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Spitalkosten: Kantone sollen zahlen

Kantone sollen sich an den Spitalkosten von privat und halbprivat Versicherten beteiligen. Keystone

Die Kantone sollen sich an den Spitalkosten von Zusatzversicherten beteiligen. Ein dringliches Bundesgesetz will dies schrittweise einführen.

Die Krankenkasse Assura hat dagegen das Referendum ergriffen. Sie will eine sofortige volle Beteiligung. Der Entscheid fällt am 9. Februar.

In der Schweiz sind rund 1,5 Millionen Menschen bei einer Krankenversicherung über die obligatorische Basisversicherung hinaus zusatzversichert. Im Falle eines Spitalaufenthaltes werden sie deshalb in der teureren Privaten oder Halbprivaten Abteilung behandelt.

Das Krankenversicherungsgesetz (KVG) von 1996 schreibt vor, dass die Kantone nicht nur einen Teil der Leistungen der Grundversicherung bezahlen, sondern sich auch zu 50% an den Kosten der Spitalbehandlung der zusatzversicherten Personen beteiligen. Dies entspräche einem Betrag von jährlich rund 700 Millionen Franken.

Kantone drücken sich

Doch die Kantone sind dieser Forderung nicht nachgekommen. Dies wollten sich die Versicherungen nicht gefallen lassen: Sie gingen 1997 vors Versicherungsgericht, welches ihnen Recht gab. Aber die Kantone wollten auch nach dem Urteil nicht zahlen. Es folgte ein jahrelanger Streit.

Um eine Lösung zu finden, erarbeitete das Parlament ein dringliches Bundesgesetz, das einem Kompromiss entspricht: Die Kantone bezahlen – aber erst rückwirkend ab 2002 – abgestuft zuerst 60%, dann 80% (2003) und schliesslich 100% (2004) des geforderten Betrages an die Kassen.

Ab 2004 würden die Kantone die Leistungen der Zusatzversicherung jährlich mit 500 Millionen Franken mitfinanzieren. Dieser Kompromiss wurde im Parlament ohne Gegenstimme angenommen. «Wir brauchen jetzt klare Verhältnisse», bringt es Trix Heberlein, Nationalrätin der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) auf den Punkt.

Auch der Dachverband der Schweizer Krankenversicherer, die santésuisse, stellte sich hinter diesen Kompromiss. Es gehe darum, gemeinsam mit Bund und Kantonen zur Lösung der anstehenden Probleme beizutragen.

Assura ergreift Referendum

Doch der Versicherung Assura ging dieser Vorschlag nicht weit genug. Sie fordert die Bezahlung des ganzen Betrags. Das Bundesgesetz ermögliche den Kantonen, sich ihrer vollen finanziellen Verantwortung zu entziehen, so die Kritik.

Die Krankenkasse ergriff daher das Referendum dagegen; die Vorlage kommt damit am 9. Februar 2003 zur Abstimmung.

«Die Assura möchte mit dem Referendum erreichen, dass alle Versicherten zu gleichen Teilen Anspruch auf finanzielle Beteiligung des Kantons an den Spitalkosten haben», sagt Gerd Jungi, Agenturleiter der Assura, gegenüber swissinfo.

Die Assura sei für eine rasche Lösung: «Wir stellen uns einzig dagegen, dass sich die Kantone auf Kosten der Prämienzahler während dieser zwei Jahre 700 bis 900 Millionen Franken sparen möchten.»

Prämienrelevanter Entscheid

Diese Forderung sei unrealistisch, kontert Heberlein. Die kantonalen Budgets seien bereits verabschiedet, viele Kantone könnten diese zusätzliche Belastung nicht tragen. «Wir müssen das staffeln, und können es nicht von einem Jahr auf das andere zu 100 Prozent umsetzen.»

Doch die Assura beharrt auf einer Zahlung des ganzen Betrages. Gerd Jungi: «Wenn die Kantone ihre Verpflichtung wahrnehmen und die 100 Prozent ausbezahlen, kann davon ausgegangen werden, dass die Prämien im Zusatzversicherungsbereich gar nicht angehoben werden müssen oder gar gesenkt werden können.»

Zudem sei das Gerichtsurteil ja schon lange bekannt – die Kantone hätten entsprechend planen können.

Dass sich die Kantone gedrückt haben, gibt Trix Heberlein zu: «Theoretisch hätten die Kantone die Beiträge seit der Inkraftsetzung des Krankenversicherungs-Gesetzes zahlen müssen. Da sparen sie sich etwas zu Lasten der Krankenkassen.»

Klare Lösung gefordert

Doch Heberlein will jetzt, zusammen mit dem gesamten Parlament, nach vorne blicken: «Wir wollen jetzt eine klare Lösung, dass die Kantone wissen, was nun für sie gilt», erklärt sie.

Denn falls die Vorlage in der Volksabstimmung Schiffbruch erleide, könnten wieder «jahrelang neue Streitigkeiten, neue Gerichtsentscheide auf dem Buckel der zusatzversicherten Patienten ausgetragen werden».

Genau das befürchtet Gerd Jungi hingegen bei einer Annahme des Gesetzes: «Wenn das dringliche Bundesgesetz angenommen wird, werden wir weitere Rechtsstreitigkeiten haben.»

Und er warnt: «Vermutlich werden sich noch weniger Personen eine Zusatzversicherung leisten können. Wir werden mit Prämienerhöhungen rechnen müssen.»

Bei der Vorlage handelt es sich um ein neues Gesetz, respektive ein Referendum dagegen. Daher ist am 9. Februar 2003 nur die Anzahl der Stimmen ausschlaggebend.

swissinfo, Christian Raaflaub

Die Kantone hätten sich seit 1996 an den Spitalkosten von Zusatzversicherten beteiligen sollen. Doch bisher haben sie sich trotz eines Gerichtsentscheides davor gedrückt.

Ein dringliches Bundesgesetz will diese Beteiligung von jährlich 500 Mio. Franken nun schrittweise einführen.

Beide Parlamentskammern unterstützen das Gesetz einstimmig.

Die Krankenkasse Assura hat gegen diesen Kompromiss das Referendum ergriffen. Sie fordert eine sofortige, hundertprozentige Beteiligung der Kantone.

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