St. Moritz als Lebenswerk
Der St. Moritzer Kurdirektor hat den diesjährigen Tourismuspreis Schweiz erhalten. Damit wird Hanspeter Danusers 25jähriges Lebenswerk geehrt.
Der «Milestone»-Preiswettbewerb wird seit dem Jahr 2000 öffentlich ausgeschrieben und soll der angeschlagenen Tourismusbranche neuen Mut machen.
Hanspeter Danuser, 56, ist der schweizerischen Öffentlichkeit bekannt als «rühriger Kurdirektor» von St. Moritz und als effizienter Event-Manager rund ums spritzige «Champagnerklima» auf dem gefrorenen See, den Jet Set und zuletzt um die Ski-Weltmeisterschaften.
In der Tourismusbranche gilt Danuser als einer der ersten, der angelsächische Denkmuster in Sachen Markenschutz, synergetischem Marketing und Destinations-Management im damals behäbigen alpinen Fremdenverkehr eingeführt hat.
Mit Engadiner Charme und berglerischer Beharrlichkeit positioniert er seither St. Moritz und sich selbst in den richtigen Märkten und schüttelt nebenbei auch seine Konkurrenzorte zünftig durcheinander – was auch einer der Gründe ist, weshalb er den diesjährigen Milestone-Tourismuspreis der Schweiz für sein Lebenswerk erhält.
swissinfo: Herr Danuser, weshalb waren Ihre Bemühungen um die Lizenzierung des Namens «St. Moritz» so revolutionär? Glaubten damals die Schweizer noch alle, eine Ortsnamens-Marke gehöre ihnen ohnehin?
Hanspeter Danuser: Es war im Inland-Tourismus ein Novum, mit Markenbegriffen zu arbeiten. Man empfand es als exotisch, dass Ortsnamen auch Marken, «Brands», sein sollten. Viele schüttelten den Kopf und dachten, dass dies wieder einer der üblichen PR-Gags aus St. Moritz sei.
swissinfo: Aus Neid und Bewunderung warf Ihnen damals die Tourismusbranche vor, zu sehr auf die Eigenständigkeit von St. Moritz hin gearbeitet zu haben. Weshalb reizte es Sie nie, Ihre Engadiner Erfahrungen schweizweit anzuwenden, bei «Schweiz Tourismus» beispielsweise?
H.D.: Ich bin von Haus und Natur aus ein Marken-Mensch. Bei Nestlé hatte man mich entsprechend indoktriniert. «St. Moritz» gilt nun einmal als eine der stärksten und bekanntesten touristischen Marken, die es gibt. Und wenn man hier wirken und arbeiten kann, dann wechselt man eben nicht zur Tourismusregion Graubünden oder zur Schweiz.
Erstens sind diese Marken weniger stark, und zweitens sind auch die Strukturen und Einflussbereiche im Fall der Gesamtschweiz derart heterogen, dass so ein Job dort für mich ein Albtraum wäre.
swissinfo: Die Schweiz stagniert wirtschaftlich seit dem ersten Golfkrieg, der damals auch erstmals seit langem für einen Zusammenbruch des Tourismus gesorgt hatte. Seither gab es weitere Zäsuren. Wie wird es mit der Destination Schweiz weitergehen?
H.D.: Die Schweiz wird touristisch auch in den kommenden Jahren noch unter einer Marktverschiebung leiden. Unsere Kosten hier liegen 30 bis 40% höher als bei unserer Konkurrenz in den benachbarten Regionen. Deshalb liegen eben unsere Preise entsprechend höher.
Zudem sind wir nicht mehr wie früher besser als diese Mitbewerber. Die haben aufgeholt und uns in gewissen Bereichen überholt. Die einzige Chance liegt darin – und ich glaube, auch «Schweiz Tourismus» sieht das – in unserem touristischen «Branding» noch besser zu werden. Und uns auf das zu konzentrieren, wo wir eben auch heute noch klar besser sind.
Noch intensiver pflegen müssen wir die Exklusivitäten, also jene Bereiche, in denen wir nicht aufholbar sind. Also Erlebnis- und Event-Marketing, kombiniert mit einer professionellen Pflege des Markennamens.
swissinfo: Nicht aufholbar dürften ja sicher auch unsere Natur- und Umweltangebote sein. Bis vor kurzem haben Sie die Ökologie und den Begriff der Nachhaltigkeit nur zögerlich vor Ihren Marketing-Karren gespannt.
H.D.: St. Moritz zelebriert ja eher einen harten Tourismus. Ich denke an die gut 250 Schneekanonen in der Region. Da wirke ich doch unglaubwürdig, wenn ich nebenbei noch etwas auf Umwelttourismus mache. Deshalb liess ich bis vor kurzem die Finger davon. Ausser bei der Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Verkehr.
Erste Änderungen in Richtung Ökologie begannen sich 1999 abzuzeichnen – mit einer Lizenz von Rätia Energie. «PurePower St. Moritz» ist heute Öko-Strom, im ganzen EU-Raum. Ausserdem war ich innerhalb des Ski-Weltmeisterschafts-Präsidiums zuständig für Kommunikation und Nachhaltigkeit. Dort wurde ich dann beim Wort genommen von ehemaligen und aktiven 68er Kollegen – sogenannten «Fundis von der anderen Seite», wenn man so will.
swissinfo: Sie liessen sich von «Fundis» überzeugen?
H.D.: Ja. Sie haben mir dann mit dem Gesamtenergieprojekt «Clean Energy» ein Ei gelegt, das sich hervorragend entwickelt – auch zu meiner Überraschung. «Clean Energy» ist ein gewaltiges Projekt geworden, das blüht und immer weitere Impulse bringt.
