Schweizer Banken müssen ihre Kunden kennen
Der Fall von Ben Ali und die ungewisse Zukunft von Hosni Mubarak werfen einmal mehr die Frage von Herrschern und ihren Geldern auf. Die internationale Aufmerksamkeit dreht sich auch um die Frage, wie viel illegale Gelder auf Schweizer Bankkonten liegen.
Der Eindruck, es sei leicht, in der Schweiz ein Bankkonto zu eröffnen und sich hinter dem Bankgeheimnis zu verstecken, täuscht. James Nason, Sprecher der Schweizerischen Bankiervereinigung, sagt gegenüber swissinfo.ch, die Banken müssten sich bei der Eröffnung und bei der Kontrolle von Bankkonten an genaue gesetzliche Vorgaben halten.
swissinfo.ch: Wie geht die Eröffnung eines Schweizer Bankkontos vor sich?
James Nason: Am besten gehen Sie persönlich bei der Bank vorbei und erklären, welche Art von Konto sie eröffnen möchten, also ob Sie ein Lohnkonto möchten oder ob Sie Ihr Vermögen verwalten lassen wollen.
Sie können das Konto auch online eröffnen. Das geht allerdings nicht vollumfänglich, denn die Banken haben strenge Standards, was die Identifizierung betrifft. Sie müssen also zusätzlich ihre Identität mit einem Ausweis nachweisen.
swissinfo.ch: Über welche Kontrollmittel verfügen die Banken?
J.N.: Es gibt sehr strenge Vorschriften und Sorgfaltspflichten. Es ist an der Bank zu entscheiden, ob sie eine Geschäftsbeziehung mit Jemandem eingehen will oder nicht. Bei so genannten politisch exponierten Personen (PEP), also bei Personen, die in einem andern Land ein wichtiges politisches Amt innehaben, kann es sein, dass die Bank denkt, die Person stelle ein Risiko für ihr Ansehen dar. Wenn sie sich zur Aufnahme von Geschäftsbeziehungen entscheidet, klärt sie die Identität der Person ab.
Die Banken sind gesetzlich verpflichtet, die Identität der Kunden genau zu überprüfen. Ebenso sind sie verpflichtet abzuklären, ob die Gelder dem Kunden oder jemand anderem gehören. In diesem Fall muss die Bank abklären, wem das Geld gehört. Zusammenfassend gesagt haben die Banken bei Eröffnung eines Kontos sehr strenge Vorschriften einzuhalten.
swissinfo.ch: Was geschieht, wenn ein Mittelsmann oder ein Treuhänder das Geld für einen Kunden anlegen will?
J.N.: Es gibt sehr viele Vermögensverwalter. Wenn diese eine Konto eröffnen wollen, müssen sie ein Formular ausfüllen, mit dem sie deklarieren, wem das Vermögen gehört. Das ist gesetzlich so vorgeschrieben.
swissinfo.ch: Was passiert, wenn ein Kunde in einem ersten Schritt mit 200 Franken ein Konto eröffnet und wenige Monate später 200’000 auf das Konto überweist?
J.N.: Die Bank nimmt mit dem Kunden Kontakt auf, um herauszufinden, woher das Geld stammt. Die Banken teilen die Kunden in verschiedene Risiko-Kategorien ein. Eine 80 Jahre alte Grossmutter aus dem Nachbardorf beispielsweise stellt ein anderes Risiko das, als ein 28-jähriger Casino-Besitzer aus St. Petersburg oder ein Verteidigungsminister aus einem Entwicklungsland.
Das heisst: Bei Kunden mit höherem Risiko schauen die Banken genauer hin. Dabei analysieren sie auch die bisherigen Bewegungen auf dem Konto. Bei ungewöhnlichen Ausschlägen sind sie verpflichtet, diese zu untersuchen und sich Klarheit über die Transaktion zu verschaffen.
swissinfo.ch: Gibt es immer noch Nummernkonten?
