Schweizer Bankenbranche vor Umbruch
Dorthin gehen, wo die grossen Vermögen sitzen, statt zu warten, bis diese den Weg in die Schweiz von alleine finden: Schweizer Banken werden zunehmend im Ausland aktiv.
Die Internationalisierung könnte im Schweizer Privatbankensektor eine Übernahmewelle auslösen, sagen die Autoren einer Studie.
Der aktuellen Kreditkrise zum Trotz: Der Boom der globalen Wirtschaft in den letzten Jahre produzierte eine Vielzahl von Millionären und Milliardären, insbesondere in Wachstumsmärkten wie China und Indien.
Dabei zeigt sich ein Trend: Die neuen Reichen wollen ihr Geld eher im eigenen Land investieren als auf ein Konto in der fernen Schweiz transferieren.
Die beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse sind international bereits gut vertreten. Aber zahlreiche mittlere Privatbanken sind in der Frage gespalten, ob sie den Schritt nach Asien, Osteuropa und den Mittleren Osten wagen sollen.
So lautet das Fazit einer Studie, die Autoren der Universität St. Gallen und des Beratungsunternehmens Solutions Providers verfassten.
Nicht alle wagen den Schritt
Zwei Drittel der 95 teilnehmenden Banken gaben an, dass die Präsenz im Ausland wichtig oder sehr wichtig sei. Konkrete Expansionen hatten aber nur 41%. Dies aufgrund der zahlreichen Risiken, die mit einem solchen Schritt verbunden seien.
Vor allem kleinere Banken setzen aber nach wie vor auf den soliden Ruf der Schweiz als vertrauenswürdigen und zuverlässigen Finanzplatz. Mit dem Bankgeheimnis seien dies Gründe genug, um Kunden ins Land zu holen, so die kleineren Institute.
Professor Winfried Ruigrok von der Uni St. Gallen erblickt in diesen unterschiedlichen Strategien die mögliche Entstehung eines Graben durch die Schweizer Bankenlandschaft.
Verbreiterung der Stärken
«Es ist denkbar, dass sich die bisher homogene Branche in Zukunft vermehrt aufsplittert», sagt Ruigrok. Eine solche Ausdifferenzierung müsse nicht zwingend schlecht sein. Nämlich dann nicht, wenn die Banken ihre unterschiedlichen Stärken ausspielen könnten, so der Experte.
Ruigrok rechnet mit einer Zunahme von mittelgrossen Instituten, die sich dank Fokussierung auf den internationalen Markt vergrössern können. Dies aufgrund von Fusionen und Übernahmen, und zwar sowohl im In- wie im Ausland.
Grundwerte in Frage gestellt
Die Autoren der Untersuchung kommen weiter zum Schluss, dass eine zunehmende Heterogenität die Branche insofern schwächen könne, als diese nicht mehr mit einer Stimme spreche, um ihre Interessen wahrzunehmen.
Klar sei dagegen, dass die Schweizer Banken, die ins Auslandgeschäft einsteigen, immer noch den gesetzlichen Bestimmungen im eigenen Land unterstellt seien. «Die Banken können sich nicht auf ihre Auslandfilialen berufen, um Schweizer Gesetze zu umgehen», sagt James Nason, Sprecher der Schweizerischen Bankiervereinigung, gegenüber swissinfo.
Winfried Ruigrok geht davon aus, dass auch Banken mit grosser Auslandpräsenz weiterhin stark auf die traditionellen Schweizer Werte setzen werden, um die begehrte Kundschaft der Reichen und Superreichen anzusprechen.
«Die Kernbotschaft lautet, dass die Marke Schweiz auch in Zukunft stark sein wird. Der Schlüssel zum Erfolg der Banken liegt in ihrer Verwurzelung in der Schweiz», ist Ruigrok überzeugt.
swissinfo, Matthew Allen, Zürich
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)
95 der angefragten 337 Privatbanken in der Schweiz und Liechtenstein nahmen an der Untersuchung teil.
Zwei Drittel äusserten sich über die Zukunft des Finanzplatzes Schweiz optimistisch bis sehr optimistisch.
Für ebenfalls zwei Drittel ist das internationale Geschäft wichtig, während 20% dies als unwichtig bezeichneten.
Die meisten Banken beschränken sich in ihrem Ausland-Engagement auf die Nachbarländer. Aber Osteuropa, Asien und der Mittlere Osten werden als immer wichtigere Standorte eingestuft. Den USA dagegen wird weniger Priorität eingeräumt.
In den letzten Monaten kündigten mehrere mittelgrosse Schweizer Privatbanken an, ins Auslandgeschäft einzusteigen oder dieses zu vergrössern.
Die Bank Sarasin beispielsweise gab im Dezember die Eröffnung einer Filiale in Bahrain bekannt.
Die Bank Julius Bär ihrerseits verfolgt eine ehrgeizige globale Expansionsstrategie, die Neueröffnungen in Mailand, Abu Dhabi sowie Japan und Kolumbien umfasst. Der Standort Singapur soll ausgebaut werden.
Lombard Odier Darier Hentsch sind neu in Prag (Tschechien) tätig, während die Pictet-Bank ihre Präsenz vor allem in Deutschland verstärkt.
Schweizer Banken verwalteten 2005 knapp sieben Billiarden Franken Vermögen (Quelle: Bankiervereinigung).
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