Steuer-Deal mit Grossbritannien als Zankapfel
Das revidierte Steuerabkommen mit Grossbritannien nährt die Hoffnung der Schweiz auf eine Rettung des Bankgeheimnisses. Brüssel ist darüber alles andere als erfreut. Auch Experten sind sich uneinig, ob die Rechnung der Schweiz aufgeht.
«Rubik» lautet das Zauberwort: Die Verträge dieses Namens mit Deutschland und Grossbritannien sind die Antwort der Schweiz auf die Forderung der Europäischen Union (EU) nach einem automatischen Informationsaustausch.
Brüssel möchte, dass die Schweiz Bürger der EU namentlich und mit Angabe der Summe melden muss, wenn diese Gelder auf Schweizer Bankkonten deponieren. Klar ist, dass ein solcher automatischer Informationsaustausch das Ende des Schweizer Bankgeheimnisses bedeuten würde.
Als Alternative sehen die Rubik-Abkommen eine Abgeltungssteuer an Drittstaaten vor. Damit flösse dem Fiskus des jeweiligen EU-Landes anonym ein beträchtlicher Geldstrom zu, ohne dass die Steuerbehörde aber weiss, von wem das Geld stammt.
Die Abkommen mit Berlin und London schloss die Schweiz im letzten Jahr ab. Brüssel betrachtet die bilateralen Steuerdeals aber als Bruch der Zinsbesteuerungs-Richtlinie. Der Grund: Die Versteuerung eines Teils der erzielten Gewinne untersteht nicht der Zinsbesteuerungs-Richtlinie.
Blockade für künftige Demarchen
So klammert Rubik die Mehrwertsteuer aus, schliesst aber mit einer neu berücksichtigten Erbschaftssteuer ein Schlupfloch. Problematisch ist jedoch die Klausel, die besagt, dass mit der Abgeltungssteuer die Pflichten der ausländischen Kunden der Schweizer Banken abschliessend erfüllt sind. Sämtlichen weiteren Anfragen, auch betreffend automatischem Informationsaustausch, wäre somit ein Riegel geschoben.
Beobachter gehen davon aus, dass Brüssel an seiner Forderung festhalten und den Druck auf die Rubik-Abkommen verstärken werde. «Es besteht ein offensichtlicher Konflikt mit der Zinsbesteuerung als einem Kernprinzip der EU», sagt der in Zürich tätige Steueranwalt Mark Morris gegenüber swissinfo.ch.
Politologe und Europa-Spezialist Dieter Freiburghaus dagegen nimmt an, dass die Abkommen trotz des Widerstands aus Brüssel in Kraft treten werden. «Die EU könnte insbesondere Einwände gegen die Klausel haben, dass die Steuerfrage mit dem Abgeltungsmodell abschliessend geregelt sein soll. Auf lange Sicht beharrt sie weiter auf dem automatischen Informationsaustausch, aber Brüssel wird das überarbeitete Abkommen akzeptieren müssen», sagt der emeritierte Professor für europäische Studien am Institut für höhere Verwaltung der Universität Lausanne (Idheap).
Fakt sei, dass zahlreiche EU-Länder dringend auf Geld angewiesen seien, weshalb sie Pragmatismus über Idealismus stellten.
«Lohnender Betrug»
Die EU nahm bisher nicht offiziell Stellung, sondern will das neue Abkommen erst prüfen. Aber selbst wenn Brüssel zähneknirschend zustimmen sollte, bedeutet das keineswegs, dass das britische Parlament Ja sagt zur Abgeltungssteuer.
Denn Anfang März hatte eine Sub-Kommission einen ablehnenden Bericht vorgelegt. Darin wurde unter anderem die Befürchtung geäussert, mit einer Abgeltungssteuer würden jene belohnt, die bewusst die Bezahlung von Steuern vermieden hätten.
