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Staat greift nach Führung der Landesflughäfen

Der Bund möchte mehr in die Kompetenzen der Standortkantone und -Gemeinden von Landesflughäfen eingreifen können. Keystone Archive

Der Bund möchte sich vermehrt in die Planung und den Betrieb der Landesflughäfen einbringen.

Dies geht aus dem Entwurf eines Berichts zur Luftfahrtpolitik hervor, den das Verkehrsdepartement (UVEK) am Donnerstag publiziert hat.

In dem am Donnerstag veröffentlichten Entwurf zum Bericht zur Luftfahrtspolitik wünscht sich der Bund mehr Mitsprache bei Planung und Betrieb der Landesflughäfen. Erst vor fünf Jahren war von den Stimmberechtigten des Kantons Zürich die Privatisierung des Flughafens Zürich gutgeheissen worden.

Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) schliesst in diesem Entwurf auch Eingriffe in Kompetenzen der Standortkantone und –Gemeinden nicht aus.

Kritik aus Zürich

Rund 35 Organisationen können sich bis Anfang September zu den Vorschlägen des Entwurfs äussern. Unique, die Betreiberin des Flughafens, hat dies bereits getan: Sie hält die Einschätzung des Bundes zur Funktion des Zürcher Flughafens für widersprüchlich.

Die Vorschläge zur Kompetenz-Verlagerung seien noch zu wenig konkret, um detailliert Stellung nehmen zu können, sagt Unique-Sprecherin Sonja Zöchling.

Aber zur (privatisierten) Flughafen-Trägerschaft hält sie fest, dass Unique in den Swissair-Grounding-Krisenjahren bewiesen habe, rasch reagieren zu können. Dank ihrer Organisationsform als Aktiengesellschaft sei «auch der Steuerzahler nicht belastet worden».

Bund will «Fünfer und Weggli»

Das UVEK findet, dass für den Bund die Drehscheibenfunktion des Flughafens Kloten («Hub») nicht zentral sei. Zwar müsse der Flughafen direkte Verbindungen nach Europa und möglichst gute Verbindungen nach Übersee anbieten.

Doch hält Bundesrat und Verkehrsminister Moritz Leuenberger fest, dass «ein Interkontinentalhub unnötig ist, wenn er nur mit einem Transferbetrieb aufrecht erhalten werden kann».

Laut der Unique-Sprecherin wiederum können die Anschlüsse in alle Welt nicht allein mit den Lokalpassagieren aus der Schweiz unterhalten werden. Es brauche dazu den Umsteigeverkehr (Transit). Erst dieser mache aus dem Flughafen Zürich eine «Drehscheibe» (Hub).

Der Zeitpunkt sei jedoch richtig, um die Diskussion über eine schweizerische Luftfahrtspolitik zu führen, so Unique.

Gesetzesänderungen in Aussicht?

Vor den Medien beklagte Leuenberger, dass «der Bund gegenwärtig nur Ja oder Nein sagen, aber nicht aktiv gestalten kann». Denn über den Betrieb der Landesflughäfen bestimmen heute Betreiber und Standortkantone. Andererseits dienen die Flughäfen den Interessen des ganzen Landes.

Wie der Bund zu den von ihm angestrebten Mitspracherechten kommen soll, liegt noch offen. Denkbar wäre für Leuenberger, «dass man bei den heutigen Verhältnissen startet, zu einer aktiveren Steuerung durch den Bund übergeht und diesem dann alle Kompetenzen überträgt». Dieses Ziel sei noch weit entfernt, da mehrere Gesetzesänderungen nötig seien.

Kantons- oder Landesinteressen?

Im Planungsprozess habe der Kanton Zürich im Rahmen seiner Kompetenzen bisher primär eigene Interessen anstatt jene des gesamten Landes vertreten, so ein Vorwurf im UVEK-Entwurf.

Übergeordnete und grenzüberschreitende Anliegen seien darob zu wenig wahrgenommen worden, lautet die Kritik. Das Resultat dieser Politik seien belastete Beziehungen mit Nachbarkantonen und Deutschland.

