Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Schweizer Milch in der Krise

Wohin steuert die Schweizer Milchwirtschaft? swissinfo.ch

Die Schweizer Milchproduzenten wollen mit Sofortmassnahmen die Krise in der Milchwirtschaft bewältigen.

Auch der Bundesrat reagiert: Er will die Milchkontingentierung bereits im laufenden Jahr aufweichen und der Branche mehr Handlungsspielraum geben.

Butterberge, Milchschwemme, riesige Milchpulver- und Käselager. So präsentiert sich seit längerem die Lage auf dem Milchmarkt. Dazu kommt der Zusammenbruch der Swiss Dairy Food, des zweitgrössten Milchverarbeiters in der Schweiz.

Mehrmals schon hat der Bund hohe Millionenbeträge gesprochen, um der angeschlagenen Branche unter die Arme zu greifen. Die Milchwirtschaft – ein Fass ohne Boden – schlimmer als das Grounding der Swissair im letzten Jahr?

«Nein, sicher nicht», betont Jacques Chavaz, Vizedirektor des Bundesamtes für Landwirtschaft: Die Zahlungen des Bundes seien klar vorgegeben. Weitere Sonderkredite wie im August und September seien nicht vorgesehen.

Jetzt ist Handeln angesagt

Als kurzfristige Massnahme will der Bundesrat die Regulierung der Milchmenge für die einzelnen Produkte den jeweiligen Branchen-Organisationen überlassen. Dies gab das Eidgenössische Volkswirtschafts-Departement bekannt.

Neu will der Bundesrat auch die gesamte Milchmenge anpassen, wenn sich alle Vertreter der Milchwirtschaft darüber einig sind.

Die Botschaft wurde als dringlich erklärt und soll noch in der Wintersession im Parlament behandelt werden.

Milchkontingente senken

Auch die Produzenten wollen handeln: «Wir haben zum Ziel, den Markt so schnell wie möglich ins Lot zu bringen, vor allem beim Export – spätestens bis Mitte 2003», erklärte der neue Direktor des Bauernverbandes, Jacques Bourgeois, im Vorfeld der Delegierten-Versammlung der Schweizer Milchproduzenten (SMP) vom Mittwoch.

Wie Stephan Hagenbuch, SMP-Geschäftsleitungs-Mitglied gegenüber swissinfo erklärte, dürfte eine Mehrheit der Delegierten einer Senkung des Milchkontingents um 2% zustimmen.

Die Westschweizer Bauerngewerkschaft Uniterre geht noch weiter: Sie fordert eine Reduzierung des Milchkontingentes um 4,5%. Mit diesem Schritt will Uniterre den von den Milchverarbeitern angekündigten Preissenkungen begegnen.

«Es gibt zu viel Milch in der Schweiz. Die vorgeschlagenen 2% genügen nicht, um dieses Problem zu lösen», erklärt Uniterre-Generalsekretär Jean-Eugène Pasche im Gespräch mit swissinfo.

«Ideal wäre eine 10%-ige Reduktion. Dies durchzubringen wäre jedoch kaum möglich.»

Wie weiter?

Würden alle marktwirtschaftlichen Massnahmen getroffen, um die Preise zu stabilisieren, reichten 2% wohl kaum aus, betont Hagenbuch. Bei dieser Zahl handle es sich um einen Branchen-Konsens, der erreicht worden sei.

Die Vorschläge der Produzenten zeigten, so Chavaz gegenüber swissinfo, dass es auf die Dauer nicht funktionieren könne, wenn der Staat die Produktionsmenge festlege, Preis und Absatz aber vom Markt bestimmt würden. Der freie Markt erfordere auch kurzfristige Anpassungen, betont Chavaz. «Das ist bei einem vom Staat im voraus fixierten Kontingent problematisch.»

Eine generelle Krise ist es nicht – wirklich nicht?

Während Uniterre von einer «schwerwiegenden Krise» auf dem Milchmarkt spricht, beurteilen Chavaz und Hagenbuch die Lage als weniger gravierend. Das Geschäftsleitungs-Mitglied der Milchproduzenten erwähnt verschiedene Probleme wie den Absatzrückgang um 17%, die tiefen Preise auf den Weltmärkten (Preisrückgang in Europa 10 – 15%) sowie den Niedergang der Swiss Dairy Food.

Es gebe aber durchaus auch Betriebe, die prosperierten. Alle seien jedoch von der schwierigen Absatzlage und dem hohen Lagerbestand betroffen.

Schuld ist der teure Schweizer Käse

Von einer Überproduktion könne aber keineswegs gesprochen werden betont, BLW-Vizedirektor Chavaz. Die Produktion sei stabil und der Absatz sei bis und mit anfangs Jahr gut gewesen. «Probleme gibt es beim Export. Das ist aber nicht ein Mengenproblem, sondern ein Preisproblem.»

Über die Hälfte der Schweizer Milch, also rund 1,6 Mio Tonnen, wird jährlich zu Käse verarbeitet. Da der Milchpreis in der Schweiz vergleichsweise teuer ist und der Schweizer Franken stark, wird es immer schwieriger, den einst so beliebten Käse abzusetzen.

In den letzten 18 Monaten ist die Milchproduktion um 4,5% erhöht worden, zum Teil auf Wunsch der Produzenten. Ob das Kontingent nun wieder gesenkt wird, muss der Bundesrat entscheiden – nach Gesprächen mit den Produzenten, Käseherstellern und der Milchindustrie.

swissinfo, Gaby Ochsenbein

Seit 25 Jahren produziert die Schweiz rund 3,2 Mio. Tonnen Milch pro Jahr.
Das sind rund 3% der EU-Produktion.
Der Preis für normale Milch liegt zwischen 77 und 79 Rappen pro Kilo.
Für Biomilch wird 90 Rappen pro Kilo bezahlt.
Die Hälfte der Menge wird zu Käse verarbeitet.
Swiss Dairy Food verarbeitete 25% der Milchmenge.
Emmi ist das grösste Milchverarbeitungs-Unternehmen der Schweiz.

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft