmittelbar nach dem Kurzschluss. «Die Frage, ob wir den Stromausfall nicht regional hätten begrenzen können, ist berechtigt und wird von uns auch geprüft», sagt Weibel.
Hess erklärt, dass am Mittwochabend im Frequenzumformerwerk in Zürich-Seebach niemand vor Ort gewesen sei. Dieser Umstand habe mit dazu beigetragen, dass das ganze Netz zusammengebrochen sei.
Keine Sündenböcke gesucht
Unterschiedlich äussern sich die beiden SBB-Verantwortlichen zur Kontroverse um den Ausbau des Stromnetzes. Hess hält daran fest, dass Einsprachen von Umweltverbänden den Ausbau verhindert hätten. «Ich hoffe, diese Riesenpanne hat jetzt allen die Augen geöffnet», sagt der Infrastruktur-Chef.
Weibel dagegen relativiert die Vorwürfe: Wenn der Eindruck entstanden sei, die SBB suche Sündenböcke, so sei dieser falsch. Umweltverbände hatten die Vorwürfe der SBB vehement zurückgewiesen und dabei Unterstützung vom Bundesamt für Energie erhalten. Dieses bestätigte, dass keine Einsprachen hängig sind.
Alternativ-Projekt
Die «NZZ am Sonntag» berichtet, dass die SBB ein Alternativ-Projekt zur neu geplanten Stromleitung über den Nufenenpass, das den Crash vom letzten Mittwoch verhindert hätte, gar nie angegangen seien.
Es handelt sich dabei um eine Hochspannungsleitung vom Wallis ins Tessin. Dabei wäre ein SBB-Kabel auf den bestehenden Masten der Leitung über den Nufenenpass eingebaut worden.
Gemäss einem Sprecher der Betreiberleitung wäre das «technisch keine Hexerei» gewesen. Die SBB hätten jedoch entschieden, auf die Fertigstellung der neuen Nufenen-Leitung in gut zehn Jahren zu warten.
Kein Köpferollen – keine absolute Sicherheit
Personelle Konsequenzen will der oberste SBB-Chef aus der grossen Panne nicht ziehen. Es sei nicht sein Stil, Köpfe rollen zu lassen. «Wenn einer gehen müsste, wäre ich es», sagt er im Interview. Sein Rücktritt sei im Moment aber kein Thema.
Weibel gibt weiter zu bedenken, die Vision einer absoluten Sicherheit sei eine Illusion. Und stellt nach einer Woche mit mehreren Pannen ernüchtert fest: «Murphy’s Gesetz, wonach alles schief geht, was schief gehen kann, gilt wirklich».
swissinfo und Agenturen
Am Mittwoch Abend legt ein Kurzschluss in der Zentralschweiz fast das ganze Schweizer Eisenbahnnetz lahm. Es ist «eine Jahrhundertpanne»: die Züge bleiben während mehrerer Stunden stehen. Rund 200′ 000 Reisende sind betroffen.
Am Donnerstagabend verursacht ein Blitz im Wallis einen erneuten Stromkollaps. Er stoppt den Zugverkehr im Wallis und im Genferseegebiet. Verspätungen von rund einer Stunde sind die Folge.
Freitagabend: Wegen Blitzschlägen in SBB-Einrichtungen in den Kantonen Waadt und Freiburg muss ein TGV nach Lausanne umgeleitet werden. Der Intercity Zürich – Genf hat 50 Minuten Verspätung.
Samstagmorgen: In der Nähe von Zürich führt ein Kondensatorenbrand zu einer weiteren Störung im Schienenverkehr. Betroffen sind der Fernverkehr in Richtung Chur und Gotthard sowie der Regionalverkehr.
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