Schweiz und EU gegen Übergewicht
Die Europäische Union (EU) startet am Dienstag eine Kampagne gegen Übergewicht. Die Schweiz verfolgt diese mit Interesse.
Auch in der Schweiz ist rund ein Viertel der Kinder übergewichtig. Bei den Erwachsenen ist es gar ein Drittel.
Am Dienstag startet die EU-Aktionsplattform für Ernährung, körperliche Bewegung und Gesundheit ihre Kampagne. Sie bringt die Nahrungsmittel-Industrie, den Einzelhandel und die Werbeindustrie an einen Tisch mit Konsumenten-Organisationen und Experten zum Thema Fettleibigkeit.
Die EU will mit dieser Kampagne freiwillige Massnahmen gegen Fettleibigkeit, besonders bei Kindern, fördern.
«Es ist sehr wichtig, dass es eine solche Plattform gibt», sagt Michel Beer vom Bundesamt für Gesundheit in Bern. «Die Problematik mit Übergewicht endet ja nicht an der Grenze zur EU. Sie stellt sich in allen industrialisierten Ländern.»
Diese europaweite Plattform erlaube es, schnell und koordiniert zu handeln, «denn wir wollen uns so eng wie möglich den Bemühungen der EU anschliessen».
Keine Werbung für «Junk Food»
Die EU möchte, dass vor allem die Nahrungsmittelindustrie ihre Marketing-Strategien – vor allem bei Produkten für Kinder – ändert.
Die Union hat ein Abrücken von Werbung für «Junk-Food» für die unter 12-Jährigen verlangt. Weiter sollen die Produkte Hinweise auf den Packungen haben, die es erlauben, eine gesündere Wahl zu treffen.
Beer sagt, es sei bereits ein Schritt in die richtige Richtung, dass die Nahrungsmittel-Industrie in die Diskussion gegen Fettleibigkeit einbezogen werde.
«Und es ist begrüssenswert, dass die Nahrungsmittel-Industrie auch zugibt, dass sie eine Mitverantwortung für übergewichtige Menschen trägt», sagt Beer gegenüber swissinfo.
Er betont weiter, dass die Schweiz, die ja nicht Mitglied der EU ist, im vergangenen Jahr eine eigenen Kampagne gegen Übergewicht ins Leben gerufen habe.
«Suisse Balance» für mehr Bewegung
Neben «Suisse Balance», der Kampagne des Bundesamtes für Gesundheit, die gesundes Essen und Bewegung propagiert, hat das Bundesamt auch Gespräche mit den Nahrungsmittel-Herstellern und andern interessierten Gruppen aufgenommen.
Beer sagte, dass sich die Gespräche, die 2004 begannen, auf die Themen Verantwortlichkeit und Werbung konzentriert hätten.
Die Rückmeldungen aus der Nahrungsmittel-Industrie, welche ihrerseits eine Arbeitsgruppe «Fettleibigkeit» ins Leben gerufen habe, seien positiv gewesen. An einem zweiten «runden Tisch» am 30. März gehe es nun um eine bessere Beschriftung der Produkte.
Die Europäische Union hat Gesetzte angedroht, wenn beim Kampf gegen das Übergewicht keine Fortschritte zu verzeichnen sind. Doch Beer setzt auf Freiwilligkeit in der Schweiz und ist der Meinung, dass das genügen sollte.
Er weist auf die erfolgreichen Vereinbarungen bei der Säuglings-Ernährung hin.
Skeptischer Nahrungsmittel-Multi
Etliche Mitglieder der Schweizer Nahrungsmittel-Industrie sehen der Kampagne der EU jedoch mit Skepsis entgegen.
Angesprochen auf ein mögliches Verbot der Werbung für «Junk-Food» für Kinder, meint der Schweizer Nahrungsmittel-Multi Nestlé, dass er gegen Verbote sei und für freiwillige Regulierungen der Industrie.
Nestlé weist auf die eigenen Richtlinien bei der Werbung hin, die sich an Kinder richtet. Sowohl die EU als auch die Schweiz sagen, dass der Kampf gegen Übergewicht bei Kindern Priorität habe.
Michael Beer weist darauf hin, dass bei fettleibigen und übergewichtigen Personen das Risiko an Diabetes, Krebs oder Herzleiden zu erkranken, steige.
Das Bundesamt für Gesundheit schätzt, dass allein die Gesundheitskosten in der Schweiz in Zusammenhang mit diesen Krankheiten rund 2,7 Mrd. Franken betragen.
«Erschreckend ist die Tatsache, dass eine zunehmende Zahl von Kindern bereits in jungen Jahren an Übergewicht leidet», sagt Beer. Damit hätten die obgenannten Krankheiten – vor allem Diabetes – alle Zeit der Welt, sich zu entwickeln.
swissinfo, Isobel Leybold-Johnson
(Übertragen aus dem Englischen: Urs Maurer)
Vier von zehn Personen in der Schweiz sind übergewichtig
Bei den Kindern sind es – wie in der EU – 25%.
Die Zahl der übergewichtigen Kinder hat sich in den letzen 20 Jahren verdreifacht.
Die Zahl der übergewichtigen Erwachsenen hat sich in den letzten zehn Jahren von 30% auf 37% erhöht.
Die Krankheitskosten wegen Übergewicht werden auf 2,7 Mrd. Franken geschätzt.
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