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Schweizer Steuerpolitik weiter unter Druck

Gegen ein multilaterales Abkommen mit der EU: Bundespräsident Hans-Rudolf Merz. Keystone

Die Schweiz steht nicht mehr auf der grauen Liste der OECD. Dennoch bleibt der Druck gegen Steuerschlupflöcher bestehen. Die von den Banken angestrebte Abgeltungssteuer wird von der EU nicht akzeptiert. Das ist das Fazit des Europa Forums in Luzern.

«In den letzten zehn Monaten gab es mehr Bewegung als in den letzten zehn Jahren», bilanziert Achim Pross, der Vizechef der Abteilung für internationale Zusammenarbeit bei der OECD und bezieht sich damit auf die Einführung des OECD-Standards zum Informationsaustausch im grenzüberschreitenden Steuerbereich.

«Das Thema Informationsaustausch ist nicht aus dem Nichts entstanden. Kleinere Anpassungen gab es schon früher, auch seitens der Schweiz. Die Krise hat die Zusammenarbeit in Steuerfragen nun massiv beschleunigt. Das war nur möglich, weil es schon so lange gebrodelt hatte», sagt Pross und erinnert daran, dass die OECD bereits im Jahr 1996 den Kampf gegen «schädlichen Steuerwettbewerb und Steueroasen» auf die Agenda gesetzt hatte.

Dass er hier in Luzern einen grauen Anzug trage, stehe in keinem Zusammenhang mit der Farbe irgendeiner Liste, auf der die Schweiz aufgeführt sei, scherzt Pross und lobt die Schweiz dafür, dass sie «die notwendigen zwölf Doppelbesteuerungsabkommen bereits ausgehandelt hat» und damit von der grauen Liste der OECD-Steueroasen verschwunden ist.

Kein automatischer Informationsaustausch

Diese Abkommen sehen eine Erweiterung der internationalen Amtshilfe und damit die Übernahme des OECD-Standards vor. Es gehöre zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Schweiz, «dass unsere Steuerpolitik international anerkannt ist», sagt Bundespräsident Hans Rudolf Merz und bekräftigt, die Regierung wolle seine am 13. März 2009 beschlossene Reform der Doppelbesteuerungsabkommen konsequent umsetzen: «Wir sind künftig bereit, im konkreten, begründeten Einzelfall auf Anfrage – nicht hingegen bei so genannten Fishing Expeditions – auch bei Steuerhinterziehung international Amtshilfe zu leisten.» Bisher beschränkt sich die Amtshilfe auf Steuerbetrug.

Ein multilaterales Abkommen mit der Europäischen Union wolle der Bundesrat hingegen nicht. Auch ein automatischer Informationsaustausch, auf den sich zahlreiche EU-Staaten geeinigt haben und wie ihn die Mehrheit der EU-Staaten, darunter Deutschland, fordert, sei für die Schweiz kein Thema, so Merz: «Er läuft unserem Verständnis der Privatsphäre zuwider.»

Dafür sei die von der Bankiervereinigung zum Schutz des Bankgeheimnisses lancierte Idee einer so genannten Abgeltungssteuer auf Kapitalerträgen ein «interessantes Projekt im internationalen Kontext». Sein Finanz-Departement prüfe derzeit die Vor- und Nachteile eines solchen Systems, so Finanzminister Merz.

Weg vom Image des «Piratenverstecks»

«Ich glaube, die Abgeltungssteuer ist ein Konzept, das darauf abzielt, die Anonymität zu wahren. Wenn Sie Transparenz und Informationsaustausch als Raster anlegen, dann werden Sie sehen, dass die Abgeltungssteuer nicht das Konzept von Morgen sein kann», gibt Michael Reiterer, der EU-Botschafter in der Schweiz zu bedenken.

Eine Abgeltungssteuer bezeichnet Reiterer zudem als «nicht akzeptabel», weil sie in das Besteuerungsrecht jenes Staates eingreife, dem das Steuersubstrat zustehe.

Gegen eine Abgeltungssteuer spricht sich auch Martin Naville, Direktor der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer aus. Nach dem Sturm um die Grossbank UBS müsse die Schweiz in den USA weg kommen vom Image des «Piratenverstecks» und keine weiteren «Versteckstrategien, sprich Abgeltungssteuer» mehr ausspielen.

Sie solle sich vielmehr auf die die «hehren Tugenden» wie «Berechenbarkeit, Vertraulichkeit und Sicherheit, Professionalität und Prozesssischerheit» konzentrieren. Bis jetzt liege die Schweiz in der Normalisierung der Beziehungen zu den USA «auf Kurs», bilanziert Naville.

Blick auf die Stärken der Schweiz

Die Stärken der Schweiz seien die «Kundenorientierung der Behörden, die politische Stabilität und die im internationalen Vergleich tiefen Steuern» sagt Clemens Fuest Professor für Unternehmens-Besteuerung an der Universität Oxford.

Darauf müsse die Schweiz setzen, denn: «Niemand bestreitet das Recht eines Landes, die Steuern zu senken. Was in Frage gestellt wird, ist das Schaffen von Möglichkeiten für illegale Steuerhinterziehung.»

Andreas Keiser, Luzern, swissinfo.ch

Seit April 2009 stand die Schweiz auf einer grauen Liste von Ländern, welche den OECD-Informationsaustausch in ihren Doppelbesteuerungs-Abkommen (DBA) nicht integriert haben.

Damit die Schweiz von dieser Liste gestrichen wird, forderte die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) zwölf unterzeichnete DBA mit dem OECD-Informationsaustausch.

Seit Ende September 2009 sind diese Verträge unter Dach und Fach.

Als eines der wichtigsten Abkommen gilt jenes mit den USA, das am 23. September unterschrieben wurde.

Auch bei diesem werden wie bei allen andern abgeschlossenen DBA so genannte «Fishing Expeditions» zur Ausforschung von Beweisen ausgeschlossen.

So muss bei einem Amtshilfegesuch ein Anfangsverdacht, der Name des betroffenen Steuerpflichtigen und der Name der Bank mitgeliefert werden.

Die DBA müssen vom Parlament noch genehmigt werden.

Ursprünglich wollte Finanzminister Hans-Rudolf Merz lediglich das DBA mit Japan dem fakultativen Referendum unterstellen, also dem Volk zur Abstimmung vorzulegen.

Die meisten Parteien und auch die staatspolitischen Kommissionen der eidgenössischen Räte haben sich dafür ausgesprochen hatten, alle neuen DBA dem fakultativen Referendum zu unterstellen.

Deshalb will Merz nun dem Bundesrat beantragen, alle DBA dem Volk vorzulegen.

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