Schweiz kämpft für flexiblere Agrarpolitik
Die Schweiz hat die Offensive der grossen Agrarexport-Länder der WTO kritisiert. Die Minister der WTO treffen sich im Dezember in Hongkong.
Luzius Wasescha, Schweizer Vertreter bei der WTO, gibt zu bedenken, dass es unter den Mitgliedsstaaten unterschiedlichste Formen der Landwirtschaft gebe.
Luzius Wasescha, der Schweizer Chefunterhändler bei der Welthandelsorganisation (WTO), fordert mehr Flexibilität bei den Agrarverhandlungen. Während dieser Woche wurde vor allem über den Zollabbau für den Marktzugang diskutiert.
«Die Zollstrukturen der einzelnen Länder sind verschieden», sagte Wasescha am Freitag in Genf. Ein einheitlicher Zollabbau sei daher nicht möglich.
Es gebe 30 bis 40 unterschiedliche Realitäten unter den 148 WTO- Mitgliedstaaten, die bei den Verhandlungen berücksichtigt werden müssten. Eine Unterscheidung in Industrie- und Entwicklungsländer reiche nicht.
Ausgewogenheit
Die Agrarexportländer zeigten aber zu wenig Flexibilität und zu wenig Verständnis für die Anliegen der Agrarimportländer. «Es geht nicht, dass wir mehr Zugeständnisse als die Exportländer machen müssen», sagte Wasescha. Das Ziel der Verhandlungen sei es, eine faire und ausgewogene Situation zu schaffen.
Er erinnerte daran, dass die Agrarimportländer (G-10) 14 Prozent der weltweiten Agrarexporte importieren obwohl sie nur 3,5 Prozent der Weltbevölkerung umfassen. Die Schweiz ist als Agrarimportland auf Platz 11.
Anfang Mai war an einer informellen Mini-Ministerkonferenz ein Kompromiss bei der Berechnung von Agrarzöllen erreicht worden, den auch die Schweiz unterstützte. Die Zölle sollen künftig nach dem Wert berechnet werden und nicht aufgrund des Gewichts.
Bauernverband warnt
Bereits im Mai verlangte der Schweizerische Bauernverband eine Zurückkhaltung in der weltweiten Agrarpolitik, denn neben den WTO-Beschlüssen diskutiert die Schweiz auch über ein Freihandelsabkommen der Schweiz mit den USA.
Hier würden die Schweizer Agrarprodukte noch zusätzlich unter Druck geraten. In einem Communiqué schreibt der Bauernverband, dass die Ergebnisse der laufenden WTO-Runde zwar noch nicht bekannt seien. «Es ist jedoch bereits aus heutiger Sicht klar, dass die schweizerische Landwirtschaft durch das WTO-Agrarabkommen massiv unter Druck geraten wird.»
Die Berechnungen des Bundesamtes für Landwirtschaft zeigten, dass die Landwirtschaft alleine durch das Agrarabkommen mit einem Verlust von 1,5 bis 2,5 Mrd. Franken rechnen müsse. Dies bedeute eine Einbusse von rund einem Fünftel der heutigen Gesamtproduktion, sagt der Verband.
Agrardossier wird zu schnell behandelt
Wasescha, der Schweizer Chefunterhändler bei der WTO, kritisierte weiter, dass die Dossiers über die Industrieprodukte und die Liberalisierung von Dienstleistungen nicht im selben Rhythmus wie das Agrardossier vorangetrieben würden.
Derzeit finden Gespräche mit den USA, der EU, Australien, Brasilien und Indien (G-5) über eine Erweiterung dieser Ländergruppe statt, die seit vergangenem Sommer eine Art Ausschuss der WTO- Agrarverhandlungen ist.
Die Schweiz hatte im Namen der Agrarimportländer schon damals kritisiert, dass die übrigen Länder von den Verhandlungen dieser Gruppe ausgeschlossen würden.
Zwischenbilanz erwartet
Von der nächsten WTO-Ministerkonferenz im Dezember in Hongkong erwartet Wasescha ein Zwischenbilanz, vergleichbar mit jener, die bereits im September 2003 in Cancún hätte gezogen werden müssen.
Zur Gruppe der G-10 gehören derzeit nur noch neun Länder, neben der Schweiz Island, Israel, Japan, Korea, Liechtenstein, Mauritius, Norwegen und Taiwan. Bulgarien hat sich als Beitrittskandidat der EU zurückgezogen.
swissinfo und Agenturen
Die Länder der G-10 – die Schweiz hat im Moment den Vorsitz – repräsentieren 3,5% der Weltbevölkerung, importieren jedoch 14% der weltweiten Agrarprodukte.
G-10 Mitglieder sind: Israel, Island, Japan, Südkorea, Lichtenstein, Mauritius, Norwegen, Taiwan und die Schweiz. Bulgarien hat sich als EU-Beitrittskandidat aus der Gruppe zurückgezogen.
G-5 Mitgliedstaaten sind: USA, Australien, Brasilien, Indien und die EU.
Die WTO hat 148 Mitgliedländer.
Die nächste Ministerkonferenz ist für den 13. bis 18. Dezember in Hongkong vorgesehen.
Die Schweiz liegt auf Platz 11 der Importländer bei den Agrarprodukten.
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