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Seilziehen um «Too big to fail»-Banken-Problematik

"Too big to fail"-Problematik: Die Auseinandersetzungen gehen weiter. Keystone

Die Expertenkommission des Bundesrates zur Banken-Problematik hat bisher nur den Rahmen abgesteckt für Massnahmen. Der Kommissionspräsident warnt vor Auseinandersetzungen bei der Konkretisierung. Linke und Wirtschaft sind sich uneinig über das Tempo.

Dem Rahmen hätten die Bankenvertreter in der Kommission zugestimmt, wenn auch «zähneknirschend», sagte Kommissionspräsident Peter Siegenthaler am Donnerstag vor den Medien bei der Präsentation des Zwischenberichts. «Auch für sie ist klar, dass wir ein Problem haben.»

Bei der Lösung muss die Schweiz nach Ansicht der Kommission die internationale Entwicklung berücksichtigen. Die Schweizer Massnahmen könnten aber wenn nötig «substanziell» über internationale Standards hinaus gehen, sagte Siegenthaler. Die Situation in der Schweiz sei speziell. Eine Insolvenz einer Grossbank hätte schwerwiegende Auswirkungen auf das Land.

Die steuerlichen Massnahmen, die auf internationaler Ebene diskutiert werden, sind nach Ansicht der Expertenkommission nicht geeignet, um das «Too big to fail»-Problem zu lösen. Sinnvoller seien strengere Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen.

Entwurf für revidiertes Bankengesetz

Eindeutig «too big to fail» sind laut der Kommission die UBS und die Credit Suisse. In ihrer aktuellen Grösse und Aufstellung erfüllten sie die Kriterien klar, sagte Thomas Jordan von der Nationalbank an der Medienkonferenz.

Die Kommission hat einen Vorschlag für Anpassungen des Bankengesetzes ausgearbeitet. Das Gesetz würde den Behörden die Kompetenz geben, an systemrelevante Banken besondere Anforderungen zu stellen, vorab bezüglich Eigenmittel und Organisationsstruktur.

Der Umfang und die Ausgestaltung der Anforderung soll sich nach Ansicht der Kommission danach richten, wie systemrelevant die Bank ist. Es werde auch mit den vorgeschlagenen Massnahmen nicht möglich sein, jede Krise zu verhindern, betonte Siegenthaler. «Der Preis dafür wäre so exorbitant hoch, dass er nicht zu bezahlen wäre.

Schlussbericht im Herbst

Den Schlussbericht mit umfassenden Analysen und Empfehlungen legt die Expertenkommission im Herbst 2010 vor. Der Bundesrat hatte im November beschlossen, die Kommission einzusetzen.

Präsidiert wird sie von Peter Siegenthaler, dem ehemaligen Direktor der Finanzverwaltung. Weiter gehören ihr der Direktor der Finanzmarktaufsicht, Patrick Raaflaub, economiesuisse-Präsident Gerold Bührer und Thomas Jordan vom Direktorium der Nationalbank an. Auch die Grossbanken UBS und Credit Suisse sind vertreten.

SP will rasche Umsetzung

Dem Zwischenbericht der Expertenkommission können alle Seiten etwas Positives abgewinnen.

Die Sozialdemokratische Partei (SP) sieht sich in ihren Forderungen bestätigt und nimmt in einem Communiqué «zufrieden zur Kenntnis, dass auch die vom Bundesrat eingesetzte Expertenkommission den Schweizer Grossbanken stärkere Auflagen machen will».

Nun fordert die SP eine rasche Umsetzung der verschärften Anforderungen an Eigenmittel und Liquidität. Sie erwartet vom Bundesrat, dass notwendige Gesetzesgrundlagen in Bundesbeschluss zum Staatsvertrag mit den USA aufgenommen werden.

Ebenso soll die Gewinnbesteuerung in der Höhe von 8,5% auf Boni von über einer Million Franken mit einbezogen werden. Einmal mehr warnt die SP, dass sie ihre Zustimmung zum Staatsvertrag mit den USA von diesen Auflagen abhängig macht.

Wirtschaft will Schlussbericht abwarten

Der Wirtschaftsdachverband economiesuisse hingegen will das Tempo zurücknehmen und den Schlussbericht der Kommission abwarten, bevor der Gesetzgebungsprozess in Gang gesetzt wird.

Die Credit Suisse – sie ist wie die UBS in der Kommission vertreten – fordert «international abgestimmte» Massnahmen, ohne «übermässige Belastungen für den Finanz- und Werkplatz» zu verursachen. Die CS begrüsst auch, dass die Expertengruppe «eine Aufspaltung der Grossbanken, direkte Grössenbeschränkungen oder Eingriffe in das Geschäftsmodell» verworfen hat.

Enttäuschter Gewerkschaftsbund

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) zeigt sich enttäuscht über den Zwischenbericht. SGB-Chefökonom Daniel Lampart warnte davor, dass die Zeit davon laufe.

Er kritisierte zudem, dass sich die Kommission nur auf die Grossbanken-Frage konzentriert habe. Dies sei nur ein Aspekt des Problems. «Ausgeklammert bleibt die Systemfrage, insbesondere die über den Umgang mit hochriskanten Finanzderivaten», sagte er.

Um den Forderungen nach einer besseren Finanzmarkt-Regulierung Nachdruck zu verleihen, bleibe einzig die Drohung, die Ratifizierung des UBS-Amtshilfeabkommen im Parlament abzulehnen. Ob und inwiefern dies von linker Seite nur eine Drohgebärde ist, liess er offen.

Die Gewerkschaften fordern, dass die Banken ihre Eigenmittel deutlich aufstocken müssen. Statt wie heute 3 bis 4% sollen sie Eigenkapital in der Höhe von 10% der Bilanzsumme halten.

swissinfo.ch und Agenturen

Massnahmen zur Lösung der «Too big to fail»-Problematik lägen nicht nur im Interesse der Demokratie und der Volkswirtschaft, sondern auch im Interesse des Grossteils der Angestellten des Finanzsektors.

Die Bonuspolitik werde in ihrer Masslosigkeit von den Angestellten nicht verstanden, sagte Denise Chervet, die Zentralsekretärin des Schweizerischen Bankpersonalverbandes (SBPV).

Während sich die Führungskräfte über dieses Lohnsystem Vorteile verschafften, würden die Boni bei den kleinen Angestellten als Druckmittel genutzt, um sie zu immer grösseren Leistungen anzutreiben.

Um dem entgegenzutreten, plädiert Chervet für mehr Sozialpartnerschaft. Der Sozialdialog habe eine bremsende Wirkung auf die Lohnexzesse, wie Länder mit einer starken Gewerkschaftskultur – auch im Banksektor – zeigten. In der Schweiz würden die Bankpersonalvertreter jedoch ignoriert, selbst von der Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma.

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