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Sechs Wochen Ferien für alle

Die Schweizer Arbeitnehmenden sollen mehr Ferien haben. swissinfo.ch

Berufs- und Familienleben besser in Einklang bringen: Das will die Gewerkschaft Travail.Suisse mit der Lancierung der Volksinitiative für 6 Wochen Ferien für alle Arbeitnehmenden.

Der Schweizerische Arbeitgeberverband hält die Initiative für unnötig. Die meisten Unternehmen gewährten ihren Angestellten schon heute mehr Ferien als die gesetzlich vorgesehenen vier Wochen.

Jetzt, da die Wirtschaft auf Hochtouren laufe, sei es dringend nötig, die hohe Belastung am Arbeitsplatz auszugleichen sowie in Gesundheit, Erholung und Freizeit zu investieren.

Dies sagte Travail.Suisse-Präsident Hugo Fasel, Nationalrat der Christlich-sozialen Partei (CSP), am Donnerstag vor den Medien in Bern.

Mit der Volksinitiative «6 Wochen Ferien für alle» wollten die Arbeitnehmerverbände erreichen, dass ein Teil der Produktivitäts-Steigerungen in Form von mehr Freizeit an die Arbeitnehmenden weitergegeben wird.

Die Schweiz habe heute die höchsten Jahresarbeitszeiten von allen Nachbarländern und entsprechend weniger Ferien, sagte Kurt Regotz, Präsident der Gewerkschaft Syna.

Volkswirtschaftlich und gesellschaftspolitisch sinnvoll

Mehr Ferien sind nach Einschätzung von Travail.Suisse volkswirtschaftlich und gesellschaftspolitisch sinnvoll. Die zunehmende Belastung führe zu Fehlzeiten, Krankheitsabwesenheiten und damit auch Produktionsausfällen, sagte Susanne Blank, Leiterin Wirtschaftspolitik beim Arbeitnehmerdachverband.

Von geschätzten Stress-Kosten von vier Milliarden Franken jährlich war die Rede. Für Travail.Suisse ist dabei klar, dass eine Woche mehr Ferien einen nachhaltigeren Erholungseffekt bringt, als die Reduktion der täglichen Arbeitszeit um ein paar Minuten.

Qualität wichtiger als Quantität

Für den Arbeitspsychologen Theo Wehner von der Eidg. Technischen Hochschule (ETH) Zürich sind Ferien ein wichtiges Mittel zum Ausruhen von der Arbeit. «Aber ob es dazu sechs Wochen braucht, ist eine andere Frage.»

Empirisch sei es nicht offenkundig, denn nicht alle Länder hätten sechs Wochen. «Mehr Ferien gibt es eher in Ländern mit starken Gewerkschaften», sagt er gegenüber swissinfo.

Nach Ansicht von Wehner sollte man eher die Frage der Qualität der Arbeitsunterbrüche statt die Quantität in den Mittelpunkt stellen. «In der Schweiz gilt die Praxis der 9-Uhr- und der 16-Uhr-Pause. Aber wer befolgt dies wirklich? Die Leute holen sich einen Kaffee und arbeiten weiter.»

Die Schweiz könnte viel von anderen Ländern lernen, sagt Wehner. «Wie zum Beispiel von Spanien, wo Arbeitsunterbrüche wie Siestas und längere Essenspausen die Norm sind.»

Keine Aushebelung der Sozialpartnerschaft

Die Forderung der Initiative entspricht laut den Gewerkschaften im Vergleich zum gegenwärtigen Durchschnitt einer zusätzlichen Ferienwoche pro Jahr.

Mit der Initiative solle nun nicht die Sozialpartnerschaft ausgehebelt werden, sondern jene Unternehmen an die «Benchmark» der ausgehandelten Ferienregelungen herangeholt werden, die nicht mitmachten, sagte Fasel.

Als Beispiel brachte er den Detailhandel, wo Migros und Coop zwischen fünf und sieben Wochen Ferien gewährten, während neue Unternehmen im Schweizer Markt wie Aldi sich mit vier Wochen einen Wettbewerbsvorteil verschafften.

Die Kosten einer zusätzlichen Ferienwoche wurden nicht genau beziffert. Die Initianten zählen vor allem auf eine weitere Steigerung der Produktivität dank erholter und zufriedener Mitarbeiter.

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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Arbeitgeber dagegen

Der Schweizerische Arbeitgeberverband hält die Forderung von Travail.Suisse für unnötig und überrissen. Schon heute erhielten viele Arbeitnehmende mehr Ferien als das gesetzliche Minimum von vier Wochen, sagte Verbandsdirektor Thomas Daum.

Eine Ausweitung würde in einigen Branchen zu mehr Arbeitskosten führen, was wiederum erhebliche Opfer auf der Beschäftigungsseite zur Folge hätte.

Daum zeigte sich zudem überzeugt, dass eine solche Regelung dem Standort Schweiz nicht dienlich wäre. Er hielt ausserdem fest, dass die Schweiz bezüglich Ferien im Vergleich mit angelsächsischen oder asiatischen Ländern gut drin liege, namenlich angesichts der zusätzlichen bezahlten Freitage.

Dass die Schweiz zu den Ländern mit den höchsten Jahresarbeitszeiten gehöre, sei der Preis für den Wohlstand. Dieser lasse sich in der Schweiz eben nicht mit natürlichen Ressourcen finanzieren, sondern nur mit Kopf und Hand.

Auch der Schweizerische Gewerbeverband ist gegen die Initiative. Der Verband sei überzeugt, dass das Anliegen auch künftig über die sozialen Partnerschaften erledigt werden könne, sagte Kommunikationschef Patrick Lucca.

swissinfo und Agenturen

Weltweit bezahlte Ferientage:
Frankreich: 31
Deutschland: 29
Italien: 26
EU-Durchschnitt: 25
Schweiz: 25
Finnland: 23
Grossbritannien: 22
Japan: 18
USA: 12

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