Schweizer Wirtschaft segelt stabil durch den Sturm
Zwar ist am Sonntag das Hilfspaket für Griechenland zu Stande gekommen. Doch der schwache Euro beunruhigt viele EU-Länder. Die Schweizer Wirtschaft hält sich gut, auch wenn der Franken stark ist. Die Schweiz profitiere mehr von der globalen Wirtschaft als andere Länder Europas, sagt Jan-Egbert Sturm.
Jan-Egbert Sturm, Leiter der Konjunkturforschungsstelle (KOF) in Zürich, sagt, dass die Euro-Käufe der Schweizerischen Nationalbank (SNB), die den Franken davor bewahrt zu stark zu werden, ebenfalls eine Rolle spiele.
Schweizer Exporteure haben sich darüber beschwert, dass der hohe Frankenkurs sie benachteilige. Doch allein zwischen Januar und April hat die SNB für 40 Mrd. Franken Euros gekauft.
Dennoch zeigen Zahlen, dass die Exporte im ersten Jahresquartal erheblich zugelegt haben.
Der Kurseinbruch des Euro, aber auch die Entscheidung der Ratingagentur Standard und Poor’s, die Kreditwürdigkeit Griechenlands, Portugals und Spaniens herunterzustufen, hat Märkte und Investoren nervös gemacht.
Vor diesem Hintergrund fiel der Euro-Wechselkurs für einige Tage auf einen Wert von 1.43 Franken.
swissinfo.ch: Gibt es ein Zeichen dafür, dass die Schweizerische Nationalbank selber auf dem Markt interveniert hat?
Jan-Egbert Sturm: Es wurde unaufhörlich wiederholt, dass sie eine rasche Aufwertung des Schweizer Frankens nicht erlauben würde. Angesichts der Situation bezüglich Griechenland gibt es klare Anzeichen darauf, dass die Schweizerische Nationalbank zurzeit aktiv ist.
Leider wissen wir das nicht wirklich, weil die Daten der Nationalbank immer mit einer Verspätung von einem Monat veröffentlicht werden. Es gibt monatliche Zahlen. So können wir nie genau herausfinden, ob sie aktiv war oder nicht.
swissinfo.ch: Sie sprechen von ‹aktiv›. Was kann die Nationalbank denn genau tun?
J-E.S.: Das Grundprinzip ist, dass sie Euros aufkauft und zusätzlich Schweizer Franken anbietet. Auf diese Weise übt sie einen Abwertungsdruck aus auf den Schweizer Franken.
swissinfo.ch: Wird die Abschwächung des Euro einen wesentlichen Einfluss haben auf Schweizer Exporte, insbesondere auf die Erholung der Wirtschaft?
J-E.S.: Was hier wichtiger ist, sind die wirtschaftlichen Bedingungen in Europa. Natürlich, wenn der Preis für Schweizer Güter infolge des hohen Frankenkurses steigt, wird es für den Handelssektor nicht nützlich sein.
Aber, wir müssen auch einsehen, dass der Schweizer Exportsektor vorwiegend Nischenprodukte herstellt, die sehr spezialisiert sind. Hier wissen wir, dass die Preiselastizität sehr tief ist. Das heisst, wenn es zu einem Aufwärtsdruck auf den Schweizer Franken kommt, hätte dies nicht sofort eine bedeutende Auswirkung auf die Nachfrage nach Schweizer Produkten.
Gravierender wäre, wenn Europa in eine Rezession oder eine Phase der Stagnation fallen würde. Durch die fehlende Nachfrage wäre der Schweizer Exportsektor verletzt. Das ist dann wahrscheinlich bedenklicher als die Aufwertung des Devisenkurses.
swissinfo.ch: Inwiefern ist Ihrer Meinung nach der Schweizer Franken noch ein sicherer Hafen, vor allem in Bezug auf die europäischen Währungen?
J-E.S.: Wir sind diesbezüglich nie ganz sicher. Aber der Hauptgrund für den derzeitigen Aufwärtsdruck auf den Schweizer Franken sind wahrscheinlich die Probleme, welche Griechenland umgeben. In diesem Sinne hat der Franken die Funktion eines «sicheren Hafens».
