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Schweiz ist nicht vom Gas-Streit betroffen

Vielleicht dreht Russland den Gas-Hahn schon bald wieder auf. Reuters

Die Schweizer Gas-Industrie erwartet im russisch-ukrainischen Gas-Streit keinen Versorgungs-Engpass in der Schweiz. Vielleicht kommt es schon bald zu einer Lösung: Moskau und Kiew nahmen am Donnerstag ihre unterbrochenen Verhandlungen wieder auf.

Während der Bedarf an Gas bei den tief winterlichen Temperaturen in Europa zunimmt, tut sich im russisch-ukrainischen Gas-Streit ein Hoffnungsschimmer für eine baldige Lösung auf.

In der Europäischen Union herrscht jedenfalls Zuversicht, dass rasch wieder Gas von Russland über die Ukraine geliefert wird. Moskau und Kiew nahmen am Donnerstag ihre seit Silvester unterbrochenen Verhandlungen zur Streitbeilegung wieder auf. Ein Durchbruch blieb bislang aber aus.

Am Donnerstagvormittag trafen Vertreter der beiden Unternehmen in Brüssel mit EU-Vertretern zusammen. Im zuständigen Ausschuss des EU-Parlaments gab man sich zu Beginn einer Sondersitzung mit allen Beteiligten optimistisch, dass bereits am Abend wieder Gas fliessen sollte.

«Wir haben Grund zur Hoffnung, dass wir eine schnelle Lösung für das drängendste Problem bekommen, nämlich die Wiederaufnahme der Gaslieferungen», sagte auch der amtierende EU-Ratsvorsitzende, Tschechiens Europaminister Alexandr Vondra in Prag.

Für Schweiz kein Problem

Obwohl die Schweiz etwas Gas aus Russland importiert, bestehen keine direkten Lieferungsverträge mit dem russsischen Gas-Unternehmen Gazprom, sagte Ruedi Rohrbach von Swissgas, das drei Viertel des Schweizer Gas-Bedarfs abdeckt. Swissgas hat dazu überwiegend langfristige Verträge.

Der Anteil des Erdgases am schweizerischen Gesamtenergiebedarf beträgt rund 12 Prozent. Das russische Erdgas wird von Lieferanten in den Niederlanden, Deutschland, Frankreich und Italien eingekauft.

Gemäss dem Bundesamt für Energie (BFE) decken diese Länder mit Ausnahme der Niederlande ihren Energiebedarf vor allem mit Lieferungen aus Russland, Norwegen und Algerien.

Gemäss Rohrbach käme es jedoch in der Schweiz zu keinem Engpass, auch wenn die Lieferanten das Gas zurückhalten würden, um ihren eigenen Energiebedarf abzudecken.

«Dafür besteht kein Risiko. Nicht nur die Schweiz, sondern auch andere Länder haben langfristige Gas-Lieferverträge mit diesen Lieferanten abgeschlossen. Es handelt sich dabei um etablierte westeuropäiscche Grossunternehmen, die weltweit tätig sind», sagte Rohrbach gegenüber swissinfo.

Die Firmen hätten ihnen explizit bestätigt, dass es bei ihnen keine Kunden-Priorisierung gebe und dass alle gleich behandelt würden. «Die Lieferung von Erdgas in die Schweiz ist keineswegs von Russland abhängig», sagte Rohrbach.

Anfragen an die Schweiz

Wie der Bundesrat am Mittwoch bestätigte, habe neben dem russisch-ukrainischen Gasgrosshändler Rosukrenegro auch die Ukraine wegen des Gaskonflikts mit Russland bei den Bundesbehörden in Bern vorgesporchen.

Über eine allfällige Vermittlungstätigkeit der Schweiz im Konflikt müsste der Bundesrat entscheiden. Dieser tritt aber erst am 14. Januar zu seiner ersten Sitzung zusammen.

Bei dem Treffen vom Dienstag mit dem BFE und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) habe der Vertreter der Ukraine die Position seines Landes dargelegt, sagte BFE-Sprecher Matthias Kägi am Mittwoch zu einem Bericht des Zürcher Tages-Anzeigers.

Um Vermittlung wurde der Bundesrat am Dienstag auch von dem in Zug ansässigen Rosukrenergo ersucht. Der Gas-Grosshändler bittet den Bundesrat, sich zudem mit seinen politischen Möglichkeiten für eine ungehinderte Durchleitung des Erdgases von Rosukrenergo nach Europa einzusetzen.

Rosukrenergo, das je zur Hälfte im Besitz des russischen Gas-Konzerns Gazprom und zwei ukrainischen Geschäftsleuten ist, steht im Zentrum des Gas-Streits. Denn das Unternehmen ist für die Gas-Lieferungen in die Ukraine zuständig. Kiew schuldet Rosukrenergo 3,5 Mrd. Franken.

Besser vorbereitet

Durch den Streit um unbezahlte Rechungen und künftige Lieferbedingungen erhält die Europäische Union kein Gas mehr aus Russland über die Ukraine. Die EU bezieht rund einen Viertel ihres Gases aus Russland, 80 Prozent davon stammen aus ukrainischen Pipelines.

Nach dem Scheitern von Verhandlungen in Moskau stellte Russland am 1. Januar die Gas-Lieferungen an die Ukraine ein.

Europäische Lieferanten sind diesmal besser auf die Unterbrechung russischer Lieferungen vorbereitet als 2006, als Gazprom den Gas-Hahn zudrehte. Damals fielen die Gas-Lieferungen nach Europa um rund 40 Prozent.

Die Hauptabnehmer von russischem Gas haben Reserven aufgebaut, die den Energiebedarf über mehrere Monate decken.

Russland und die Ukraine machen sich gegenseitig für den Gas-Lieferungsstopp verantwortlich. Gazprom wirft der Ukraine Gasdiebstahl vor: Die Ukraine stehle rund 15 Prozent der durch ihr Land transportierten Gas-Lieferungen nach Europa.

«Der Anteil unbewilligter Entnahmen russischen Gases, das für Europa bestimmt war, nimmt in der Ukraine zu», heisst es auf der Webseite von Gazprom.

swissinfo und Agenturen

Für die Schweiz ist Erdgas nach Erdöl und nach Elektrizität der drittwichtigste Energieträger.

Der Anteil des Erdgases am schweizerischen Gesamtenergiebedarf stieg von 1,6% 1973 auf heute 12%.

Zum Vergleich: Erdölbrenn- und Treibstoffe machen zusammen 57% aus, Elektrizität 23%.

Gleichwohl ist der jährliche Verbrauch im europäischen Vergleich klein; er entspricht etwa jenem der Stadt Hamburg.

Da es in der Schweiz keine wesentlichen wirtschaftlich nutzbaren Erdgas-Vorkommen gibt, muss dieses vollumfänglich importiert werden.

Davon stammen rund 70% aus der Förderung in Westeuropa und Norwegen, 20% aus der Förderung in Russland und der Rest aus weiter entfernten Regionen.

Die Schweiz hat keine Verträge mit russischen Lieferanten. Das russische Erdgas wird von Lieferanten in den Niederlanden, Deutschland, Frankreich und Italien eingekauft.

swissinfo.ch

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