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Schweiz will mehr Macht dank mehr Einfluss

Bundesrat Hans-Rudolf Merz spricht an der Medienkonferenz vom 8. März in Bern Klartext. Keystone

Der Bundesrat ist es leid, von der OECD oder den G-20 in Bezug auf Massnahmen gegen Steueroasen vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Er will jedoch Leistungen, die man versprochen hat, erbringen.

Die Landesregierung wolle rasch dafür sorgen, «dass die Schweiz dabei sein kann, wenn es um die Definition von Kriterien geht», sagte Finanzminister Merz an der Medienorientierung nach der Klausursitzung des Bundesrates am Mittwoch.

Merz kritisierte, dass die Schweiz, obwohl OECD-Gründungsmitglied, keinen Einfluss auf die Gestaltung der ominösen Listen nehmen konnte. «Das werden wir nicht mehr akzeptieren.»

Der Bundesrat wolle wissen, was schief gelaufen sei, und welches Organ die Kriterien für die Einreihung der Länder festgelegt habe.

Die Schweiz müsse unbedingt verhindern, dass ihr Ende des Jahres etwas Ähnliches widerfahre.

Festhalten am Zinsbesteuerungs-Abkommen

Der Bundesrat spricht sich zudem für die Weiterführung des Abkommens zur Besteuerung von Zinseinkünften mit den EU-Ländern aus. Er zeigt sich jedoch offen für Korrekturen.

Eine Kündigung des Zinsbesteuerungs-Abkommens kommt für Merz nicht in Frage. Denn damit würde der Druck auf die Schweiz wachsen, den automatischen Informationsaustausch über Bankkunden zu übernehmen. Und das will Merz verhindern.

Zuerst wolle man die Revision der Zinsbesteuerungs-Richtlinie der EU abwarten. So bleibe genug Zeit, mögliche Änderungen zu studieren und etwaige Verhandlungsangebote auszuarbeiten.

Merz bekräftigte jedoch, dass man die versprochenen Leistungen auch erbringen werde.

Bilaterale Steuerabkommen

Merz sprach von 14 Staaten, die mit der Schweiz ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) anstrebten, in dem die jüngsten Beschlüsse zum gelockerten Bankgeheimnis umgesetzt werden. Er nannte namentlich die USA, Japan und Polen. Am weitesten seien die Verhandlungen mit Japan gediehen.

Am 28. April nimmt die Schweiz Verhandlungen mit den USA auf, um das bestehende DBA anzupassen. Merz kündigte an, dass er in 14 Tagen in die USA fliegen und dort mit Finanzminister Timothy Geither zusammentreffen werde.

Als Koordinator für die fiskal-juristische Auseinandersetzung mit den USA wurde der Schweizer Botschafter in Washington, Urs Ziswiler, eingesetzt.

Das erste ausgehandelte DBA will der Bundesrat dem fakultativen Referendum unterstellen. Die folgenden sollen nur dem fakultativen Referendum unterstellt werden, wenn sich im Vergleich zum ersten abgeschlossenen Abkommen signifikante Änderungen ergeben.

Ob ein DBA dem fakultativen Referendum unterstellt wird, hat aber nicht der Bundesrat sondern das Parlament zu entscheiden.

Der Ton macht die Musik

Trotz gegenseitigen Beteuerungen, die getrübten Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland hätten sich normalisiert, scheint Hans-Rudolf Merz doch noch einen leisen Groll gegen seinen deutschen Amtskollegen Peer Steinbrück zu hegen.

So antwortete er auf die Frage, ob sich Deutschland auch auf der Liste der Länder befinde, die mit der Schweiz ein DBA verhandeln wollen, spitzbübisch: «Ich glaube, Deutschland hat sich gemeldet, aber ich habe noch nicht geantwortet.»

Deutschland sei nicht zuoberst auf der Liste, weil erst mal ein Ton auf den Tisch müsse, mit dem man verhandeln könne, fügte Merz an.

10-Milliarden-Kreditlinie für den IWF

Weiter hat sich der Bundesrat für die schon in der Sonntagspresse angekündigte Kreditlinie von 10 Milliarden Dollar an den Internationalen Währungsfonds (IWF) ausgesprochen.

Damit sollen die IWF-Finanzmittel zur Bewältigung der weltweiten Finanzkrise aufgestockt werden. Die Schweiz leiste damit einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des internationalen Finanzsystems, so Merz.

Der Bundesrat will mit der Aufstockung der Kreditlinie auch «gutes Wetter schaffen», denn der IWF-Exekutivratsitz der Schweiz könnte gefährdet sein.

Die Schweizerische Nationalbank wird den Kredit zur Verfügung stellen – vorausgesetzt das Parlament bewilligt die Kreditlinie.

swissinfo, Etienne Strebel

Die Schweiz erhält einen zweiten Sitz im Financial Stability Board (FSB), dem früheren Financial Stability Forum.

Die FSB-Mitglieder sind zur Stärkung der internationalen Finanzstabilität und der Offenheit des Finanzsektors verpflichtet und müssen sich periodisch einer Überprüfung unterziehen.

Die Parteien begrüssen mehrheitlich die Absicht des Bundesrats, nur das erste der neuen Doppelbesteuerungs-Abkommen dem fakultativen Referendum zu unterstellen.

Nur die Schweizerische Volkspartei (SVP) will, dass jedes neue Doppelbesteuerungs-Abkommen dem Referendum unterstellt wird. Ansonsten werde die Demokratie ausgehöhlt, und «Erpresserstaaten» wie Deutschland oder die USA erhielten so die gleichen Bedingungen wie befreundete Länder.

Die SVP wirft dem Bundeserat zudem vor, Volksentscheide zu fürchten. SVP-Sprecher Alain Hauert sagte, dass die SVP bei einem automatischen Informationsaustausch «in jedem Fall» das Referendum ergreifen werde. Ebenso, wenn die Schweiz einseitig Zugeständnisse machen müsste.

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