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Spitzen-Bordeaux setzen auf Schweizer Forschung

Chateau Margaux - eines der grossen Bordeaux-Schlösser mit weltweiter Ausstrahlung. AFP

Die neun höchst-klassierten Bordeaux-Schlösser beteiligen sich an einem Projekt der Forschungsanstalt Changins-Wädenswil. Ziel ist es, Pilzkrankheiten im Rebbau möglichst optimal und umweltverträglich zu bekämpfen.

Winzer fürchten Mehltau, Fäulnis und andere Pilzkrankheiten. Ohne Pflanzenschutzmittel kann es zu erheblichen quantitativen und qualitativen Ertragseinbussen kommen.

So führte beim Jahrgang 2008 der falsche Mehltau in Südeuropa trotz dem Einsatz von Fungiziden zu einer geschätzten Ernteeinbusse von 30%.

Im traditionellen Weinbau werden gegen die drohenden Pilzerkrankungen Pestizide eingesetzt. Der biologische Rebbau arbeitet mit Kupfer. Beide Lösungen haben ihre jeweiligen Probleme.

In den meisten Weinbaugebieten der Schweiz gelten die Regeln der Integrierten Produktion (IP), was heisst, dass so wenig Chemie wie möglich eingesetzt wird.

«Dennoch kann man mit ansehen, wie sich seit einigen Jahren Konsumentenschaft und Politik der potentiellen Auswirkungen von Pestiziden auf Umwelt und Gesundheit bewusst werden», schreibt die eidgenössische Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil (ACW) in einer Medienmitteilung.

Bio: Problem Kupfer

Der biologische Rebbau verzichtet auf Chemie und setzt ausschliesslich natürliche Produkte ein. Er kommt jedoch auch nicht ohne Pflanzenschutzmittel aus, deren Auswirkungen auf die Umwelt problematisch sind.

So werden grosse Mengen an Kupfer und Schwefel eingesetzt. Da Kupfer nicht abbaubar ist, setzt er sich im Boden fest, was langfristig zu Umweltschäden führt. Alternativprodukte sind laut AWC bei starkem Befall an Schaderregern nicht wirksam genug.

Seit längerer Zeit forscht die AWC deshalb nach Alternativlösungen. Konkret versucht das Team Mykologie der Forschungsanstalt, Pflanzenextrakte zu finden, die gleichzeitig die natürlichen Abwehrkräfte der Reben stimulieren und eine fungizide Wirkung haben.

Dabei seien «bereits vielversprechende Resultate mit Pflanzenextrakten erzielt» worden. Doch sei bisher die Wirkungsweise dieser Extrakte weder beschrieben, noch wissenschaftlich erforscht worden.

Prominente Beteiligung

Auch die Bordeaux-Produzenten suchen nach Lösungen, um den Einsatz von Pestiziden zu verringern. «Wir machen auch Versuche mit biologischem Weinbau, aber diese verlaufen nicht zu unserer vollständigen Zufriedenheit. Gleichzeitig fehlen uns die Alternativen», sagt Marie Descotis, Forschungsleiterin auf Château Margaux.

Deshalb hat sich der Verband der neun «Premiers Grands Crus», also der am höchsten klassifizierten Bordeaux-Schlösser, entschlossen, sich an den Forschungsarbeiten der Agroscope mit 200’000 Franken finanziell zu beteiligen.

Faulbaum, Rhabarber, Johanniskraut

Konkret unterstütze der Verband eine Nachdoktorats-Arbeit an der AWC und bezahle das für die Nachforschungen benötigte Material, erklärt die Leiterin des Teams Mykologie, Katia Gindro.

Das Team verfügt über ein Budget von 50’000 Franken jährlich. «Das zusätzliche Geld erlaubt uns, in unserer Forschung viel weiter zu gehen», sagt Gindro. «Zudem erlaubt es uns, die Resultate den schweizerischen Rebbau-Verbänden zugänglich zu machen.»

Gindo arbeitet mit zwei verschiedenen Gruppen von Kulturpflanzen, die in den mitteleuropäischen Breitengraden heimisch sind. Arten wie der Faulbaum, der Rhabarber oder das Johanniskraut enthalten Moleküle, die im Stande sind, die natürlichen Abwehrkräfte der Reben zu stimulieren. Die andere Gruppe hat fungizide Fähigkeiten.

«Wir arbeiten mit Pflanzenextrakten, mit denen wir bereits viel versprechende Resultate erzielt haben», so Gindro. «Nun werden wir diese Extrakte kombinieren. Wir arbeiten auch mit der Universität Genf zusammen, um die Moleküle chemisch genau identifizieren zu können.»

Schliesslich wird es darum gehen, die molekül-reichsten und die am leichtesten anzubauenden Pflanzen zu identifizieren. Danach werden die Forscher mittels Pilotversuchen deren Wirksamkeit auf dem Versuchsfeld testen.

«Wir hoffen, dass wir in zwei Jahren Klarheit haben werden, welche Moleküle sich eignen, um einen Standard-Extrakt zu entwickeln», so Gindro.

Ein Vertrag mit dem Unternehmen Tribo Technologies, das auf die Entwicklung natürlicher Produkte spezialisiert ist, soll anschliessend die Nutzung der Forschungsergebnisse für die Praxis ermöglichen.

Offener als in Frankreich

«Wir wollen vor allem weiterkommen», sagt Descotis. «Idealerweise haben wir eines Tages einen Pflanzenextrakt, der erfolgreich im Rebberg eingesetzt werden kann. Eine Garantie, dass es einmal so weit kommt, haben wir keine. Wichtig ist, dass wir Schritt für Schritt weiterkommen.»

In der Schweiz seien der Informationsfluss und die Kontakte zwischen der Weinbauforschung und den Weinproduzenten viel offener als etwa in Frankreich, sagt Descotis. «Das ist eindeutig eine Stärke der Agroscope: die Offenheit und der Wissenstransfer zu den Produzenten.»

Die Schweiz ist auch ein Land von Rebbergen und Wein. Die Tradition reicht zurück bis mindestens in die Zeit der Römer.

Die Schweizer Weinberge erstrecken sich über 150’000 Hektaren, 8600 davon sind Rotwein.

Am häufigsten wächst der Blauburgunder, auch Pinot Noir genannt (4400 Hektaren), Tendenz abnehmend.  Es folgen die Chasselas-Traube (4000 Hektaren) sowie der Gamay.


Der grösste Rebbau-Kanton ist das Wallis (5000 Hektaren) vor Waadt (3800) und Genf (1400).

 
In der italienisch-sprachigen Schweiz wird auf 1000 Hektaren Wein angebaut.

In der Deutschschweiz wachsen Reben im Kanton Zürich (600 Hektaren), in Schaffhausen (480) sowie im Graubünden (422).

Château Ausone

Château Cheval Blanc


Château Haut-Brion


Château Lafite Rothschild

Château Latour

Château Margaux

Château Mouton Rothschild

Château Petrus

Château d’Yquem

(Adaption aus dem Französischen: Andreas Keiser)

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