So viel Macht haben die USA über den Schweizer Finanzplatz
Im Januar 2012 musste Konrad Hummler, Teilhaber der Privatbank Wegelin, seine Bank über Nacht verkaufen, weil ihm in den USA eine Anklage drohte. Rückblick auf eine Geschichte, die weit mehr ist als das Ende einer Privatbank.
Am Schluss musste es ganz schnell gehen: Die Wegelin-Spitze rund um Konrad Hummler verkaufte im Januar 2012 innerhalb von nur drei Wochen einen Grossteil der Wegelin-Bank an die Raiffeisen.
Übrig blieb nur noch das Geschäft mit den amerikanischen Kunden, quasi eine «Bad Bank». Es war ein Not-Verkauf auf Druck der USA – und ist noch heute ein Beispiel dafür, wie viel Macht die Vereinigten Staaten im Finanzbereich haben.
Die Geschichte beginnt aber nicht bei Wegelin, sondern bei der UBS. Die rückte nach der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 in den Fokus der US-Behörden.
Beihilfe zur Steuerhinterziehung wurde der Grossbank vorgeworfen. Die UBS hätte amerikanischen Kund:innen geholfen, ihre Gelder vor dem amerikanischen Fiskus zu verstecken.
Damals war das in der Schweiz legal. Es galt das Bankkundengeheimnis: Das besagt, dass eine Bank keine Bankkund:innendaten rausrücken darf – auch nicht an einen Staat.
Doch genau das wollten die USA: Die Namen von mehreren Tausend mutmasslichen Steuersünder:innen.
Der Bundesrat erlässt Notrecht
Für die UBS ein Dilemma: Nach Schweizer Recht durfte sie die Namen nicht liefern. Doch eine US-Strafanklage – damit drohten die USA im Falle einer Nicht-Lieferung – hätte die Bank in den Abgrund gestürzt.
Der Grund sind amerikanische Gesetze, die Gegenparteien und Kund:innen erlauben, Geschäftsbeziehungen mit einer Bank zu kündigen, wenn diese angeklagt wird.
Aus diesem Grund zwang die Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) die UBS 2009 dazu, die Namen von rund 250 Kund:innen an die USA zu liefern – trotz Bankkundengeheimnis. Es war der erste Schritt zur Abschaffung des Schweizer Bankgeheimnisses gegenüber dem Ausland.
Erst dann kam auch die Bank Wegelin unter Druck der US-Behörden. Das darum, weil Wegelin amerikanische Kund:innen der UBS übernommen hatte – und zwar im Wissen darum, dass diese ihr Geld wohl nur darum in der Schweiz hatten, weil sie es gegenüber den US-Steuerbehörden versteckt hielten.
Die Raiffeisen übernimmt Wegelin
So drohte nach der UBS auch der Wegelin eine Strafanklage in den USA – und damit das Aus. Als im Januar 2012 die Klage-Voranzeige der USA im Briefkasten der Weglin landete, wussten die Bank-Spitze: Jetzt haben wir noch drei Wochen, um die Bank zu retten.
In den USA bekommen angeklagte Firmen üblicherweise eine dreiwöchige Frist zwischen Vor-Anzeige einer Anklage und effektiver Anklage.
Rund 150 Leute arbeiteten während dieser Zeit am Not-Verkauf der Wegelin, erzählt Hummler im neuen Geldcast von swissinfo.ch.
Hören Sie das ganze Gespräch hier:
Und das unter strengster Geheimhaltung. Wenige Tage vor der effektiven Anklage in den USA dann die Erlösung: Die Wegelin konnte ihr Bankgeschäft an die Raiffeisen verkaufen.
Übrig blieb nur das US-Geschäft, eine «Bad Bank» quasi. Nur diese «Bad Bank» ging später unter.
Die USA spielen ihre Macht aus
Heute wissen wir: Das Ende von Wegelin war viel mehr als nur eine Firmengeschichte. Er zeigt, wie viel Macht die Vereinigten Staaten über den Schweizer Finanzplatz haben. Wenn die US-Behörden wollen, verfügen Schweizer Behörden schon mal die Lieferung von Bankkundendaten – wie bei der UBS.
Und sie können Schweizer Banken zu Fall bringen, obwohl sich diese an die Schweizer Gesetze gehalten haben – wie bei der Wegelin.
Der amerikanische Druck führte aber auch zu einem politischen Umdenken: Heute gibt es das Bankkundengeheimnis gegenüber dem Ausland nicht mehr.
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