«Wir sind besorgt, dass die Abgeltungsteuer auf Guthaben auf Schweizer Bankkonten eine viel bessere Lösung für all jene darstellt, die ihre Vermögen ausser Landes gebracht haben und ehrliche Steuerzahler benachteiligt[OG(1] «, schrieben die Parlamentarier.
Solche Kritik war zuvor auch schon in Deutschland laut geworden. Die links-grüne Opposition hatte die Regierung in Berlin aufgerufen, in Bern Neuverhandlungen zu verlangen.
Unmut gab es in Grossbritannien auch darüber, dass der Steuer-Deal immer noch zu viele Schlupflöcher offen lasse, um das Einnahmen-Ziel von vier bis sieben Mrd. Pfund (5.8 bis 10 Mrd. Franken) zu erreichen, das der britische Schatzkanzler mit den Erträgen der Auslandguthaben anvisiert.
Nachbesserungs-Paket
Die Organisation Tax Justice Network, die international für Steuergerechtigkeit kämpft, bezeichnete das Abkommen als «Schweizer Käse voller Löcher», blind insbesondere gegenüber den diskreten Treuhandstiftungen[OG(2] . Solche Vehikel versteckten die Identität der Nutzniesser und machten es unmöglich herauszufinden, wer steuerpflichtig sei.
«Das ganze Rubik-System lässt sich völlig legal umgehen, indem man 500 Dollar auf eine Treuhandstiftung in Panama einbezahlt», sagt Steueranwalt Mark Morris. Als weitere Variante zur Steuervermeidung zählt er besondere Versicherungsmodelle und Produkte auf, bei denen die Steuern mit einer zeitlichen Verzögerung fällig werden.
Trotzdem: Ganz leicht hätten es Steuerschwindler nicht, betont Morris. Ein Paket mit Nachbesserungen werde solche Löcher in der EU-Richtlinie zur Zinsbesteuerung schliessen. Doch zuerst müssten die Einwände der EU-Mitglieder Österreich und Luxemburg ausgeräumt werden.
In die angesprochenen Verbesserungen hegt er grosse Hoffnungen: «Sie werden sich ins Rubik-System einfressen, bis dieses nur noch eine hohle Muschel ist.»
Die mit Deutschland und Grossbritannien unterzeichneten «Rubik»-Abkommen zielen auf eine Regularisierung der nicht-deklarierten, unversteuerten Guthaben ab, die Staatsangehörige dieser beiden Länder in der Schweiz deponiert haben.
Zur Bereinigung der «Altlasten» soll eine Pauschalsteuer erhoben und das Geld unter Wahrung der Anonymität des Kontohalters an die Steuerbehörden in Deutschland und in Grossbritannien überwiesen werden. Die Rate für die Abgeltungssteuer soll dabei zwischen 19 und 34% liegen.
Für künftige Kapitalerträge soll dann eine Quellensteuer auf Zinsen und Dividenden erhoben werden. Für Deutschland wurde die Rate bei 26,375% festgelegt, gleich hoch wie die derzeitig geltende Steuerrate in Deutschland. Für Grossbritannien schwankt die Rate zwischen 27 und 48%, je nach Kategorie der Rendite auf dem Kapital.
In Deutschland hat das Parlament das mit der Schweiz unterzeichnete Steuerabkommen noch nicht ratifiziert. Opposition dagegen kommt namentlich von Seiten der Sozialdemokratischen Partei (SPD) und den Grünen, für die das Abkommen zu vorteilhaft für Steuerbetrüger ist.
Zum Steuerabkommen mit Grossbritannien haben die Schweiz und London ein Änderungsprotokoll unterzeichnet, um die Vorbehalte der EU-Kommission bezüglich der Vereinbarkeit mit EU-Recht auszuräumen. Lediglich die Rechtsstruktur wurde verändert. Das Abkommen muss noch von den Parlamenten beider Staaten genehmigt werden und soll Anfang 2013 in Kraft treten.
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Kuenzi)
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