Schweizer Post vor unsicherer Zukunft
Die Schweizer Post hat diese Woche ihr bestes Halbjahres-Ergebnis vorgelegt. Doch ihre Zukunft bleibt ungewiss.
Die Liberalisierung der Märkte und neue Kommunikations-Technologien haben die Postdienste radikal verändert.
Die Post entstand 1848 aus der Vereinigung der kantonalen Postdienste. Seither hat sie diverse Höhenflüge und Tiefs erlebt.
Wie der legendäre «Pony-Express», der in den amerikanischen Prärien seinen abenteuerlichen Service anbot, haben die Schweizer Pöstler die Alpen bezwungen und sind bis in die hintersten Täler vorgedrungen, durch Stürme und Lawinen, um einen einzigen Brief zum Empfänger zu bringen.
Und auch wenn heute die Alpenstrassen keine Bedrohung mehr darstellen, konnte sich die Schweizerische Post ihren auf Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit begründeten guten Ruf bewahren – auch im Ausland.
Die Qualität der Schweizer Postdienste ist Symbol für ein Land, das gut funktioniert.
Unsichere Zukunft
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts allerdings ist die Zukunft dieses Traditionsunternehmens alles andere als sicher. Die Post kämpft um ihr Überleben, wie die Unternehmensführung immer wieder betont.
Auf den ersten Blick mag dies unglaubwürdig erscheinen: Diese Woche hat die Schweizer Post mit 387 Mio. Franken Gewinn einen Halbjahres-Rekord verzeichnet.
«Die Ängste sind gerechtfertigt», sagt jedoch Post-Sprecher François Tissot-Daguette. «Man muss nur zwei Ziffern erwähnen: Zwischen 2000 und 2003 sind die Briefe um 27% und die Pakete um 32% zurückgegangen.»
Die Post als Dinosaurier der Staatsbetriebe muss sich in dieser Zeit zwei neuen Phänomenen stellen, die ihre Existenz bedrohen.
Einerseits der Liberalisierung der Märkte, die bis 2009 praktisch alle Postdienste für die Konkurrenz öffnen will. Andererseits bedroht die Revolution der Informations-Technologien mit Internet, E-Mail und SMS eines der Kerngeschäfte jedes Postdienstes.
Neue Nischen
«Laut Prognosen unserer Direktion werden die neuen Technologien in den nächsten zehn Jahren zu einer Verminderung der weltweiten Briefpost um 10 bis 20 Prozent führen», erklärt Rhéal Le Blanc, Sprecher des Weltpost-Vereins.
Für die UNO-Behörde, die ihren Sitz in Bern hat, sind die Postdienste jedoch nicht zum Tod verurteilt. Früher oder später werde der Aderlass gestoppt.
Dies ist ein bekanntes Phänomen. Schon immer haben neue Kommunikationsmittel die früheren Dienste vollständig ersetzt, die jedoch bald schon neue Märkte gefunden haben.
«Privatpersonen oder Unternehmen kommunizieren heute viel häufiger per E-Mail, doch in anderen Sektoren nehmen die Briefe zu, zum Beispiel in der Werbung», betont Le Blanc.
Die neuen Technologien bergen auch neue Hoffnungen für die Postdienste: Mit dem Aufschwung der Weltwirtschaft geht ein Anstieg des E-Commerce einher. Und zum Versandhandel im Internet gehört unweigerlich das Paket.
Das Internet bietet der Post die Plattform für neue Geschäfte, wie zum Beispiel der elektronische Stempel. Dieser Stempel, der in einigen Ländern schon zur Anwendung kommt, erlaubt die Prüfung von Datum und Gültigkeit eines offiziellen oder kommerziellen Dokuments.
Schnelle Veränderung
Doch noch stärker gefährdet als durch die neuen Kommunikationsmittel scheint die Zukunft der Schweizer Post durch die Liberalisierung des Postmarktes zu sein. Durch sie wird die Post das Monopol in weiteren Geschäftsfeldern abgeben müssen.
Um der grossen Konkurrenz aus Deutschland, Frankreich oder England entgegenzutreten, ist die Post daran, sich umzustrukturieren und ihr Angebot in grossen Schritten zu rationalisieren.
Wenn die Volksinitiative «Postdienste für alle» an den eidgenössischen Abstimmungen vom 26. September abgelehnt wird, dürfte ein gutes Drittel der bisherigen Poststellen in einigen Jahren verschwinden.
Schon heute gleichen viele Poststellen mehr einer Gemischtwarenhandlung als einer Post. Bevor die Kundschaft an den Schalter kommt, wird sie mit Getränken, Büchern, Wasserpistolen, Computern oder Felgen-Sprays konfrontiert.
«Dieses Geschäft bringt uns 330 Mio. Franken Umsatz. Geld, mit dem wir Arbeitsplätze in den Postbüros retten können», sagt Tissot-Daguette.
Offensive Politik
«In der gegenwärtigen Lage kann sich die Post keine defensive Politik erlauben», ergänzt der Post-Sprecher. «Sie muss eine offensive Strategie entwickeln, um den Gewinn erhöhen und die Betriebskosten senken zu können.»
Daher dringt die Post in neue Märkte ein: Schon heute generiert sie 10% ihres Umsatzes auf dem Finanzmarkt. Am Postschalter werden Fonds, Hypotheken, Sparkonti und andere Bankdienstleistungen angeboten.
40% des Umsatzes stammen aus dem Logistik- und Transport-Sektor, ein Sektor, in dem die Post heute zu den führenden Anbietern der Schweiz gehört.
«Früher transportierten wir nur Pakete. Heute bieten wir jede Art von Transporten an, seien es Personen oder Güter, für Private, Unternehmen oder auch Spitäler», so Tissot-Daguette.
Ein Mischkonzern
In einem Moment also, in dem sich Politiker und die Bevölkerung um die Erhaltung des Service public der «guten alten Zeiten» streiten, ist die Post bereits in eine neue Ära geschritten.
Wie ihre Poststellen klebt die Post immer weniger am alten Bild, das die Schweizer Geschichte während 150 Jahren geprägt hatte. Von nun an ist die Post ein Mischkonzern, der an neuen Fronten um sein Überleben kämpft.
swissinfo, Armando Mombelli
(Übertragung aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)
Die Schweizerische Post weist fürs erste Halbjahr 2004 einen Gewinn von 387 Mio. Fr. aus.
2003 beschäftigte sie 54’000 Angestellte.
2003 beförderte sie ca. 5 Mrd. Briefe und 150 Mio. Pakete.
Weltweit werden jährlich ca. 450 Mrd. Briefe und Pakete transportiert.
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