Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Schweizer sind Bio-Weltmeister, aber…

Der Kauf von Bio-Gemüse ist in der Schweiz im Trend. Das reicht aber nicht für ein gutes Umweltgewissen. Keystone

Nirgendwo in der Welt geben Menschen mehr für Bio-Produkte aus als in der Schweiz. Den positiven Umwelteffekt machen sie jedoch durch Mehrkonsum wieder zunichte.

In der Schweiz steigt der Absatz von ökologischen Produkten aber nicht nur im Lebensmittelsektor, sondern auch in den Bereichen Mobilität, Finanzen und Wohnen, wie eine Studie aufzeigt.

«Wie nachhaltig leben wir?», fragt der «Konsum Report Schweiz» von WWF, der Zürcher Kantonalbank und dem Center for Corporate Responsibility and Sustainability der Universität Zürich.

Er basiert auf repräsentativen Konsumentenbefragungen, die zwischen 2004 und 2007 durchgeführt wurden.

Rund 4,7% aller in der Schweiz verkauften Lebensmittel sind Bio-Produkte – das ist Weltrekord. Dieser Anteil ist überdurchschnittlich gewachsen und liegt nun bei rund 170 Franken pro Kopf und Jahr, wie der Report zeigt.

Konsumentinnen und Konsumenten beeinflussen beim Einkaufen auch, ob die Produktion von Lebensmitteln ökologischer und sozialer wird. Denn Essen und Trinken verursachen fast einen Drittel der Umweltbelastungen unseres Konsums.

Hauptursachen für die Umweltbelastungen sind die Landwirtschaft, die industrielle Nahrungsmittelproduktion und die Transporte der Lebensmittel.

«Grüne» Mobilität

Die Mobilität zeichnet für über einen Fünftel der Umweltbelastungen verantwortlich, steht in der Studie. Autos und Flugzeuge belasten dabei das Klima am meisten. Immer wichtiger wird dabei der Freizeitverkehr, der mittlerweile umweltbelastender ist als der Arbeits- und Einkaufsverkehr.

In den letzten vier Jahren haben sich die Verkäufe von Hybrid-Autos beinahe versechsfacht. Vergleicht man diese Absatzzahlen jedoch mit dem Gesamtmarkt, sind sie mit 1% Marktanteil immer noch sehr klein. Zudem sind auch die Absatzzahlen von umweltbelastenden Offroadern in die Höhe geklettert.

Auch der Hang der Schweizer Bevölkerung zu exotischen Feriendestinationen ist für eine schlechtere Umweltbilanz verantwortlich. So verursacht eine Person mit einer Reise von 100 km mit dem Flugzeug etwa 32 kg CO2, mit dem Auto rund 19 kg und mit der Bahn 1 bis 6 kg.

Die Studienverfasser beurteilen das Einsparungspotenzial des Verkehrs als enorm. Effizienzsteigerungen alleine reichten jedoch nicht aus. Nötig sei ein Umdenken und vermehrtes Umsteigen auf den öffentlichen Verkehr.

«Grüne» Geldanlagen

Der Finanzmarkt hat für die Wirtschaft eine wichtige Steuerungs- und Regelungsfunktion, beeinflusst er doch die Entwicklung der Wirtschaft und vieler Unternehmen massgeblich. Mit der Finanzierung von besonders nachhaltigen Unternehmen kann auch der Finanzmarkt zur nachhaltigen Entwicklung beitragen.

Nachhaltige Geldanlagen in börsenkotierte Unternehmungen, welche hohe Umwelt- und Sozialstandards pflegen, haben sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt. In der Schweiz lagen sie Mitte 2007 bei 25 Mrd. Franken.

Solche Anlagen erbringen zwar nachweislich gleiche oder höhere Renditen wie normale Anlagen, fristen aber nach wie vor ein Nischendasein. Entsprechend gross bleibt das Entwicklungspotenzial: Erst 14% aller Privatanleger investieren in nachhaltige Finanzanlagen.

«Grüne» Mode

Obwohl der Markt für ökologisch und fair produzierte Kleider wächst – er beträgt rund 60 Mio. Franken pro Jahr – muss man ihn immer noch als Nischenmarkt bezeichnen, so die Studie.

Denn bezogen auf den Gesamtumsatz machen Textilien aus Biobaumwolle lediglich 1,5% aus. Trotzdem liegt der Schweizer Markt im internationalen Vergleich an erster Stelle.

Konsumentinnen und Konsumenten bewerten Qualität und Preis von Kleidern als viel wichtiger als deren Umweltverträglichkeit und Produktionsorte, belegt die Studie.

«Grünes» Wohnen

Der Bereich Wohnen verursacht trotz vieler Energiespar-Anstrengungen einen grossen Teil der Umweltbelastungen. Mit dem Bauen nach Minergie-Standards, Ökostrom und energieeffizienten Geräten wird zwar viel Energie eingespart.

Trotzdem nimmt der Energieverbrauch im Haushalt nicht ab. Für die Zunahme sind unter anderem die grössere Wohnfläche und damit auch die grössere zu beheizende Fläche sowie mehr eingesetzte Elektrogeräte verantwortlich.

Nicht ganz grünes Fazit

Gemäss Hans-Peter Burkhard, Direktor des CCRS, kaufen Schweizerinnen und Schweizer zunehmend intelligent ein. Dieser erfreuliche Trend könne allerdings nicht über das zweite Ergebnis der Studie hinwegtäuschen.

In der Schweiz wird gesamthaft mehr Energie verbraucht, es wird mehr konsumiert, in grösseren Wohnungen gewohnt, in schwereren Autos gefahren und weiter und öfter gereist. Damit werde der positive Umwelteffekt der nachhaltigen Produkte wieder zunichte gemacht.

swissinfo, Etienne Strebel

31% Wohnen
30% Essen und Trinken
21% Mobilität
3% Bekleidung
15% Übriges

Der Bereich Finanzen ist direkt in den jeweiligen Konsumbereichen enthalten

(Quelle: ecosyntesys 2007)

Die Studie empfiehlt bei:

Essen und Trinken

Bioprodukte kaufen
Regionale und saisonale Produkte geniessen
Wenig Fleisch essen

Mobilität und Reisen

Öffentliche Verkehrsmittel wählen
Effiziente Autos fahren
Wenig fliegen

Finanzen

In nachhaltige Anlagen investieren
Mit nachhaltiger 3. Säule vorsorgen
Sparen mit Nachhaltigkeits-Sparkonto

Wohnen

Gut isolierte Gebäude bewohnen
Wärme aus erneuerbaren Quellen beziehen
Kurz und kräftig lüften
Energieeffiziente Geräte und Lampen kaufen
Ökostrom beziehen
Standby vermeiden

Bekleidung

Bio- und Fair-Trade-Textilien kaufen
Kleider lange tragen

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft