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Schweiz bricht mit ihrem Langweiler-Image

Eine Lasershow im angesagten Zürcher Club "Rohstofflager". Keystone

Helvetische Elektro-Rhythmen pulsieren in London. Neben dem Alpen- und Schokoladen-Image gibt sich die Schweiz im Ausland vermehrt einen trendigen und urbanen Anstrich.

Immer häufiger spielen Schweiz Tourismus und diverse Städte die Karte der Jugendkultur oder sogar die der Schwulen und Lesben aus.

Die erste Liga der Schweizer Elektromusik-Szene gibt sich zur Zeit ein Stelldichein am Festival «La Suisse East London». Eine traumhafte Möglichkeit, schweizerische Kreativität direkt ins Herz des Nachtlebens und der Coolness zu bringen. Die britische Presse hat das Thema dankend aufgenommen.

Im Januar hatte die französische Zeitung «Libération» erklärt, die Stadt Zürich – und vor allem ihr Westquartier mit seinen trendigen Clubs und Bars – habe sich weit weg bewegt von ihrem gutbürgerlichen Image eines «langweiligen Tresorfachs».

Diese neue Wahrnehmung ist wohl zu einem grossen Teil auch der Liebeserklärung von Tyler Brulé zu verdanken: Im Jahr 2000 hatte der «Papst des Lifestyle» Zürich in seinem Magazin Wallpaper zur «hipsten Stadt Europas» gekürt.

Kommt dazu, dass Zürich zum dritten Mal als die Stadt mit der höchsten Lebensqualität der Welt eingestuft wurde (Mercer-Report).

Doch auch die Romandie zieht mit: Lausanne gilt sowohl in der Schweiz als auch im Ausland als trendy. Das Viertel Flon mit seinen Bars, Clubs und Boutiquen hat der Stadtkarte ein neues In-Quartier beschert.

Ein Nischenmarkt

Diese Zauberformel – Shopping kombiniert mit Museumsbesuchen und Nachtleben – blieb bei urbanen Touristen nicht unbemerkt. «Diese Klientel bleibt aber ein Nischenmarkt», gibt Laurence Gabriel von Schweiz Tourismus zu bedenken. «Der Grossteil des Tourismus bleibt traditionell, nicht urban.»

Trotzdem werden immer mehr Städtereisen verkauft, allein oder zusammen mit anderen Angeboten wie einem Ski-Ausflug. Auch in diesem Bereich hat sich die Schweiz nämlich gemausert. Einige Stationen bieten sich konkret einer vergnügungsfreudigen Kundschaft an, hauptsächlich Briten.

Dazu gehören sicher die Regionen Flims/Laax, Leysin und Verbier, die alle relativ nahe von grösseren Städten liegen. Sie setzen auf Snowboard und Freeride. Und sie organisieren grosse Wettbewerbe, die wiederum im Ausland wahrgenommen werden.

Noch zaghafte Werbung

Die vergnügungssüchtigen Touristinnen und Touristen sind zwischen 15 und 35. Der grösste Markt für Schweizer Städte liegt in Deutschland. Letztes Jahr veröffentlichte das deutsche Lifestyle-Magazin «Max» eine Beilage über Zürich, Bern und Basel.

Auch Schweiz Tourismus gibt jedes Jahr einen Führer für 28 Städte heraus. Eine spezielle Ausgabe gibt es für Zürich. Doch dies ist noch weit weg von – beispielsweise – einer Plakatkampagne in ganz Europa. Das «Kerngeschäft» bleiben die Alpen und die Kühe.

«Städtereisen sollten wir im nächsten Marketingplan besser bearbeiten», gibt Pressefrau Gabriel zu.

Schwule und Lesben als Zielgruppe

Parallel zu den Bedürfnissen der In-Touristen hat sich die schwule und lesbische Szene entwickelt. In diesem Bereich werden hauptsächlich englische und amerikanische Kundinnen und Kunden angepeilt.

Und wieder stehen Lausanne – schwule Hauptstadt der Westschweiz – und Zürich zuvorderst: Beide haben sie Pressereisen organisiert, während denen sie ihre Städte als «gay-friendly» präsentiert haben.

Im Gegensatz dazu hat die Stadt Genf «kein Angebot in diesem Bereich», wie Christian Rey, Chef des Tourismusbüros der Stadt, erklärt. Genf als die meistbesuchte Stadt der Schweiz beherberge hauptsächlich Geschäftsreisende und Kongressbesucher (70%).

Doch trotzdem lässt sich in Genf gebührend feiern. Das Problem, so Rey, sei jedoch die Verteilung der Standorte. Genf fehle ein Ausgeh-Quartier wie Flon oder Zürich West.

Doch auch Zürich muss kämpfen: «Wir tun unser Möglichstes, um das sterile Image zu ändern, doch das braucht seine Zeit», schliesst Susanne Steiger vom Tourismusbüro der Stadt.

swissinfo, Anne Rubin
(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

Schweiz: 31 Mio. Übernachtungen jährlich
davon 5,5 Mio. in Städten
Spitzenreiter 2003: Genf mit 2,3 Mio.

2003 wurde Zürich im Mercer-Report zum 3. Mal zur Stadt mit der weltbesten Lebensqualität erkoren. Betreffend Sicherheit landete sie hinter Luxemburg auf Platz 2, zusammen mit Helsinki, Singapur, Genf und Bern.

Das Magazin Wallpaper von Tyler Brulé krönte Zürich zur «hipsten Stadt Europas».

Im kulturellen Bereich wird die Schweiz oft als «Festival-Land» bezeichnet. Sie zählt zu den Ländern mit den meisten und unterschiedlichsten Festivals. Nicht selten sorgt die landschaftliche Szenerie bei einem Festival für den speziellen Charme.

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