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Schweizer NGOs enttäuscht über WTO-Entscheid

Generica-Produktion in Brasilien. Keystone

Die Welthandelsorganisation hat am Samstag einem leichteren Zugang zu preiswerten Medikamenten für ärmere Länder zugestimmt.

Die Schweizer Nichtregierungs-Organisationen reagieren zurückhaltend auf den Entscheid.

Kurz vor dem Ministertreffen in Cancùn steht der Pharma-Kompromiss. Die WTO habe damit eine «ihrer wichtigsten Entscheidungen» getroffen, sagte ein Sprecher der in Genf ansässigen Organisation.

Vor allem ärmere Länder könnten jetzt die flexibleren Regelungen der WTO in der Handhabung von geistigem Eigentum nutzen, um Krankheiten, welche die Bevölkerung bedrohen, zu bekämpfen.

Zu viel Bedingungen

Strittig waren bis zuletzt die Sicherung von Patentrechten der Pharma-Unternehmen. Deswegen war ein schon sicher geglaubter Kompromiss in der Nacht auf Freitag gescheitert.

Die Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen und Oxfam kritisierten allerdings, der gefundene Kompromiss sei mit zu vielen Bedingungen belegt. Dies sei keine Lösung, mit der man arbeiten könne, hiess es in einer gemeinsamen Erklärung.

Dieser Meinung ist auch die Schweizer Entwicklungsorganisation «Erklärung von Bern» (EvB). «Die Vereinbarung ist durch so viele Einschränkungen und Bedingungen unterhöhlt worden, dass es in der Praxis wohl schwierig wird, die WTO-Entscheidung umzusetzen», sagt Bernhard Herold von der EvB gegenüber swissinfo.

Demgegenüber zeigte sich Thomas Cueni vom Interpharma, dem Branchenverband der Schweizer Pharma-Unternehmen, zufrieden über den WTO-Entscheid: «Wir haben eine Balance gefunden. Einerseits wird der vereinfachte Zugang zu wichtigen Medikamenten für Entwicklungsländer ermöglicht und andererseits das geistige Eigentum der Produzenten geschützt.»

USA blockierten

Gerade diese Balance wurde bei der WTO hervorgehoben. Man habe sich bemüht, eine Regelung zu finden, damit Entwicklungsländer Nachahmer-Medikamente (Generika) in Notsituationen wie einer Aids-Epidemie ohne Rücksicht auf bestehende Patente importieren dürfen.

Das WTO-Abkommen über den Patenschutz , das so genannte TRIPS-Abkommen, sah bisher die Produktion von Generika nur für den Eigengebrauch vor.

Alle bisherigen Bemühungen um eine Vereinbarung wurden von den USA, einem Land mit einer starken Pharma-Industrie, blockiert. Washington wurde dabei von den andern WTO Mitglieder, darunter der Schweiz, unterstützt.

Befürchtet wurde, dass Länder wie Indien oder Brasilien ihren Markt mit preiswerteren Generica überschwemmen würden.

Gegen Re-Importe

Die jetzt gefundene Lösung beugt dem vor. Sie wurde von den USA ausgearbeitet. Zusammen mit Brasilien und Indien, in denen viele Firmen ansässig sind, die Generika herstellen, und Kenia und Südafrika, in denen Millionen Menschen an Aids gestorben sind.

Mit dem nun verabschiedeten Kompromiss soll unter anderem sicher gestellt werden, dass Medikamente, die an arme Länder zu günstigen Konditionen importiert werden, nicht wieder in Industriestaaten re-importiert werden.

Konkret sollen die Medikamente für die Entwicklungsländer in besonderen Verpackungen oder anderer Form geliefert werden. Die Industrienationen sollen sich verpflichten, von der Möglichkeit des Imports keinen Gebrauch zu machen.

Ferner sollen sich die Entwicklungsländer verpflichten, die billigeren Kopien «im guten Glauben zum Schutz der öffentlichen Gesundheit» zu nutzen, hiess es in der Erklärung.

Die günstigeren Medikamente sollen kein Instrument sein, mit dem
«industrielle und kommerzielle Ziele verfolgt werden.»


swissinfo, Isobel Johnson, Karin Kamp und Agenturen

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