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Schweizer Privatbanken attackieren Regierung

Niklaus Baumann, Präsident der Vereinigung Schweizer Privatbanken, mit Ivan Pictet und Pierre Mirabaud (v.l.n.r.). Keystone

Die Schweizer Privatbankiers drohen mit einem Referendum falls die Schweiz gegenüber der Europäischen Union weitere Konzessionen in Sachen Zinsbesteuerung macht.

Bern und Brüssel befassen sich mit der umstrittenen Vorlage als Teil der bilateralen Verträge II zwischen der Schweiz und der EU.

Die Schweizer Privatbankiers verfolgen die Zinsbesteuerungs-Verhandlungen der Schweiz mit der EU sehr kritisch und schliessen ein Referendum nicht aus.

Der Schweiz werde bei den bilateralen Verhandlungen mit der EU über die Zinsbesteuerung die «Rolle des Sündenbocks für EU-interne Probleme» zugeschoben, sagte Pierre Mirabaud, Präsident der Vereinigung der Genfer Privatbankiers am Donnerstag.

Der Genfer Privatbankier Ivan Pictet betrachtet das Bankgeheimnis als entscheidenden Faktor im internationalen Konkurrenzkampf um die grenzüberschreitenden Privatvermögen und sprach sich für eine kompromisslose Verteidigung aus.

Auch Michel Dérobert, Geschäftsführer der Vereinigung der Schweizerischen Privatbankiers, hat eine klare Meinung: «Lieber kein Abkommen als ein schlechtes Abkommen.»

EU-internes Problem



Das Problem der Zinsbesteuerung wurzle in der EU, betonte Dérobert. Während in der Schweiz die Zinsbesteuerung seit den dreissiger Jahren mit der Verrechnungssteuer einigermassen zufriedenstellend geregelt sei, bemühe sich die EU seit über 12 Jahren um eine Einigung unter ihren Mitgliedstaaten.

Es sei die Sorge der Privatbankiers, dass sich die Schweiz in der nahen Zukunft «vom Erfolg wegverhandeln» werde, sagte Mirabaud. Das Bankkundengeheimnis sei unabdingbar für den Finanzplatz.

Sollte eine Einigung mit der EU über die Zinsbesteuerung eine Erosion des Bankkundengeheimnisses bedeuten oder einleiten, sei dies für die Schweiz so einschneidend, dass ein Referendum gerechtfertigt sei, sagte Mirabaud. Vom positiven Ausgang einer möglichen Referendumsabstimmung zeigte sich Mirabaud überzeugt.

Zu weit gegangen

Zwar loben die Privatbankiers die Standfestigkeit von Bundesrat Kaspar Villiger in den Grundsatzfragen. Doch: «Wir müssen uns fragen, ob die Schweiz nicht schon zu weit gegangen ist», sagte der Geschäftsführer des Verbands, Michel Dérobert.

Er bezeichnete unter anderem die geplante Überprüfungsklausel im Abkommen mit der EU als Problem. Der vorgesehene Quellensteuersatz von bis zu 35% sei zudem nur akzeptierbar, wenn er auch in allen EU-Mitgliedstaaten angewandt werde.

Ein weiteres Problem sei, dass sich die EU im Falle der USA mit weniger zufrieden zu geben scheine als bei der Schweiz. Dérobert stellte auch in Frage, ob die EU wirklich in Treu und Glauben verhandle, und forderte im Falle eines Abkommens Garantien dafür, dass die gleichen Länder nicht im Schosse der OECD einen neuen Angriff aufs Bankgeheimnis lancieren und die Schweiz letztlich zwei Mal zur Kasse beten. Gegebenenfalls sollte die Schweiz «Nein» sagen.

Es werde die Sache der Schweizerischen Bankiervereinigung sein, den Standpunkt des gesamten Finanzplatzes zu definieren. Die Privatbankiers seien der Meinung, dass die Schweiz gegebenenfalls «nein» sagen könne, sagte Dérobert weiter.

Dazu Pictet: «Die Regierung weiss, wenn sie zu sehr auf die Forderungen seitens der EU eingeht, dass es ein Referendum geben wird.»

Schwierige Zeiten

Das Jahr 2002 sei für die auf die Vermögensverwaltung spezialisierten Banken nicht einfach gewesen, sagte Ivan Pictet, Präsident der Fondation Genève Place Financière. Eine repräsentative Umfrage bei den Privatbankiers in Genf habe ergeben, dass der Betriebsgewinn im vergangenen Jahr um 20 bis 30% gesunken sei. Bereits 2000 hatte der Rückgang rund 35% betragen.

Für das laufende Jahr rechnet Pictet mit einem erneuten Rückgang der Erträge in der Vermögensverwaltung. Dies trotz voraussichtlicher Zunahme der verwalteten Vermögen.

Als «aussergewöhnliche Situation» bezeichnete Pictet den Abbau von rund 10’000 Stellen im Schweizer Bankensektor im Jahr 2002 und die rund 3500 registrierten arbeitslosen Bankangestellten per Ende November. Die Lage sei aber im Vergleich zu anderen Branchen «vorerst nicht alarmierend».

Im Ausland sei die Situation ähnlich oder noch schwieriger. In London, New York und Frankfurt werde auch 2003 mit zahlreichen Entlassungen im Bankensektor gerechnet. In der Schweiz könne es wegen Überkapazitäten mittelfristig zu weiteren Konsolidierungen unter den Banken kommen, sagte Pictet. Für die nächsten zwei bis drei Jahre hält er einen weiteren Abbau von 20’000 Stellen für realistisch.

swissinfo mit Agenturen

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