Die Menschen sind unsicher darüber, welche Auswirkung diese Probleme auf den Euro haben werden. Deshalb lassen sie den Euro und wechseln zu anderen Währungen, unter anderem eben zum Schweizer Franken.
swissinfo.ch: Es gab starke Angriffe auf die Schweiz wegen ihrem Steuersystem und ihrem Bankgeheimnis. Trotzdem legen die Menschen ihr Geld immer noch gerne hier an?
J-E.S.: Ja. Die Schweizer Wirtschaft hat einen grossen Finanzsektor. Während einer langen Zeit haben wir uns einen guten Ruf erarbeitet. Aber nun geben die Probleme mit den Steuern und dem Bankgeheimnis dem Schweizer Finanzsektor eine negative Färbung.
Auf der anderen Seite, wie wir zurzeit sehen können, ist das Herzstück der Schweizer Wirtschaft immer noch am Leben.
swissinfo.ch: Inwiefern wehrt die Schweiz den momentanen Sturm besser ab als andere Länder?
J-E.S.: Die Schweiz funktioniert tatsächlich besser als viele andere Länder innerhalb Europas. Einer der Gründe ist, dass wir sehr profitieren vom derzeitigen Aufschwung in Asien und allgemein in aufkommenden Märkten.
Die Schweiz exportiert eine relativ hohe Menge, zumindest im Vergleich mit anderen europäischen Ländern. In diesem Sinne profitieren wir wenigstens etwas mehr von der Weltwirtschaft als [andere] europäische Länder.
Zum Teil liegt das an unserer Struktur. Wenn Sie zum Beispiel die Uhrenindustrie betrachten, dann zeichnet sich dort ein beträchtliches Wachstum in der Exportrate ab. Die Uhren wurden nicht so stark in europäische Länder exportiert, sondern gehen nach Asien, also in Regionen, wo es zurzeit hohe Wachstumsraten gibt. Die Menschen profitieren dort in einem solchen Ausmass, dass sie wieder nach Luxusprodukten verlangen.
Robert Brookes, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Sandra Grizelj)
Griechenland hat sich mit der EU und dem IWF am Sonntag auf ein Hilfspaket geeinigt.
Doch hat das Land viel Geld verschwendet, was zur Schuldenkrise geführt hat.
Zum Beispiel erhalten unverheiratete oder geschiedene Töchter von Beschäftigten des
öffentlichen Dienstes nach dem Tod ihrer Eltern deren
Pension.
Etwa 40’000 Frauen profitieren von dieser Regelung, die jährlich etwa 550 Mio. Euro kostet.
Staatsbedienstete geniessen nicht nur Kündigungsschutz, sondern können auch schon vor Erreichen des 50. Lebensjahres in den Ruhestand gehen.
Staatsbedienstete können durch diverse Boni bis zu 1300 Euro pro Monat hinzuverdienen.
Extrageld gibt es beispielsweise für die
Nutzung eines Computers, das Beherrschen einer Fremdsprache oder das
pünktliche Erscheinen am Arbeitsplatz.
Die Privatisierung von Olympic Airways wurde jahrelang verhindert. Aber die Angestellten und ihre Familien können kostenlos um die Welt fliegen.
Am 27. April hat die Ratingagentur Standard and Poor’s (S&P) die Kreditwürdigkeit Griechenlands und Portugals heruntergestuft.
S&P hat auch Spaniens Bewertung am Donnerstag nach unten korrigiert, ein Indiz dafür, dass sich die europäische Defizitkrise ausdehnt.
Weil Spanien eine deutlich grössere Volkswirtschaft ist als Griechenland und Portugal, könnte laut Analysten eine Verschlechterung seiner Kreditwürdigkeit in der Eurozone grösseren Schaden anrichten.
S&P sagte allerdings, dass Spaniens tieferes Rating in keiner Art und Weise in Frage stellt, dass das Land seine Schuldenauflagen einhalten könnte.
Seit Herbst 2008 sind die Export- und Importzahlen gestiegen.
Die Exporte haben merklich zugenommen, trotz des starken Frankens. Die Uhren und die metallurgische Industrie haben über einen Drittel mehr exportiert.
Die Aussenhandelsbilanz weist einen Überschuss von 5.7 Milliarden aus.
Die Nachfrage nach Schweizer Exporten nahm auf allen Kontinenten zu. Den grössten Zuwachs verzeichnen Länder aus Ozeanien und Asien.
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