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Schweizer Kreuz im Kreuzfeuer des Kommerzes

Wären die Hausschuhe nur rot, ohne weisses Kreuz, wären sie gleich warm, und dennoch weniger wert. swissinfo.ch

Gäbe es einen Preis für das Schweizer Kreuz, würde es von Marketing-Spezialisten als eines der weltweit teuersten Markenzeichen gehandelt. Doch fehlt dieser Marke ein Besitzer.

Das Schweizer Kreuz gehört niemandem oder allen. Darum wird der Bundesrat Ende 2007 ein weiteres Konsultationsverfahren zum Markenschutz des Schweizer Kreuzes durchführen.

Chancen und Einschränkungen beim Gebrauch des Schweizer Kreuzes und dessen Einschätzung als Markenzeichen: Einmal mehr ist dies das Thema einer Vernehmlassung, die das Eidgenössische Justizdepartement Ende Jahr durchführen will.

Ein von der Universität St. Gallen Mitte Juni in Zürich durchgeführter Kongress, «Swissness im Marketing», hat Unternehmern die Problematik rund um das Schweizer Kreuz wirtschaftlich und rechtlich vor Augen geführt.

Erstens gibt es kein Gesetz, das klar regelt, wieviel Swissness ein Produkt oder eine Dienstleistung haben muss, damit es mit der Marke «Schweiz» beworben werden darf. Es gibt lediglich eine Gerichtspraxis. Mit negativen Folgen für den Vollzug: Der behördliche Spielraum ist beschränkt.

Zweitens muss eine Werte-Marke wie das Schweizer Kreuz anders behandelt werden als eine Produkte-Marke wie zum Beispiel Coca Cola, wo Gebrauch und Missbrauch klar umschrieben sind.

6400 Marken mit Schweiz-Bezug

Mit anderen Worten: Da die Produkte-Marke Coca Cola einem Unternehmen gehört, ist rechtlich klar, was mit ihr gemacht werden darf, wo Missbrauch vorliegt und wie hoch ihr Preis ist.

Bei der Werte-Marke Schweizer Kreuz jedoch bleibt dies alles unklar. Entscheide drängen sich aber auf. Immerhin weisen laut der Anwaltsfirma Meyer-Lustenberger 6400 Marken auf der ganzen Welt einen Bezug zur Schweiz auf.

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Vernehmlassung

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Vernehmlassung oder das Vernehmlassungsverfahren ist die Konsultation von betroffenen und interessierten Kreisen (auch Mitwirkungsverfahren). Sie ist eine wichtige Phase im schweizerischen Gesetzgebungsverfahren. Bei der Vorbereitung wichtiger Gesetze und anderer Vorhaben von grosser Tragweite sowie bei wichtigen völkerrechtlichen Verträgen werden die Kantone, die politischen Parteien und die interessierten Kreise zur Stellungnahme eingeladen.

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Schnelles Wachstum

Der Symbolgehalt rund um die Marke Schweiz, verkörpert durch das Markenzeichen, hat sich in den letzten 20 Jahren enorm entwickelt. Noch in den 1980er-Jahren erachtete die Geschäftswelt das Emblem als kommerziell unattraktiv und statisch.

Während der 700-Jahre-Feier 1991 kam es zu einem ersten kommerziellen Ansturm auf das Schweizer Kreuz. Die Behörden schritten nicht ein, obschon viele Produkte mit Swissness nicht im Land selbst hergestellt worden waren.

Ende der 1990er-Jahre folgte ein Image-Sturz im Gefolge des Skandals um die nachrichtenlosen Vermögen. Der Tiefpunkt war die grafische Unterlegung des Schweizer Kreuzes mit einem Hakenkreuz aus Goldbarren – als Illustration eines Buches des ehemaligen US-Unterstaatssekretärs Stuart Eisenstat.

Weltläufigkeit mit Jahrtausendwende

Der positive Gebrauch des Schweizer Kreuzes rund um die Landesausstellung Expo.02 gab der Marke wieder Auftrieb. Und die starke Beachtung des Heckflossen-Kreuzes in der Aufarbeitung des Swissair-Groundings führte weiten Kreisen der Öffentlichkeit erst richtig vor Augen, wie international gängig das Zeichen bereits war.

Neue Akteure in der Architektur (Herzog und de Meuron) und im Sport (Roger Federer, Alinghi) begannen, der Swissness neue Variationen beizufügen. «Dies verstärkte die Weltläufigkeit der Marke weiter», sagte Professor Torsten Tomczak von der Uni St. Gallen, am Swissness-Kongress.

