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Schweizer Börse: Gründe für den Höhenflug

SWX: Die Schweizer Börse übertrifft sich. Keystone Archive

Die Schweizer Börse (SWX) hat das Platzen der Internet-Blase überwunden und am Mittwoch den bisherigen Höchststand vom Juli 1998 übertroffen. Für den Chef des Swiss Finance Institute keine Überraschung.

Der Schweizer Wirtschaft gehe es gut, und die Börse widerspiegle die gute Verfassung der Akteure auf dem Finanzmarkt, sagt Jean-Pierre Danthine gegenüber swissinfo.

Es gibt Analysten, die sehen den Swiss Market Index (SMI) in den nächsten Monaten die magische Marke von 10’000 Punkten durchstossen. Andere weisen dagegen auf die Verlangsamung der US-Wirtschaft hin, die nichts Gutes verheisse.

Das Platzen der Internet-Blase an den Börsen im Jahr 2000 ist aber nur noch eine schlechte Erinnerung.

swissinfo: Was hat sich in den acht Jahren verändert, seit dem Rekordhoch der Schweizer Börse 1998?

Jean-Pierre Danthine: Die Schweizer Wirtschaft hat in diesen acht Jahren zugelegt. Sie schafft heute mehr Mehrwert. Dabei ist auch der Börsenwert der Untenehmen gestiegen, welche diesen Mehrwert erzeugen.

Auf Seiten der Reglementierung gab es keine grossen Änderungen, welche die Zahl der Kotierungen beeinflusst hätten. Es sind neue Unternehmen aufgetaucht, die neue Ideen einbrachten und so Werte schufen. Die Erklärung liegt also nicht in der Reglementierung der Schweizer Börse.

swissinfo: Ist ein Crash wie nach 1998 – Stichwort Russland-Krise und Platzen der Internet-Blase – heute noch möglich?

J.-P.D.: Natürlich! Auf dem Höhepunkt der Internet-Blase herrschte eine derartige Euphorie, dass die Börsenwerte der Unternehmen deren effektive Werte bei Weitem übertrafen.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass die damals als überrissen geltenden Börsenwerte heute als völlig korrekt angesehen werden. Aber es ist natürlich so, dass wir heute von einem vorteilhaften Umfeld profitieren, was Wirtschaftswachstum und Zinsen betrifft.

Konjunktur und Zinsen können in einem Jahr aber ganz anders aussehen. Mit tieferen Börsenwerten als den heutigen.

swissinfo: Weshalb ist es gerade die Schweizer Börse, welche als erste den Rekordstand von 1998 übertrifft?

J.-P.D.: Schwierig zu sagen. Es ist sehr gut möglich, dass die Euphorie 1998 an der Schweizer Börse etwas weniger stark ausgeprägt war, denn es gibt keine Gründe, wieso die Börsen-Blasen in allen Ländern gleich sein müssten. War man damals weniger hoch gestiegen, übertrifft man die Marke leichter, das ist normal.

Es trifft auch zu, dass sich bestimmte Schweizer Unternehmen sehr gut entwickeln. Auf sie ist die Steigerung des Börsenwertes abgestützt. Geht es der Schweiz gut, geht es der Börse gut, das ist nichts Aussergewöhnliches. Ein Land muss das erste sein.

swissinfo: Muss man sich freuen, dass die Schweizer Börse dieses Niveau erreicht?

J.-P.D.: Sicher. Die Tatsache, dass die Börse diese Rekordmarke erreicht, widerspiegelt die Erwartungen der Leute, welche die Wirtschaft verfolgen. Sie sind «bullisch», also optimistisch.

swissinfo: Freuen wir uns also. Aber wozu dient die Börse wirklich?

J.-P.D.: In erster Linie zur Mehrung des Vermögens der Bevölkerung, des Vermögens von Ihnen und mir, also allen Menschen, die für ihre Pension sparen.

Es handelt sich um einen Mechanismus, bei dem Sparer den Unternehmern und ihren Unternehmen Kapital leihen. Diese können damit einen Mehrwert erzeugen. Die Unternehmer erstatten den Sparern deren Kapital wieder zurück, angereichert um die Zinsen.

swissinfo: Gibt es keinen Grund zur Beunruhigung?

J.-P.D.: Ungewissheit gibt es immer. Wie beispielsweise gewisse Ungleichgewichte auf der Welt. Bei der Schweiz stellt sich die latente Frage: Steht sie im internationalen Vergleich so gut da wegen der Konjunktur oder weil sich ein längerfristiger Aufschwung eingestellt hat?

Darauf gibt es keine klaren Antworten. Bei der Börse findet man Richtungshinweise, die aber mit sehr grosser Unsicherheit verbunden sind. Denn die Börse ist ein Blick in die Zukunft, und die ist sehr schwer vorauszusagen.

Anders gesagt: Es gibt Risiken. Man darf sich freuen, aber mit Vorsicht. Man muss wissen, dass sich die Märkte irren können.

swissinfo-Interview: Pierre-François Besson
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)

Der Swiss Market Index (SMI) ist der Hauptindex der Schweizer Börse (SWX).
Er fasst die 27 grössten börsenkotierten Unternehmen.
Diese «Blue Chips» machen 90% des Handels an der SWX aus.
Der SMI schloss am Mittwoch mit 8413 Punkten.
Der Index schoss in den letzten drei Monaten um 13% in die Höhe.
Der bisherige Rekord von 8412 Punkten datierte vom 21. Juli 1998.

Jean-Pierre Danthine, 1950 in Belgien geboren, ist Professor an der Universität Lausanne und Autor zahlreicher Artikel und Bücher.

Seine Forschungs-Schwerpunkte sind Makroökonomie und die Funktion der Finanzmärkte.

Seit Ende 2005 ist Danthine Direktor des Swiss Finance Institute, einer Stiftung, die von den Banken und der Finanzwirtschaft, den Universitäten Zürich, Lausanne und Genf sowie dem Bund getragen wird.

Das Swiss Finance Institute hat zum Ziel, die Forschung zu fördern und hochstehende Ausbildungs-Möglichkeiten im Finanzbereich anzubieten.

Die Bank- und Finanzbranche steuert 13% zum Brutto-Inlandprodukt bei.

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