J.N.: Es gibt viel Aufregung um die Nummernkonten. Die Eröffnung eines Nummernkontos ist derselben Prozedur unterstellt wie die Eröffnung eines gewöhnlichen Kontos.
Der einzige Unterschied besteht darin, dass innerhalb der Bank das Konto unter einer Nummer geführt wird. Ausser einem kleinen Kreis der Angestellten kennt keiner die Identität des Kunden. Wenn jedoch ein Untersuchungsrichter im Zusammenhang mit einer strafbaren Handlung Auskunft über die Person, der das Nummernkonto gehört, verlangt, dann geniesst der Kunde mit einem Nummernkonto keinen zusätzlichen Schutz.
swissinfo.ch: Welchen Schutz geniessen Kunden mit normalen Konten?
J.N.: Der Respekt der Privatsphäre ist eines der Grundprinzipien der Schweizer Banken. Es ist strafbar, Bankkundendaten an nicht berechtigte Drittpersonen heraus zu geben. Wir können aber nicht genügend herausstreichen, dass das berühmte Schweizer Bankgeheimnis zu 100% dicht war.
Der Gesetzgeber hat Massnahmen vorgesehen, mit denen das Bankgeheimnis bei einer grossen Breite von Straf- oder Zivilverfahren aufgehoben werden kann. Die Banken respektieren also die Privatsphäre. Kriminelle sind den gesetzlichen Bestimmungen ausgeliefert.
swissinfo.ch: Was passiert, wenn eine Bank Verdacht auf eine illegal Handlung schöpft?
J.N.: Da gelten ganz klare Regeln. Wenn eine Bank verdächtige Transaktionen feststellt oder wenn sie Verdacht auf Geldwäscherei schöpft, dann ist sie verpflichtet, das Konto einzufrieren und die Verdächtigungen der Meldestelle für Geldwäscherei zu melden.
In gewissen Ländern muss die Bank einen Gerichtsentscheid abwarten, wenn sie ein Konto einfrieren will. In der Schweiz kann jede Bank dies auf eigene Initiative tun. Die Behörden haben anschliessend fünf Werktage Zeit, um den Sachverhalt zu untersuchen und der Bank zu sagen, was sie zu tun hat.
Beim Kundensegment der PEPs (politically exposed persons) müssen die Banken erhöhte Vorsicht walten lassen.
Das gelte nicht nur für Potentaten, sondern auch für gewählte Politiker, sagt Thomas Sutter von der Schweizerischen Bankiervereinigung.
Es gibt heute PEP-Datenbanken, an die sich die Banken anschliessen können.
Einige Banken haben eigene PEP-Lösungen. Auch die Entourage sei wichtig, heisst es. Im Fall des tunesischen Ex-Präsidenten Ben-Ali habe die Liste der Entourage rund 40 Personen umfasst, sagte Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey.
Sutter sieht die Problematik dieser Daten darin, dass jemand, der gestern noch als politisch geduldeter Potentat galt, morgen plötzlich eine Persona non grata ist.
Dies mache es den Banken auch nicht leichter beim Entscheid, sich an die Geldwäscherei-Behörden zu wenden oder nicht.
Die PEP-Kontrolle sei Bestandteil der jährlichen Prüfung der Banken, und zwar der Schweizerischen wie der Auslandsbanken. Dabei machen Revisionsgesellschaften Stichproben.
Was den guten Ruf der Schweiz anbelangt, gehe oft der Umstand vergessen, dass Potentaten ihre Gelder oft über Transaktionen im Ausland erhalten, etwa als Kick-Back bei Waffenexportgeschäften.
Damit wird das illegale Geld unkontrolliert im Ausland erworben. Später werde es dann in der Schweiz deponiert, wo es zum Vorschein kommt und das Image des Finanzplatzes schädigt.
(Übertragung aus dem Englischen: Andreas Keiser)
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