Schweizer Biotech-Industrie hofiert Investoren
Die internationalen Börsenkurse sacken zwar unter den Rezessionsängsten in den USA ab. Doch die Schweizer Biotech-Branche hat langfristig sehr gute Karten, schätzen Experten.
Vertreter aus dem Biotech- und Pharmasektor treffen an der siebten BioData-Konferenz in Genf auf Investoren und Forscher.
Die zweitägige Konferenz bietet jungen Unternehmen die Chance, ihre Projekte möglichen Gebern von Risikokapital zu präsentieren.
Die Start-ups aus den Regionen rund um den Genfersee auf Schweizer Seite und den Rhône-Alpen in Frankreich hoffen, an der BioData Partner für längerfristige Kooperationen zu gewinnen. Einerseits Investoren, andererseits Vertreter aus der Forschung.
«Die Schweizer Biotech-Industrie ist in Europa führend. Die BioData ist deshalb für die Branche ein wichtiges Forum», sagt der deutsche Investor Kai Brünig aus Frankfurt gegenüber swissinfo.
Stark in Region verankert
Pierre-François Unger von der Genfer Kantonsregierung hob in seiner Eröffnungsrede vor den 350 Teilnehmern die Bedeutung der Tagung für die beiden Regionen dies- und jenseits der Grenze hervor. «Die BioData ist ein wichtiger Treffpunkt für den Schweizer Gesundheitssektor und vital für die Wirtschaft der Genfersee- und Rhône-Alpen-Region.»
Mit 137 Unternehmen und 81 Zulieferern verfügt die Schweizer Wirtschaft über die grösste Dichte an Biotech-Firmen.
Beste Aussichten
Am Dienstag haben die Kurse an den internationalen Märkten den zweiten Tag in Folge stark nachgegeben. Dies infolge der weltweiten Ängste vor einer Rezession der wichtigen US-Wirtschaft. Anders die Stimmung in Genf: Dort beruhigten Branchenvertreter und Investoren die Teilnehmer.
«Während es kurzfristig hart wird, sehen die Langfrist-Perspektiven für den Sektor gut aus», sagte Ulrich Kinzel, Direktor der Firma Nomura Code Securities.
Dem pflichtet Simon Moroney bei, CEO des Biotech-Unternehmens Morphosys. «Grundsätzlich sollte die Branche für die Zukunft optimistisch sein. Aber es steht ausser Frage, dass wir uns gegenwärtig in einem schwierigen Marktumfeld bewegen.»
Moroney hat gut Reden, denn Morphosys konnte jüngst einen 660-Millionen-Franken-Deal mit dem Schweizer Pharmariesen Novartis unter Dach bringen.
Die Pharmaindustrie sei sehr stark und verfüge über grosse Reserven, beschwichtigte Moroney. «Was gegenwärtig an der Börse geschieht, ist ausserhalb unserer Kontrolle.»
Noch viel Luft in der Branche
Ulrich Kinzel weist auf einen anderen Umstand hin: «Der Biotech-Sektor besitzt noch grosses Potenzial, der Kulminationspunkt ist noch nicht erreicht», so der Deutsche.
Künftig gebe es mehr lukrative Lizenz-Verträge mit grossen Pharma-Unternehmen und mehr Übernahmen. «Und wir sollten nicht vergessen, dass sich die Märkte in Europa, Asien und Russland entwickeln.»
Das Problem besteht laut den Experten darin, dass Investoren einen langen Atem brauchen, um die Erholung der Märkte abzuwarten.
Diese erforderliche Geduld ist laut BioData-Direktor Hervé de Kergrohen auch der Grund, weshalb Investoren zunehmend auch in andere Bereiche der Life Sciences investieren.
«Investoren ergänzen ihre Portfolios um die Medizinaltechnik. Dieser Bereich verspricht schnellere Gewinne bei weniger Risiken», so de Kergrohen gegenüber swissinfo. Engagements im Biotech-Sektor dagegen bräuchten einen längeren Horizont und verlangten grössere Summen.
Helfende Hände
Einen Grossteil ihres Erfolgs verdanken die jungen, innovativen Unternehmen regionalen Synergien und der Unterstützung durch die richtigen Partner. Seit 2001 besteht eine Partnerschaft der BioData-Tagung mit BioAlps, einem Biotech-Netzwerk aus der Genfersee-Region.
«In diesem Jahr unterstützen wir rund ein Dutzend neue Start ups aus der Region», sagte Lionel Eperon, Präsident von BioAlps. Dazu gehörten unter anderem Leman Cardiovascular, ArisGen, DiagnoSuisse und Med Discovery.
Damit die Region ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken könne, brauche es noch mehr Engagement seitens der Banken und Wirtschaft, fordert BioData-Direktor Hervé de Kergrohen. Er verweist auf die Beispiele von Actelion, Addex und Speedel.
«Machen Banken und Wirtschaft noch stärker mit, wird die Region im Bereich Life Sciences noch stärker», glaubt de Kergrohen.
swissinfo, Simon Bradley, Genf
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)
Gemessen an der Zahl der Biotech-Firmen lag die Schweiz 2006 in Europa auf Platz sechs, weltweit auf Rang zehn.
Der Biotech-Sektor erzielte 2006 einen Umsatz von über 6 Mrd. Franken und beschäftigte über 14’000 Personen.
Die Hälfte der Schweizer Biotech-Unternehmen wurden vor 1997 gegründet.
Rund 400 Mrd. Franken oder ein Drittel der Marktkapitalisierung der Schweizer Börse SWX stammt aus dem Bereich der Life Sciences. Das ist europaweit der höchste Anteil.
Die meisten Biotech-Firmen haben ihren Sitz in der Genfersee-Region, Basel, Zürich und dem Tessin.
Alle vier Regionen profitieren von der unmittelbaren Nähe von Universitäten.
Die Schweiz verfügt über 218 Biotech-Firmen.
9 davon sind weltweit tätig.
Rund 20 mittlere Unternehmen zählen zwischen 50 und 100 Angestellte.
Die anderen Firmen beschäftigen weniger als 50 Angestellte.
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