Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Steuerpolitik – zusehends ein Wahlkampfthema

Hilfe im Formular-Dschungel: Ein Steuerberater füllt mit einem Kunden die Steuererklärung aus. Keystone

Die Freisinnige Partei der Schweiz will das Steuersystem radikal vereinfachen und setzt dabei auf eine einkommensabhängige Flat Tax. Die Steuererklärung soll künftig auf einem Bierdeckel Platz haben.

Die Christdemokraten wollen die Kinderzulagen von den Steuern befreien, die Sozialdemokraten wollen die Reichen höher besteuern und den Steuerwettbewerb eindämmen.

Das schweizerische Steuersystem ist ausgeklügelt, komplex und dennoch voll von Schlupflöchern. Das Ausfüllen der jährlich wiederkehrenden Steuererklärung gelingt vielen lediglich mit Hilfe eines Steuerberaters.

Die Abzugsmöglichkeiten zur Optimierung der Gemeinde-, Kantons- und Bundessteuern sind vielfältig.

Die Abzüge für Kinder, