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Schweizer Tourismus: Besserung in Sicht

Peter Keller, Tourismus-Chef beim Staatssekretariat für Wirtschaft seco und Präsident des Tourismus-Komitees der OECD. hotel+tourismus revue

Der Schweizer Tourismus wird vom starken Franken und hohen Löhnen behindert. Trotzdem behauptet er sich gegen die internationale Konkurrenz.

Der Schweizer Peter Keller, Präsident des Tourismuskomitees der OECD, fasst die internationale Situation zusammen.

Politische Instabilität, Konflikte, Attentate, SARS und ein Konjunktureinbruch brachten die Tourismusindustrie in der letzten Zeit in Schwierigkeiten.

Die Schweiz gehört nicht zu jenen Ausnahmen, welche die Regel bestätigen: 2002 gaben die Gäste aus dem Ausland 445 Millionen Franken weniger aus als im Vorjahr. Dies zeigen die Anfang Juli vom Bundesamt für Statistik veröffentlichen jüngsten Zahlen.

Und Schweizerinnen und Schweizer gaben auch weniger aus für Ferien im Ausland. Dieses Geschäft ging um 251 Millionen auf 10,3 Milliarden Franken zurück. Noch sind kaum Zeichen einer Erholung auszumachen.

Peter Keller, Leiter der Dienststelle Tourismus im Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) und Präsident des Tourismuskomitees der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), fasst die Situation zusammen.

swissinfo: Wo steht die Tourismusbranche heute, nach den Attentaten vom 11. September, dem Krieg im Irak, der Lungenepidemie SARS und der weltweiten Abschwächung der Konjunktur?

Peter Keller: Der weltweite Tourismus bekam natürlich die Folge dieser ausserhalb der Industrie entstandenen Phänomene, die einen beträchtlichen Rückgang der Nachfrage zur Folge hatten, voll zu spüren.

Aber wie immer nach solchen Krisen steigt die Nachfrage nun auch wieder deutlich. Heute ist die Branche auf dem besten Weg, aus den Schwierigkeiten herauszufinden. Langsam zwar, aber es deutet alles auf eine baldige Besserung hin.

swissinfo: Hat die kritische internationale Situation zu einer Verhaltensänderung der Kundschaft geführt?

P.K.: Seit mehreren Monaten entwickelt sich der Inland- und der interregionale Tourismus verstärkt. Dieses Phänomen mildert die Auswirkungen des starken Rückgangs der interkontinentalen Kundschaft etwas.

swissinfo: Wie sieht es in der Schweiz aus, wo die Resultate in der Tourismusindustrie seit 2002 rückläufig sind?

P.K.: In der Schweiz sind die Rahmenbedingungen für die Branche nicht ideal. Da ist zunächst einmal der starke Franken, der einem Teil der potenziellen Kundschaft Ferien in unserem Land verunmöglicht.

Umso mehr, als das allgemeine Preis- und Lohnniveau in der Schweiz höher ist als in den meisten Nachbarländern. Das behindert die Wettbewerbsfähigkeit des Landes.

swissinfo: Kommt die dramatische Situation gewisser Schweizer Hoteliers nicht davon, dass sie in der Vergangenheit allzu leicht zu Bankkrediten gekommen sind?

P.K.: Sicher, vor einigen Jahren waren die Bedingungen sehr günstig. Aber aufgepasst, der Markt ist in der Schweiz sehr hart geworden, seine Mechanismen spielen heute voll und ganz.

Jede Woche schliessen ein paar Hotels. Ihre Zahl ist in zehn Jahren um fast 1000 gesunken. Es ist also ganz normal, dass überalterte Hotels verschwinden, wenn sie nicht mehr rentabel sind.

Andere Betriebe dagegen, die über ein wenig Eigenkapital verfügen und nicht überschuldet sind, haben nach wie vor Chancen auf Erfolg. Und diese brauchen die Unterstützung durch den Staat.

swissinfo: Können staatliche Massnahmen die schwierige Situation der Branche erleichtern?