Heute kommt zur Energie die Landwirtschaft dazu. Wir planen einen eigentlichen «Geopark Engadin», den man mit unglaublichen Möglichkeiten, gerade im Bildungstourismus, systematisch erschliessen und aufbauen kann.
swissinfo: Während Sie im Engadin an Ihrem Geopark arbeiten, haben andere im Berner Oberland schon einen Park fertiggestellt. Der «Mystery Park» ist der Hauptgewinner des Milestone-Tourismuspreises fürs laufende Jahr. Wie gefällt Ihnen dieser Park?
H.D.: Mich faszinierte beim Besuch des «Mystery Parks» die Energie und der unternehmerische Mut der Initianten. Der Park ist überblickbar, er kommt der Mentalität des heutigen Konsumenten gut entgegen.
Ein vergleichbares Projekt fürs Engadin sehe ich überhaupt nicht. Das Engadin dient primär als «Outdoor»-Destination – und als solche ist es eben bereits ein «Geopark».
Wir vernetzen einfach das Bestehende und helfen da und dort noch etwas nach. Ich denke an das neue Nationalpark-Zentrum, das übernächstes Jahr eröffnet wird, oder an das Biosphären-Reservat im Münstertal, an die Albula-Bernina-Bahn als Unesco-Weltkulturerbe und ähnliches. Da ergibt sich bald einmal eine ganze Region als Geopark.
swissinfo: Zukunftsmusik fürs Engadin also. Aber wohin würden Sie gehen, wenn es plötzlich verschwände und Sie sich einen anderen schönen Ort in der Schweiz aussuchen müssten, um dort den «rührigen Kurdirektor» zu spielen?
H.D.: Rein nur vom touristischen Produkt her, und auch von meinem mittlerweilen etwas höheren Alter her, würde ich sicher Ascona im Tessin wählen. Aber natürlich ein Ascona, wie es früher war, und mit der Möglichkeit, es als eigenständige Marke aufzubauen.
swissinfo: Und wo würden Sie international hingehen?
H.D.: International fiele meine Wahl sicher auf die Region Vancouver/Whistler. Diese möchte ich gerne mit aufbauen. Nicht nur, weil dort bald die Olympischen Winterspiele stattfinden, sondern weil ich die Region sehr gut kenne und faszinierend finde. Sie kombiniert auf so engem Raum das Element der Berge mit dem Meer auf eine grossartige Weise.
swissinfo: Doch Vancouver liegt weit weg. Und die Jugend reist heute weniger. Zumindest in der Schweiz scheint es etwas aus der Mode geraten zu sein. Was ist los mit dem weltweiten Tourismus?
H.D.: Ich hoffe nicht, dass die ganz alten Zeiten wieder kommen. Doch die Mentalität der heutigen Jugend unterscheidet sich grundlegend von jener meiner Generation. Wobei die Schweizer im Vergleich zu anderen noch überproportional viel reisen, weil das Land so klein ist.
Die Jugend findet heute praktisch alles zuhause, entweder vor dem Fernsehen zum Reinziehen oder online zum Runterladen. Sie neigt deshalb zu «coach potato»-Verhalten. Diese mediale Globalisierung führt dazu, dass viele Jugendliche das Authentische der grossen weiten Welt gar nicht mehr kennen.
Sie haben es auch weniger erlebt als wir damals. Deshalb kommen sie gar nicht auf die Idee, herumzureisen. Warum denn auch die Unannehmlichkeiten einer Reise auf sich nehmen, wenn man es im Handy hat?
swissinfo, Alexander Künzle
Anfang achziger Jahren erfand Hanspeter Danuser «Heidiland» als Sommer-«Marke» für die Japaner.
1987 kam «Top of the World» als Winter-Marke dazu.
Damals liess Danuser auch den Ortsnamen mit Schriftzug «St. Moritz» inklusive der goldenen Sonne wie eine kommerzielle Marke registrieren.
Die ganze Schweiz schüttelte den Kopf – um wenig später im Fall des «Emmentaler Käses» feststellen zu müssen, dass halb Europa ungefragt und ohne Lizenz «Emmentaler Käse» herstellt und damit den echten «Emmentaler» hart konkurriert. Die Emmentaler hatten es verpasst, ihre geografische Bezeichnung unter Schutz zu stellen.
Ende der neunziger Jahre wurde Danuser von ökologisch engagierten Partnern überredet, bei «Clean Energy» mitzumachen.
Der Milestone-Award für das Lebenswerk ist einer der fünf Preise, die seit Oktober 2000 jährlich an jeweils fünf herausragende Persönlichkeiten oder Projekte vergeben werden.
Der erste Projekt-Preis ging 2003 an den Mystery Park in Interlaken, der zweite an die All-inclusive Arosa-Card. In der Kategorie «klein & kreativ» gewann der Schreiner und Gastgeber Jean-Paul Vuilleumier mit seinem «bed & breakfast-Baumhaus». Und bei den Nachwuchskräften fiel der Preis an Ivo Adam, Koch und Pâtissier, der nach verschiedenen internationalen Wettbewerben als «weltbester Nationalpâtissier» gilt.
Der Milestone wird jährlich von der Fachzeitung «hotel + tourismus revue» verliehen, unterstützt vom Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) und vom Schweizer Tourismus-Verband (STV).
Mit dem Preis soll der Branche Mut gemacht und die touristische Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz gestärkt werden.
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