Schweizer Nummernkonto – nur noch Marketing-Gag?
Schweizer Nummernkonten gelten als schick und bilden den Stoff von zahlreichen Agententhrillern und Kriminalkomödien.
Eine Taskforce der OECD macht jetzt dem Schweizer Nummernkonto den Garaus.
Während mehr als 100 Jahren konnten Kunden von Schweizer Banken Konten unter einer Nummer oder einem Decknamen eröffnen, mit denen sich anonym Geld transferieren liess.
Damit ist jetzt Schluss. Am 1. Juli tritt ein Artikel der Geldwäscherei-Verordnung in Kraft, der aus dem Nummernkonto ein gewöhnliches Konto macht. Damit erhält der Kampf um die Aufweichung des Schweizer Bankgeheimnisses eine neue Pointe.
Neu muss die Bank die Identität des Auftraggebers bekanntgeben, wenn ein Inhaber eines Nummerkontos Geld grenzüberschreitend transferiert. Wenn der Name des Auftraggebers nicht bekannt ist, muss die Empfängerbank das Geld zurückweisen.
Kennt die ausländische Bank die Identität des Auftraggebers der verschlüsselten Transaktion, haben die Steuerfahnder neue Mittel in der Hand, gegen Steuerbetrüger und -hinterzieher vorzugehen.
Mit Biss gegen Geldwäscherei
Die neue Regelung zu den Nummernkonten geht auf eine der acht «Sonderempfehlungen über terroristische Finanzpraktiken» der «Financial Action Task Force on Money Laundering» (FATF) zurück.
Bei der FATF handelt es sich um das einflussreiche Gremium, das im Auftrag der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) arbeitet und auf den internationalen Finanzmärkten die raffinierten Praktiken der Geldwäscherei aufdecken will.
Das Nummernkonto als solches wird jedoch trotz der neuen Bestimmung der Geldwäscherei-Verordnung bestehen bleiben, beschwichtigen schweizerische Bankier-Kreise. Die wahre Identität des Inhabers eines Nummerkontos sei auch nach der Neuerung nur einem kleinen Kreis von Bankangestellten bekannt.
Der Name des Nummerkontos bleibt, der Mythos, mit dem die anonymen und gesichtslosen Transaktionen verbunden waren, verschwindet jedoch. Für viele internationale Finanz-Romanciers hatte nämlich eine Schweizer Bankverbindung erst dann den richtigen Groove, wenn das Konto verschlüsselt war.
Davon kann James Bond 007, der im Thriller «The World Is Not Enough» einem Schweizer Bankier die Codes eines Nummerkontos mit vorgehaltenem Colt herauszukitzeln versucht, ein Liedchen singen.
Alte Schlupflöcher gehen zu – neue gehen auf
Neue Verordnungen und Gesetze im internationalen Finanzbereich machen erfinderisch. Längst haben Schweizer Bankinstitute damit begonnen, neue Niederlassungen in Steuerparadiesen wie den Cayman-Inseln zu eröffnen.
Schliesslich gibt es auf die Verschärfung der Geldwäscherei-Verordnung noch eine andere mögliche Reaktion.
Schweizer Bankiers könnten versuchen, ihre diskreten ausländischen Kunden davon zu überzeugen, ihr Geld in der von internationalen Steuerfahndern weitgehend sicheren Schweiz zu belassen, anstatt riskante und steuerlich nachteilige Transaktionen ins Ausland zu tätigen.
Das erklärte Ziel der de facto Abschaffung des Nummerkontos ist, grenzübergreifend Steuerschlupflöcher zu schliessen.
Der Rechtsanwalt Carlo Lombardini brachte die neue Ausgangslage in einem Aufsatz in der Genfer Zeitung «Le Temps» auf den Punkt: «Kein Geldwäscher wäre so dämlich, seine Überweisungen unter dem eigenen Namen im Stil von ‹Überweisen Sie bitte auf Anordnung von Drogenzar Pablo Escobar…› ausführen zu lassen.»
Warum deutsche Steuerflüchtlinge in der Schweiz bleiben
Zweifel sind angebracht, ob die Abschaffung des Nummernkontos tatsächlich zu einer neuen Steuerehrlichkeit führen wird. Dies trifft besondern im Verhältnis zum Nachbarland Deutschland zu, das in den letzten Monaten in der Frage der Schwarzgelder massiven Druck auf die Schweiz ausgeübt hatte.
Im Januar 2004 trat in Deutschland eine Amnestie in Kraft, welche reuigen Steuerhinterziehern einen straffreien Rücktransfer von Depots im Ausland ermöglichen sollte.
Die deutsche Politik konnte jedoch bisher keinen international wettbewerbsfähigen Kapitalbesteuerungs-Modus liefern, um die Repatriierung von Geldern nach Deutschland attraktiv zu gestalten.
swissinfo, Erwin Dettling
Über 100 Jahre lang konnten Kunden von Schweizer Banken auf Nummernkonten anonym Geld anlegen.
Ab dem 1. Juli 2004 wird das Nummernkonto zu einem gewöhnlichen Konto.
Die neue Regelung basiert auf einer Empfehlung der «Financial Action Task Force on Money Laundering», die mit der OECD zusammenarbeitet.
Das schweizerische Bankgeheimnis steht international in der Kritik.
Sowohl der EU wie auch der OECD ist die Schweiz als potenzielles Steuerfluchtland ein Dorn im Auge.
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