P.K.: Der Staat kann kein Krisenmanagement betreiben, indem er Nothilfemassnahmen für die Tourismusindustrie vorschreibt. Er kann aber die Strukturen langfristig verändern.

Dieses Jahr hat das Parlament beschlossen, Struktur und Qualität des Schweizer Tourismusangebots zu verbessern. Es wurden Gelder freigegeben, mit denen wichtige Renovationen der Hotellerie subsidiär finanziert werden können.

Es wurde auch ein Innovations- und Kooperationsprogramm verabschiedet, mit dem unsere Strukturen den Anforderungen des Weltmarkts angepasst werden können. Und schliesslich haben wir eine Initiative zur Qualifikation des Personals lanciert.

swissinfo: Leidet die Schweizer Hotellerie nicht unter ihrer Konzentration auf das Hochpreissegment, auf Kosten der günstigeren Angebote?

P.K.: Nein, das ist etwas Gutes. Die Schweiz ist sehr stark im Hochpreissegment, und das ist nötig. Da die Preise in unserem Land hoch sind, sind wir ganz gut positioniert. Wir müssen mit unserer Qualität, unseren Leistungen glänzen, also mit Luxus.

Die Positionierung auf die mittlere Preisklasse ist nicht rentabel genug. Was hingegen rentiert, sind die günstigen Angebote. Hauptsächlich Jugendherbergen oder «Backpacker-Hotels», wo die jüngsten Zahlen ein Wachstum aufzeigen.

Allgemein hält die Schweizer Hotellerie dem internationalen Vergleich stand, auch wenn sie Schwierigkeiten hat.

swissinfo: Hat sich die immer wieder kritisierte Qualität der Dienstleistungen in der Schweiz in den letzten Jahren verbessert?

P.K.: Ich glaube nicht, dass man so allgemein sagen kann, die Gastfreundschaft in der Schweiz sei nicht gut. Es ist vor allem eine Frage des Managements, und das hängt von Fall zu Fall von jedem einzelnen Hotelier ab.

Auf jeden Fall zeigen die Erhebungen von Schweiz Tourismus, dass die Kundschaft zufrieden ist.

swissinfo: Worum geht es beim Tourismuskomitee der OECD?

P.K.: Es half nach dem Zweiten Weltkrieg den Tourismus zu liberalisieren, das heisst, die Handelshemmnisse beim Geld sowie die Zoll- und Polizeiformalitäten unter den verschiedenen Ländern abzubauen. Das wird heute in der WTO weitergeführt.

Es ist vor allem ein Forum, in dem die unterschiedlichen nationalen Tourismuspolitiken geprüft, verglichen und kritisiert werden können. Damit werden die Aufgaben der nationalen Behörden der OECD-Mitgliedsländer aus einem internationalen Blickwinkel gesehen.

swissinfo: Bedeutet die Tatsache, dass das Komitee von einem Schweizer präsidiert wird, dass unser Land international nach wie vor ein angesehenes Know-how im Tourismusbereich hat?

P.K.: Ich leite das Komitee seit langem, und ich denke, dass diese Aufgabe nicht einem Land, sondern vielmehr einer Person übertragen wurde. Man muss feststellen, dass die anderen Länder aufgeholt haben und heute mindestens so gut sind wie wir, wenn nicht besser.

swissinfo, Interview, Jean-Didier Revoin

2002 gaben die Gäste aus dem Ausland in der Schweiz 16,6 Milliarden Franken aus. Die Einkünfte sanken damit gegenüber 2001 um 3,5%.
Auch die Ausgaben von Schweizerinnen und Schweizern für Auslandreisen nahmen in diesem Zeitraum ab, um 2,4% auf 10,3 Milliarden Franken.
Der Saldo der Tourismusbilanz bleibt mit 1,9 Milliarden Franken positiv, ging aber gegenüber 2001 um 9,2% zurück.
Nach wie vor sind die Übernachtungen, welche fast 70% der touristischen Einnahmen ausmachen, die touristische Haupteinnahmequelle.

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