Steigende Temperaturen, steigende Renditen
Immer mehr Anleger entdecken, dass sich mit dem Klimawandel Geld verdienen lässt: 2006 wurden 18 Milliarden Franken in nachhaltige Anlagen investiert, rund 70% mehr als im Vorjahr.
Das beeindruckende Wachstum widerspiegelt den Boom, der bei den Unternehmen im Bereich Umwelttechnologie herrscht.
Die beiden Berner Unternehmen Meyer Burger aus Steffisburg und die 3S Swiss Solar Systems aus Lyss haben sich dem Klimaschutz verpflichtet. 3S ist gemäss eigenen Angaben Weltmarktführer für manuelle und halbautomatische Produktionsanlagen für Solarmodule.
Meyer Burger ist Spezialistin im Trennen von harten und spröden Materialien. Der aktuelle Renner sind Drahtsägen zum Abtrennen von Silizium für Solarpanels.
Und beide Firmen wirtschafteten im letzten Jahr äusserst erfolgreich. Meyer Burger verdoppelte 2006 den Gewinn auf 5,6 Mio. Franken, der Umsatz nahm um 40% auf knapp 83 Mio. Franken zu. Die Aktien des Börsenneulings schossen seit dem Start im letzten November um ganze 85% nach oben.
3S Swiss Solar Systems schrieb mit einem Gewinn von 700’000 Franken erstmals schwarze Zahlen, während sich der Umsatz auf 11,6 Mio. Franken fast verdreifachte. Aktienperformance hier: Plus 35%.
Platzen aus allen Nähten
Das Durchstarten wird durch die Zahl neu geschaffener Stellen illustriert: Bei den Steffisburgern nahm die Mitarbeiterzahl laut Medienchef Werner Buchholz um 97 auf 284 zu. 3S konnte die Belegschaft von 22 auf 42 Mitarbeitende fast verdoppeln, wie Geschäftsleiter Patrick Hofer gegenüber swissinfo sagt.
Der Erfolg von Unternehmen wie Meyer Burger und 3S blieb auch Anlegern nicht verborgen: Immer mehr private und institutionelle Anleger investieren in Nachhaltigkeit. «Sie haben entdeckt, dass in diesem Bereich sehr gut verdient werden kann», sagt Geschäftsleitungsmitglied Daniel Muntwyler von der Investmentfirma SAM (Sustainable Asset Management). Denn aktuelle Themen wie Klimawandel, Stärkung von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz rückten immer mehr in den Fokus, auch in denjenigen der Investoren.
«Produzieren die fair?»
Urs Holliger, Direktionsmitglied der Schweizerischen Stiftung für nachhaltige Entwicklung Ethos, macht noch etwas anderes aus: Ein gestiegenes Bewusstsein dafür, Produktionsverfahren an sozialen Indikatoren zu messen, beispielsweise, ob ein Unternehmen die Grundsätze der guten Unternehmensführung anwende oder Kinder einsetze.
Für Holliger sind nachhaltige Anlagen nicht mehr Trend, sondern bereits ein Thema, das sich langsam standardisiere. «Hinter der Zunahme steckt Substanz, weil nachhaltige Investments Sinn ergeben.»
Die Gefahr vom Absturz
Starkes Wachstum birgt aber immer auch Risiken. «Zu ungestümes Wachstum kann für Investoren zu Verlusten führen», weiss Daniel Muntwyler. In Anspielung auf das Platzen der Internet-Blase an den internationalen Börsen im Jahr 2000 sind für ihn deshalb zwischenzeitlich «Übertreibungen» bei der Börsen-Bewertung von nachhaltigen Unternehmen «so sicher wie das Amen in der Kirche».
Für die Unternehmer heisse dies, den Risiken mit sinnvollen Strategien zu begegnen. Den Investoren rät er zu einer präzisen Analyse der Unternehmens-Bewertung. «Man muss sehr genau schauen, ob die hohen Wachstumserwartungen punkto Umsatz und Marge von den Firmen eingehalten werden können.»
Patrick Hofer ist zuversichtlich, dass 3S die eigenen Erwartungen erfüllt werden. «Die anvisierte Umsatzsteigerung wird erreicht, unsere Zukunftsaussichten sind gut.»
Ausland machts vor
Dass die Fantasie hinter den nachhaltigen Anlagen gerechtfertigt ist, verdeutlicht Daniel Muntwyler am Beispiel Deutschlands, dessen Anschubfinanzierung für alternative Energiegewinnung und intelligente Steuersysteme in den letzten Jahren rund 50’000 Arbeitsplätze geschaffen habe.
Genau dieser staatliche Rückenwind in Deutschland – dem sich jetzt auch die Europäische Union (EU) anschliesst – setzt die Schweizer Unternehmen unter Druck, namentlich im Bereich Photovoltaik (Stromgewinnung aus Solarenergie). «Vor zehn Jahren waren hier Schweizer Unternehmen führend, jetzt liegen sie im Rückstand und deutsche Firmen exportieren ihre Technologien erfolgreich beispielsweise nach China», diagnostiziert der SAM-Experte.
Immerhin erblickt er jetzt auch in der Schweiz Zeichen, die in die richtige Richtung deuteten. So die CO2-Steuer auf Treibstoffen, deren Einführung Muntwyler auf Anfang 2008 erwartet, und die jüngst erfolgte Kehrtwende im Schweizer Parlament hin zur staatlichen Förderung auch der Photovoltaik.
Knochenarbeit
Die 15 Mio. Franken, die der Bund aus dem Ökozuschlag auf jeder verbrauchten Kilowattstunde Strom berappt, hält Patrick Hofer von 3S zwar für begrüssenswert. «Für uns haben sie aber keinen Einfluss, dafür ist der Beitrag zu klein.»
Trotz schwarzen Zahlen und Verdoppelung der Mitarbeiter spricht er nicht von einer Wende, vielmehr vom Resultat eines fünfjährigen, kontinuierlichen Aufbaus. «Unternehmen müssen ihre Position immer mit Innovationen gegen die Konkurrenz verteidigen, diese banale Weisheit gilt in allen Branchen», sagt Hofer.
swissinfo, Renat Künzi
Nachhaltige Anlagen stiegen 2006 fünfmal stärker als der gesamte schweizerische Fondsmarkt.
In der Markterhebung der Beratungsfirma onValues wurden 21 Schweizer Anbieter untersucht, die mit nachhaltigen Kollektivanlagen, strukturierten Produkten und Investment-Mandaten auf dem Markt sind.
Diese Anlagen werden unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien (ökologische, soziale und ethische Aspekte) verwaltet.
Aktien machen mit über 77% den grössten Anteil aus, gefolgt von Obligationen (10%), Beteiligungen (rund 3%) und flüssigen Mitteln (1,3%). 8,5% sind nicht definierte Anlagen.
Die total 18 Mrd. Franken Investitionen in nachhaltige Unternehmen machen aber weniger als 2% der insgesamt angelegten Vermögen aus.
In der Schweiz gibt es noch keine Erhebung, wie viele neue Stellen der Aufschwung der im Bereich Klimaschutz tätigen Unternehmen gebracht hat.
Solar- und Windenergie zählen zu den «neuen» erneuerbaren Ressourcen.
Der Anteil des Solarstroms an der Schweizer Stromproduktion beträgt 0,03%, derjenige des Stroms aus Windenergie ist noch geringer.
Die Wasserkraft ist eine traditionelle erneuerbare Energie, sie deckt rund 60% des schweizerischen Energiebedarfs ab.
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