Schwacher Dollar hemmt Konjunktur
Offiziell nicht auf der Agenda des diesjährigen Weltwirtschafts-Forums in Davos, dürfte der schwache Dollar eher hinter den Kulissen Thema sein.
swissinfo fragte den Wirtschafts-Experten Martin Neff, wie sich der Verlauf des Dollars auf die Weltwirtschaft und die Schweiz auswirke.
Die Erholung der Weltwirtschaft ist 2004 zum grossen Teil an den reichen Volkswirtschaften vorbei gegangen. Den Billiglohnländern brachte sie dagegen wesentlich höhere Wachstumsraten.
Wenn es um Konkurrenzfähigkeit und Profitabilität des globalen Wirtschaftens geht, spielen auch die Relationen der Weltwährungen untereinander eine grosse Rolle. Dabei dominiert als Zahlungsmittel gerade in den aufstrebenden Volkswirtschaften in Asien weiterhin der Dollar, obwohl er seit langem schwächelt.
Der Schweizer Franken hingegen erscheine aus dieser Sicht, ähnlich wie der Euro, stark verteuert, sagt Martin Neff, Leiter der Abteilung Economic and Policy Consulting der Credit Suisse in Zürich.
swissinfo: Wie stark betrifft der schwache Dollar die Schweiz?
Martin Neff: Weltwährungen spielen für stark aussenorientierte Wirtschaften wie jene der Schweiz eine äusserst wichtige Rolle. So werden noch heute in der Schweiz rund die Hälfte aller Ausfuhren in Dollar fakturiert.
Daher ist die Stärke des Frankens für die Exportindustrie zunehmend ein Problem. Andererseits hängt die Leistung der Exporteure weniger von Wechselkursen als von der Nachfrage in den Zielländern ab.
Auf die Schweizer Ausfuhr-Optik übertragen heisst das, die Welt-Nachfrage in eine EU- und eine «Rest»-Nachfrage aufzuteilen. Während sie in Europa stagniert, fällt sie beim Rest der Welt beträchtlich aus. Und hier wird immer noch mehrheitlich in Dollar fakturiert.
swissinfo: Haben sich die Beziehungen zwischen der Schweiz und der Weltwirtschaft stark verändert?
M.N.: Die Weltwirtschaft hat zahlreiche strukturelle Änderungen durchgemacht. Diesen neuen Trends hat sich die Schweiz in den letzten 15 Jahren zwar angepasst, sie war aber nicht überall erfolgreich damit. Das zeigt sich an ihrer andauernden Wachstumsschwäche.
Ich führe das erstens auf den Bonuseffekt aus der Eurozone zurück. Früher zog Deutschland mit seinem Wachstum die Schweizer Exporte quasi im eigenen Nachfrage-Sog mit. Doch diese Zeiten sind vorbei.
So musste sich zweitens die Schweizer Exportindustrie zwangsläufig nach anderen Märkten umschauen. In den 1990er-Jahren waren das meist die USA. Ab der Jahrtausend-Wende kamen dann immer mehr die «Emerging Markets» wie China und Indien als Zielländer auf.
Dieser Anpassungsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Er wird noch einige Jahre dauern.
swissinfo: Was halten Sie von der Behauptung, die Dollar-Schwäche sei gewollt?
M.N.: Dass nun die USA einen externen Krieg oder interne Strukturschwächen über eine Dollarabwertung finanzieren sollen, erscheint als Erklärung für Währungs-Entwicklungen allzu simpel.
swissinfo: Sprechen Sie damit die jüngste Dollar-Korrektur an?
M.N.: Nicht nur. Der Dollar ist tatsächlich strukturell schwach, wegen der Defizite in der US-Leistungsbilanz. Andererseits gibt es für die USA auch einen Konjunktur-Bonus. Deshalb hat sich der Dollar Anfang Januar etwas nach oben korrigiert.
Ein wieder etwas erstarkter Dollar ist kurzfristig denkbar. Langfristig jedoch lastet der Strukturdruck auf dieser Währung.
swissinfo: Hat diese neueste Dollar-Korrektur mit der Flutkatastrophe in Südasien zu tun? Was bedeutet sie für die Schweiz?
M.N.: Ich glaube nicht, dass die jüngste Erholung des Dollars mit der Flutkatastrophe zu tun hat, sondern dass diese einerseits technischer Natur ist. Andererseits spiegelt sie auch die sich eher wieder vergrössernde Wachstumsschere zwischen Europa und der Schweiz.
Für die Schweiz bedeutet der stärkere Dollar-Kurs natürlich eine gewisse Entspannung.
swissinfo: Wie könnte sich der Wiederaufbau der betroffenen Länder für die Schweiz auswirken?
Aus Schweizer Sicht hat Sri Lanka traditionell die besseren Beziehungen zu uns als Indonesien. Indonesien ist für die Schweiz kein unbedingt wichtiger Handelspartner.
Die Schweiz wird sicher aus den anstehenden Investitionen in die betroffenen Länder Nutzen ziehen. Aber daraus irgendwelche Wachstumsphantasien für unser Land abzuleiten, geht eindeutig zu weit.
swissinfo-Interview: Alexander Künzle
Etwas mehr als ein Drittel der Welthandels-Einfuhren entfallen auf die EU, weniger als 30% auf die Eurozone.
Über 19% aller Einfuhren, aber nur 12,3% aller Ausfuhren entfallen auf die USA.
Der Anteil «übrige Welt» beträgt ebenfalls über ein Drittel des gesamten Welthandels.
Die US- und «übrige Welt»-Anteile am Welthandel werden hauptsächlich in Dollar abgewickelt.
Zu den Weltwährungen gehören ausser dem Dollar unter anderem noch der Euro, der Yen und das britische Pfund.
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