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Schweiz begrüsst Nobelpreis für den Bankier der Armen

Keystone

Die Schweiz freut sich über die Vergabe des Friedensnobelpreises 2006 an Mohammad Yunus, den Erfinder des Mikro-Kredits, und die Grameen Bank, die er 1976 gegründet hat.

Das sei «eine sehr schöne Überraschung», erklärte der Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, die im Bereich der Mikro-Finanzierung, gerade in Bangladesch, selbst aktiv ist.

Auch Bundespräsident Moritz Leuenberger gratulierte Mohammad Yunus in einer Medienmitteilung zum Friedennobelpreis 2006. Er würdige das Engagement des Gründers der Grameen Bank als Pionierarbeit für die Hilfe zur Selbsthilfe.

DEZA-Chef Walter Fust erwartet, dass nach dem Entscheid des Nobel-Komitees mehr Nichtregierungsorganisationen (NGO) auf Mikro-Kredite setzen.

Es werde fortan mehr NGO geben, die sich auf die Kreditvergabe an die Ärmsten spezialisieren und sich in Banken umwandeln werden, zeigte sich Fust überzeugt. Auch die Grameen Bank von Yunus sei ja zunächst eine NGO gewesen, sagte der Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA).

Der diesjährige Friedensnobelpreisträger habe sich enorm eingesetzt für die armen Menschen. Wer den Menschen mit Mikro-Krediten aus der Armut helfe, verbessere auch die gesellschaftliche Sicherheit, erklärte Fust.

Patriarchat aufbrechen

Zu Beginn seines Projekts habe Yunus Schwierigkeiten gehabt, Kreditgeber zu finden. Und jetzt sei die Grameen Bank eine sehr wichtige Institution, erläuterte Fust, der Yunus persönlich kennt.

Dem Preisträger komme auch das Verdienst zu, die patriarchalische Gesellschaftsstruktur in Bangladesch zu ändern.

Mit der Vergabe von Krediten an Frauen habe Yunus deren Potenzial anerkannt, sagte der Chef der DEZA. Die Schweiz setzt auch auf das Instrument Mikro-Kredite, namentlich in Bangladesch.

Der Mikro-Kredit allein löse das Armutsproblem aber nicht. Ebenso wichtig sei die Möglichkeit, Geld zu sparen und darüber zu verfügen, ergänzte Ruth Egger, Expertin im DEZA für Finanzfragen. Yunus habe dies erkannt und Ende der 90er Jahre ein Sparkassen-System eingeführt.

Unerwartete Entscheidung

Die Vergabe des Friedensnobelpreises an den Wirtschaftsfachmann Mohammed Yunus aus Bangladesch und die von ihm gegründete Grameen Bank kam überraschend.

Das Nobelkomitee in Oslo setzte damit am Freitag ein Signal dafür, dass «die Armutsbekämpfung zu den wichtigsten Aufgaben für die Menschheit gehört». In der Begründung für die unerwartete Entscheidung hiess es, das Projekt von Yunus stehe für die «erfolgreichen Bemühungen zur Erzeugung wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung von unten».

Der 66-Jährige organisiert mit der Bank seit mehr als dreissig Jahren vor allem Kleinstkredite für arme Menschen in dem südasiatischen Land. Die Entscheidung des Nobelkomitees stiess weltweit auf Zustimmung.

Idee der Mikro-Kredite

Yunus kündigte in Dhaka, der Hauptstadt Bangladeschs, an, er werde seinen Kreuzzug gegen die Armut fortführen. «Der (mit 1,1 Mio. Euro dotierte) Preis wird mir dabei helfen.»

Die von Yunus und seiner Bank entwickelte Idee von Mikro-Krediten sei überall von Institutionen übernommen worden und habe «den Weg um die ganze Welt» gefunden, erklärte der norwegische Komiteechef Ole Danbolt Mjs.

Mit der Entscheidung für Yunus habe man die Erweiterung des Friedensbegriffes auf Bereiche wie Umweltschutz, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit bei der Nobelpreisvergabe fortgesetzt.

Das Komitee hatte den berühmtesten Preis der Welt unter anderem 2004 an die Umweltschützerin Wangari Maathai und im Jahr zuvor an die iranische Menschenrechtlerin Schirin Ebadi vergeben.

swissinfo und Agenturen

Mohammad Yunus wurde 1940 in Chittagong (Ostbengalen) geboren.
Er ist diplomierter Ökonom und Erfinder des aktuellen Systems der Mikro-Kredite.
1976 hat er die Grameen Bank gegründet, weltweit die erste Bank, die Kredite an die Armen vergibt.
Die Bank zählt heute 1000 Filialen und beschäftigt 12’500 Personen.

Die Idee des Mikro-Kredits stammt aus dem Europa des 19. Jahrhunderts. Eines der bekanntesten Bank-Institute dieser Zeit, das sich auf gegenseitige Kredite zwischen Handwerkern und Bauern stützte, ist die 1862 in Deutschland gegründete Raiffeisen-Bank.

Es handelt sich um ein wirtschaftliches Entwicklungsinstrument, das den Ärmsten erlaubt, kleine Summen Geld zu leihen.

Dieses System ist besonders nützlich in Entwicklungsländern, wo die Mehrheit der Menschen keinen Zugang zu traditionellen Banken hat und auf Wucherer angewiesen ist, die unerschwingliche Zinsen verlangen.

So trägt der Mikro-Kredit zur Entwicklung der Sektoren Landwirtschaft, Viehzucht, Handel und Dienstleistungen bei.

Er spielt auch bei der Emanzipation der Frau eine Rolle, da es oft die Frauen sind, die Kredite erhalten und das Geld investieren.

Die Vereinten Nationen haben 2005 zum Jahr des Mikro-Kredits erklärt.

Frieden: Muhammad Yunus (Bangladesch) und Grameen Bank

Literatur: Orhan Pamuk (Türkei)

Medizin: Andrew Fire (USA) und Craig Mello (USA)

Chemie: Roger Kornberg (USA)

Physik: John Mather (USA) und George Smoot (USA)

Wirtschaft: Edmund S. Phelps (USA)

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