Serono kauft sich mit 910 Mio. Franken frei
Der Genfer Biotechnologiekonzern Serono bekennt sich in den USA im Promotions-Fall des Wachstumshormons und Aids-Medikaments Serostim schuldig.
Neben Busse und Schadenersatz wird die Firma für 5 Jahre von den staatlichen Gesundheits-Programmen der USA ausgeschlossen.
Der Schweizer Pharmakonzern Serono kauft sich mit 704 Mio. Dollar (910 Mio. Franken) von Betrugsvorwürfen in den USA frei. Ein entsprechender Vergleich sei abgeschlossen worden, bestätigten Vertreter der US-Regierung und des Unternehmens am Montag in Washington.
Von den 910 Mio. Franken gehen 177 Mio. Franken als Busse an die US-Justiz und 733 Mio. Franken werden zur Befriedigung der zivilrechtlichen Forderungen aufgewendet.
Fünfjähriger Ausschluss
Entschädigt wird vor allem die staatliche US-Versicherung Medicaid, die nach Überzeugung der Ermittler auf Grund der illegalen Aktivitäten von Serono zwischen 1996 und 2004 zu viel Geld zahlen musste.
Die Kosten trägt der Konzern zusammen mit seinen Tochtergesellschaften in den USA. Unangenehm dürfte für Serono auch der mindestens fünfjährige Ausschluss aus den staatlichen Gesundheitsprogrammen sein.
Das US-Justiz-Ministerium bezeichnete die Regelung als «drittgrösste Rückerstattung für Betrug im öffentlichen Gesundheitswesen». Justizminister Alberto Gonzales warf dem Konzern vor, seinen Absatz «über das Interesse der Patienten» gestellt zu haben.
Zwielichtige Machenschaften
Das 1996 in den USA zugelassene Wachstumshormon Serostim wurde bei Aids-Patienten zur Bekämpfung von Auszehrung eingesetzt. Im Zuge neuer Aids-Medikamente wurde das Präparat Ende der 1990-er Jahre aber zusehends überflüssig.
Um die Verkäufe wieder anzukurbeln, soll Serono zu betrügerischen Praktiken Zuflucht genommen haben. Die US-Justiz wirft dem Unternehmen unter anderem vor, mit Hilfe eines nicht zugelassenen medizinischen Apparats zur Messung der Körpermasse den Absatz des Mittels angekurbelt zu haben.
Weiter hätten hochrangige Serono-Manager in den USA Ärzte bestochen, damit diese Aids-Patienten das Serono-Medikament Serostim verschreiben sollten.
Eine zwölfwöchige Behandlung mit Serostim kommt auf rund 27’000 Franken (21’000 Dollar) zu stehen. Geködert wurden die Ärzte gemäss Anklage mit Luxusreisen zu einer Konferenz in Cannes.
Im Dezember 2004 wurde ein früherer Serono-Manager in den USA verurteilt. In mehreren Bundesstaaten waren Ermittlungen im Gange.
Rückstellungen
Serono hatte für den Fall bereits eine Rückstellung von 725 Mio. Dollar gebildet. Der Konzern ging davon aus, dass die Rückstellung noch in diesem Jahr vollständig gebraucht wird.
Wegen eben dieser Rückstellung hatte Serono im ersten Halbjahr 2005 einen Verlust von 392,6 Mio. Dollar ausgewiesen.
Bessere interne Richtlinien
Die Behörden in den USA untersuchen derzeit die Preisgestaltung und die Verkaufspraktiken in der Pharmaindustrie. Unter anderem geht es dabei um Kostenerstattungen für Medikamente, und es soll geklärt werden, ob dabei Betrug im Spiel sei. Im Fokus der Ermittlungen stehen auch Verkaufsförderung, Vermarktung und Markteinführung der Produkte.
Serono erzielt fast 50% seines Umsatzes in den USA. Auf die derzeit eingeführten strikteren Gesetzen für Unternehmen reagierte Serono bereits mit besseren internen Richtlinien («Compliance»).
swissinfo und Agenturen
Serono, Inc. in Rockland (Massachusetts, USA) ist die Serono-Filiale in den Vereinigten Staaten.
Der Serono-Hauptsitz ist in Genf.
2004 betrug der Serono-Umsatz 2,46 Mrd. Dollar, der Reingewinn belief sich auf 494 Mio. Dollar.
Die Firma beschäftigt weltweit 4900 Personen.
Serono ist nach eigenen Angaben die drittgrösste Biotechnologiefirma der Welt.
Die Inhaberaktien der Serono AG, der Holdinggesellschaft, werden bei der virt- x (SEO) und bei der New York Stock Exchange (SRA) gehandelt.
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