Einigung mit Deutschland

Mit Deutschland will sich der Bund einvernehmlich über die Benützung des süddeutschen Luftraums und die Flugsicherung einigen. Die Flugsicherung Skyguide soll weiterhin den süddeutschen Luftraum überwachen und künftig von Deutschland Abgeltungen dafür erhalten, was heute wegen des vertragslosen Zustands nicht der Fall ist.

Laut Patrik Herr von Skyguide decken sich die im Bereich der Flugsicherheit aufgeführten Probleme und Massnahmen mit der Wahrnehmung von Skyguide.

Öffentlicher Luftverkehr nicht Staatsaufgabe

Die wirtschaftliche Existenz des Zürcher Flughafens will der Bund trotz Massnahmen gegen den Lärm nicht aufs Spiel setzen. Einschränkungen bei den Betriebszeiten müssten auf die Konkurrenz im Ausland abgestimmt werden, heisst es dazu im Entwurf des Berichts.

Die Grundversorgung im öffentlichen Luftverkehr wird vom Bund nicht als Staatsaufgabe angesehen. Der Markt müsse das Angebot bestimmen, so der Bericht.

Eine Ausnahme wäre für das Tessin möglich, sofern die Linienflüge in die Südschweiz nicht rentierten. Eine Voraussetzung wären Beiträge der betroffenen Regionen.

No Comment von Swiss, viel Comment von den Parteien

Die Fluggesellschaft Swiss will noch keine Stellung nehmen zum Entwurf. In diesem steht, dass der Bundesrat in Sachen Swiss bei seiner Strategie bleibe (keine neuen Darlehen). Laut neuesten Studien sei ein «National Carrier» für die Schweiz nicht unabdingbar.

Der Entwurf des UVEK hat hingegen die Meinung der grossen politischen Parteien gespalten.

Die Freisinnig-Demokratische (FDP) und die Schweizerische Volkspartei (SVP) lehnen mehr staatlichen Einfluss bei den Landesflughäfen ab. Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) und die Sozialdemokratische Partei (SP) hingegen glauben an den Nutzen von mehr Bundeskompetenzen.

Drehkreuz als Meinungs-Dreieck

FDP-Parteipräsident Rolf Schweiger sagte gegenüber Radio DRS, dass eine Abkehr von der bisherigen Hub-Funktion des Flughafens Zürich negative Folgen auf die Wirtschaft haben könne. Sie könnte auch die Ansiedlung von internationalen Firmen in der Schweiz gefährden.

Auch die CVP will die Drehkreuz-Funktion von Zürich nicht aufgeben, befürwortet aber mehr Bundeskompetenzen bei Planung, Betrieb und Führung der Flughäfen.

SVP-Präsident Ueli Maurer wirft dem Bundesrat vor, im Bericht alles miteinander zu vermischen und keine klaren Prioritäten zu setzen.

Aus der Sicht von SP-Präsident Hans-Jürg Fehr könnte eine Hubfunktion zwar im Interesse eines Flughafens oder einer Airline liegen. Dies sei aber nicht identisch mit den Interessen einer Volkswirtschaft oder der Bevölkerung.

swissinfo und Agenturen

Das Verkehrsdepartement (UVEK) hat am Donnerstag den Entwurf zu seinem Bericht zur Luftfahrtspolitik publiziert.
Zahlreiche Reaktionen sind schon bekannt. So hält Unique die Einschätzung des Bundes für widersprüchlich.
FDP und SVP lehnen den vom Bund gewünschten zusätzlichen Einfluss auf die Flughäfen ab.
CVP und SP glauben hingegen an den Nutzen von mehr Bundeseinfluss.

Der Bericht geht auf die Kompetenzfrage bei den Landesflughäfen ein.

Standortkantone und (private) Trägerschaft setzen demnach andere Prioritäten als der Bund als «Zentralstaat».

Weil der Luftverkehr jedoch auch öffentlicher Verkehr ist, seien die Interessen des ganzen Landes und nicht nur der entsprechenden Regionen tangiert.

Besonders unterschiedlich fällt die Einschätzung der «Drehkreuz»-Funktion von Zürich aus.

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