Schweiz will bei UNESCO-Konvention vermitteln
Bei der UNO-Organisation für Bildung und Kultur (UNESCO) wird über eine Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt beraten.
Strittig ist dabei das Verhältnis zur Welthandelsorganisation (WTO) – auch in der Schweiz.
Die Forderungen der Zivilgesellschaft an die Schweizer Verhandlungsdelegation sind klar: Eine Konvention zur kulturellen Vielfalt ist notwendig und soll den Regeln der WTO übergeordnet werden.
Das beschlossen 60 Vertreterinnen und Vertreter aus Kunst, Kultur, Medien, Wissenschaften und Nichtregierungs-Organisationen (NGO) an einer Versammlung in Bern einstimmig.
Eingeladen hatten NGO und die schweizerische UNESCO-Kommission, die als unabhängige Organisation zwischen UNESCO, Schweizer Behörden und Zivilgesellschaft vermittelt. Mit dieser Empfehlung reiste die Schweizer Delegation Ende September zur ersten Expertenkonferenz an den UNESCO-Hauptsitz in Paris.
Umstrittenes Verhältnis zur WTO
«Eine grosse Mehrheit der anwesenden Staaten hat sich für eine Konvention ausgesprochen,» berichtet Delegationsleiter Andrea Raschèr vom Bundesamt für Kultur nach der Konferenz.
Umstritten sei aber Artikel 19 des Konventionsentwurfs. Darin wird das Verhältnis des Abkommens zu anderen internationalen Verträgen geregelt, insbesondere zu den WTO-Regeln.
Der Entwurf macht dazu zwei Vorschläge: Die erste Variante gesteht dem Bereich Kultur Ausnahmen bei der Liberalisierung des Welthandels zu, die zweite enthält keine solchen Sonderregelungen.
«Die Konferenz hat gezeigt, dass keine der vorgeschlagenen Varianten mehrheitsfähig ist,» sagt Raschèr und meint weiter: «Die Schweiz wird sich darum bemühen, einen gangbaren Mittelweg zu finden.» Das bedeutet eine Abkehr von der Forderung der Berner Versammlung, die sich klar für die erste Variante einsetzte.
USA und Japan dagegen
Die Kultur-Expertin Claudia Buess von der Erklärung von Bern war als Beobachterin in Paris dabei und lobt das Engagement der Schweizer Delegation für den Einbezug der Zivilgesellschaft in der Konvention. Zur Stellung gegenüber der WTO meint sie: «Ohne Sonderregelung ist die Konvention wirkungslos.»
Während Frankreich und Kanada die Kultur vor dem Welthandel schützen wollten, seien die USA und Japan dagegen. Die Schweiz habe sich nicht klar geäussert.
Delegationsleiter Raschèr erklärt seine Position: «Wir setzen uns dafür ein, das Prinzip der kulturellen Vielfalt im internationalen Recht zu verankern.»
Allerdings sei es wichtig, «eine Balance zwischen den Zielen des Freihandels und der Förderung der kulturellen Vielfalt zu finden.»
Schweiz ins Redaktionskomitee gewählt
Als Erfolg für die Schweiz wertet Raschèr die Wahl ins Redaktionskomitee. Aufgrund der schriftlichen Stellungnahmen der UNESCO-Mitgliedsstaaten werde das Komitee einen überarbeiteten Konventionsentwurf vorlegen.
Weil im Komitee auch die USA und Frankreich mit ihren gegensätzlichen Positionen vertreten seien, komme der Schweiz als Vermittlerin besonderes Gewicht zu teil, findet Claudia Buess.
Ziel der Schweiz ist laut Andrea Raschèr «eine Lösung, die möglichst vielen Staaten erlaubt, die Konvention zu ratifizieren.» Nur wenn auch die Länder mit grossen Kulturindustrien beitreten, sei eine breit abgestützte, umsetzbare Konvention möglich, die zum besseren Austausch der Kulturen beiträgt. Die Konvention soll im Herbst 2005 verabschiedet werden.
Der Schweizer Kulturminister, Bundesrat Pascal Couchepin, nimmt an diesem Wochenende in Schanghai am Jahrestreffen des internationalen Netzwerks Kulturpolitik teil.
swissinfo und Reto Aschwanden, InfoSüd
Kulturschaffende und NGO sehen die kulturelle Vielfalt durch Globalisierung bedroht, würden kulturelle Produkte von der WTO nicht als spezielle, subventionierbare Güter anerkannt.
Vor allem bei Film und Musik sei die Vorherrschaft multinationaler Medienkonglomerate gross.
Bereits heute ist Kultur als Teil des WTO-Abkommens zum Handel mit Dienstleistungen (GATS) definiert.
Der Liberalisierungsdruck nimmt jedoch zu.
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