Schweizer Detailhändler gegen Aldi gerüstet
Der deutsche Discounter Aldi hat in der Schweiz vier Läden eröffnet. Die lokalen Anbieter sind bereit, gegen den Tiefpreis-Champion anzutreten.
Coop und Migros haben Tiefpreislinien gestartet oder ausgebaut, und Denner hat seine Marktposition im letzten Monat mit dem Kauf von Pick Pay gestärkt.
Letzte Woche verkündete Herbert Bolliger, Chef des grössten Schweizer Detailhändlers Migros, die Erweiterung der M-Budget-Linie von 350 auf 600 Produkte und gleichzeitig die Verstärkung des Hochpreis-Sektors.
Zudem startete Bolliger auch einen Gegenangriff auf Aldi und seinen Discount-Rivalen Lidl: 20 neue Migros-Märkte sollen in Deutschland zu den 3 bereits bestehenden eröffnet werden.
Migros und Coop, die im Januar ihre eigene Prix Garantie-Linie gestartet hatte, scheinen die Strategie britischer Supermärkte zu kopieren. Diese konnten in den letzten Jahren mit einem breiten Angebot von Tiefpreis-Markenartikeln den Discountern erfolgreich die Stirn bieten.
Aldi und Lidl betonen, dass die Lebensmittel-Konsumenten in der Schweiz, verglichen mit Deutschland, viel höhere Preise bezahlen müssten.
Analysten erklärten jedoch gegenüber swissinfo, dass günstige Preise allein nicht ausreichten, um die Schweizer Kundschaft für sich zu gewinnen.
Qualität und Wert
«Der Schweizer Käufer will Qualität und einen reellen Gegenwert für sein Geld – er will nicht um jeden Preis Tiefstpreisangebote», sagt Richard Perks vom Marktforschungs-Unternehmen Mintel.
«In Deutschland und Österreich haben tiefe Preise einen viel höheren Stellenwert als anderswo. In der Schweiz haben die Käufer höhere Ansprüche.»
Marco Strittmatter, Detailhandel-Analyst bei der Zürcher Kantonalbank, bestätigt, dass Aldis Ankunft in der Schweiz bereits Veränderungen bewirkt hat. Seiner Ansicht nach wird jedoch die Qualität eine wichtige Rolle im Markt spielen.
«Die Revolution hat bereits begonnen, und die meisten Auswirkungen haben wir bereits hinter uns», sagt er gegenüber swissinfo.
«In der Schweiz hatten wir eine Preisinsel. Aber bereits die Ankündigung des Markteintritts von Aldi und Lidl brachte die Preise ins Trudeln. Für die Detailhändler ist es zunehmend wichtig, Discountgeschäft und Luxuslinien unter einem Dach anzubieten.»
Strittmatter weiter: «Die Schweizer Kundschaft will bei einem Besuch Schnäppchen jagen und sich das nächste Mal für Luxus entscheiden.»
Deutsche Strategie
Wie wirkt sich das auf die deutschen Discounter aus? Strittmatter vermutet, dass Lidl bereits kalte Füsse bekommen haben könnte, nachdem die drei grössten Einzelhandelsunternehmen in der Schweiz (Migros, Coop und Denner) ihre Marktposition gestärkt hatten.
«Aus zwei deutschen Anbietern kann einer werden. Es gibt Spekulationen, dass Lidl von seinen Schweiz-Plänen zurückkrebst», sagt er.
«Aldi testet den Markt mit der Eröffnung einer kleinen Anzahl Läden. Wenn alles gut geht, wird expandiert. Sollte das aber nicht zufriedenstellend laufen, werden sie aufgeben.»
Perks ist der Ansicht, dass sich die deutschen Discounter hier auf Dauer einzurichten versuchen. Sie seien in der Lage, einen Fuss in den Schweizer Markt zu setzen.
«Betrachtet man Europa im Allgemeinen, mal abgesehen von Deutschland und Österreich, haben Discounter selten einen Marktanteil von mehr als 5%», so Perks.
«Ich erwarte, dass Aldi und Lidl im Schweizer Markt einen tiefen einstelligen Prozentanteil im Markt erreichen.» Mit einer Langzeitstrategie seien sie auch auf Verluste vorbereitet, um ihren Marktanteil erhöhen zu können.
swissinfo, Matthew Allen, Weinfelden
(Übertragung aus dem Englischen: Etienne Strebel)
Aldi hat am 27. Oktober 4 neue Läden in der Nähe der deutschen Grenze eröffnet: in Weinfelden und Amriswil im Kanton Thurgau, in Altenrhein im Kanton St. Gallen und in Gebensdorf im Kanton Aargau.
Die Universität Freiburg führte 2003 einen Preisvergleich von 177 Artikeln durch. Ergebnis: Schweizer Kunden bezahlten für Supermarkt-Artikel bis doppelt so viel wie in anderen Ländern.
Coop und Migros kontrollieren 73% des Detailhandels-Marktes in der Schweiz. Discounter Denner wird nach dem Kauf von Pick Pay über rund 700 Läden verfügen.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch