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Schweiz will von Öffnung Libyens profitieren

Joseph Deiss trifft Libyens Premierminister Shukri Ghanem (rechts). Keystone

Die Schweizer Wirtschaft will die Exporte in den aufstrebenden Wüstenstaat ausbauen. Dies unterstrich Bundesrat Joseph Deiss mit seiner Visite in Tripolis.

2006 soll ein Doppelbesteuerungs-Abkommen unterzeichnet werden, zudem stellte Libyen einen massiven Zollabbau in Aussicht.

Libyen will sich mit Wirtschaftsreformen für den Westen öffnen. Da bisher fast 75% des Bruttoinland-Produktes der Staat erwirtschaftete, herrscht ein riesiger Investitionsbedarf. Auch die Schweizer Wirtschaft möchte sich ein Stück dieses grossen Kuchens abschneiden.

Joseph Deiss wollte dies mit der ersten offiziellen Visite eines Schweizer Regierungsmitglieds im Wüstenstaat unterstreichen.

«Dieses Land hat viel Potenzial», erklärte Wirtschaftsminister Joseph Deiss am Wochenende im Rahmen seines dreitätigen Libyen-Besuchs in Tripolis. Das Ansehen der Schweiz in Libyen sei sehr gut, resümierte er.

Keine Audienz beim Chef

Nach Gesprächen mit dem Finanzminister, dem Arbeitsminister, dem Wirtschaftsminister und dem Premierminister zeigte sich Deiss zufrieden über die Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Ein Treffen mit Staatschef Muammar el Gaddafi kam indes nicht zustande. «Das stand auch nicht im Zentrum des Besuches», sagte Deiss.

Das Bedürfnis der Libyer an Geldern und Know-how aus dem Ausland sei nötig und entsprechend gross, erklärte der libysche Finanzminister Mohamed Ali Al Haweij gegenüber Deiss.

Doch der nordafrikanische Staat ist kein leichtes Pflaster für Investoren. Zahlreiche politische Hindernisse, wie beispielsweise die Visumsbeschaffung oder die Ungleichbehandlung bei öffentlichen Ausschreibungen für Aufträge, erschweren die Rahmenbedingungen für Unternehmen. Diese Erfahrung haben auch zahlreiche Schweizer Firmen in Tripolis gemacht.

Doppelbesteuerungsabkommen

Dies soll sich in naher Zukunft ändern: Bereits im kommenden Jahr wollen die Schweiz und Libyen ein Doppelbesteuerungsabkommen unter Dach und Fach bringen. Ein Investitionsabkommen läuft bereits seit einem Jahr.

Zudem unterzeichneten Deiss und der stellvertretende libysche Aussenminister am Sonntag eine neue Version des seit 1971 gültigen Luftverkehrsabkommens.

Zollschranken sollen fallen

Auch Libyens Premierminister und Kopf der Reformen, Shukri Ghanem, gab sich im Gespräch mit Deiss offen. Zur Überraschung der Schweizer Delegation sprach Ghanem gar von deutlichen Reformen im Zollbereich.

«Libyen plant, die hohen Zölle bis auf ein Minimum zu reduzieren», freute sich Jörg Al Reding, Chef für bilaterale Beziehungen im Staatssekretariat für Wirtschaft (seco), nach dem Treffen. Laut Ghanem waren die hohen Zölle bisher eine «Quelle für Korruption und Bürokratie».

Zukunft als Freihandelszone

Sollte es tatsächlich soweit kommen, dann würde Libyen zu einer Freihandelszone, was gleichzeitig auch die Produkte für die einheimische Bevölkerung verbilligen würde, wie Reding erklärte. Trotzdem verblieben dann noch gut 80 «sensible Produkte» mit hohen Importzöllen.

Libyen ist kein unwichtiger Handelspartner. Das Land, in dem ein Liter Benzin knapp 15 Rappen kostet, ist der wichtigste Rohöl-Lieferant für die Schweiz. Im vergangenen Jahr erreichte der Warenaustausch zwischen den beiden Ländern insgesamt ein Volumen von gut 980 Mio. Franken. Davon zahlte die Schweiz allein 790 Mio. Franken für Rohöl-Importe.

Für Schweizer Produkte ist Libyen der drittwichtigste Absatzmarkt in Nordafrika und, gemessen am Gesamthandelsvolumen, der zweitwichtigste Handelspartner auf dem afrikanischen Kontinent nach Südafrika.

swissinfo und Agenturen

Libyen ist der zweitgrösste afrikanische Handelspartner der Schweiz und deckt 40% der Schweizer Erdöl-Importe ab.
2004 führte die Schweiz Öl aus Libyen für 790 Mio. Franken ein (+4,5%).
Die Schweizer Exporte, vor allem der Maschinen- und Pharmaindustrie, beliefen sich 2004 auf 190 Mio. Franken, 55% mehr als im Vorjahr.

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