Ökonomie der Swissness

Diese Umpositionierung in Richtung Weltläufigkeit «verstärkt aber auch das bestehende Problem, dass diese Marke niemandem, sondern allen gehört», so Tomczak.

So folgert Jürg Simon, Spezialist für Immaterialgüterrecht und Professor an der Universität St. Gallen: «Swissness ist Geld wert.»

Doch werde die Kernfrage, wieviel Schweiz denn in einem Produkt stecke, nirgends klar festgelegt. «Die Gerichtspraxis lautet: 50% der Produktionskosten, plus wesentliche Fabrikationsvorgänge.»

Reformbedarf und Übernutzungs-Gefahr

Wie die Erfahrungen schon 1991 an der 700-Jahr-Feier gezeigt hätten, so Simon, funktioniere der Vollzug dieser Gerichtspraxis schlecht: «Im Swissness-Business herrscht Schweigepflicht, eine Art Omertà.»

Denn Sündenfälle werden wegen dem Vollzugsdefizit nicht geahndet. Simon fürchtet deshalb, dass das Schweizer Kreuz als Marke übernutzt werden könnte.

Laut Simon habe der Bundesrat schon 1988 Handlungsbedarf gesehen, als er schrieb: «Die Schweiz ist eine Marke.» Er kenne keine andere Regierung auf dieser Welt, die das je von ihrem Land schriftlich festgehalten habe.

Damals wollte der Bundesrat das Schweizer Kreuz freigeben. Aber eine Vernehmlassung ergab, dass dieses «nicht ‹verhunzt› und dem Kommerz geopfert werden darf», wie Simon die Reaktion einer politischen Partei zitiert.

Nach den schlechten Erfahrungen an der 700-Jahr-Feier versuchte es der Bundesrat 1994 in einem zweiten Anlauf mit der Registrierung der Marke, was ebenfalls scheiterte.

Mehr Kontrolle oder Liberalisierung?

Nach zwei misslungenen Vernehmlassungen kommt also jetzt Ende des laufenden Jahres die dritte. Würde man die Verwendung der Marke Schweiz wirklich strenger handhaben, so Simon, sähen sich plötzlich sehr viele Unternehmen in der «wappenschutzgesetzlichen Illegalität».

Das hätte aber einen riesigen und teuren Vollzugsbedarf durch die Behörden zur Folge. Deshalb schätzt der Marken-Jurist und Kenner Simon, dass die gegenteilige Entwicklung wahrscheinlicher ist, nämlich dass die Regeln für die Benutzung des Schweizer Kreuzes liberalisiert werden.

swissinfo, Alexander Künzle

1815 kommt das Schweizer Kreuz erstmals als bundesstaatliches Symbol zur Geltung, und ist es bis heute geblieben.
Der Bundesrat hat 1988 festgehalten, dass «die Schweiz auch eine Marke ist», und sprach damit die kommerzielle Nutzung an.
Weitere Symbole wie das Matterhorn oder die Armbrust sind beigefügte Embleme, die ebenfalls auf die Swissness verweisen.
Da das Schweizer Kreuz eine Wert- und keine Produkte-Marke ist, kann es rechtlich weder registriert noch geschützt werden.
Das Schweizer Kreuz hat keinen Besitzer wie Coca Cola; es gehört allen, oder niemandem.

Seit 1948 verfügt die Schweiz über eine staatsvertragliche Regelung mit der ganzen Welt zum Thema Schweizer Kreuz. Nur ist diese laut Jürg Simon etwas vergessen gegangen.

Die Regelung hat sich aus der Genfer Konvention zum Roten Kreuz ergeben. Dieses ist das Sanitäts- und Schutzzeichen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK).

Im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr Schweizer Kreuz – Rotes Kreuz wird in der Konvention auch festgelegt, dass die Verwendung des Schweizer Kreuzes verboten ist.

Eine Möglichkeit, wie mit dem Schweizer Kreuz verfahren werden könnte, zeigt der Fall «St. Moritz».

Der Tourismusdirektor dieses weltweit bekannten Ferienortes war es satt, dass der Name und der Schriftzug auf der ganzen Welt von Trittbrettfahrern kopiert und für eigene Zwecke umgenutzt wurde.

Also liess Hans-Peter Danuser schon vor 20 Jahren aus «St. Moritz» einen «Brand», eine Marke machen und liess sie registrieren: Wer sie seither benutzen will, muss Lizenzgebühren bezahlen.

Mit den Einnahmen aus diesen Lizenzen ging St. Moritz in der Folge gegen jene vor, die Namen und Emblem gratis brauchten und zog sie vor Gericht. Damit konnte der Missbrauch eingedämmt werden.

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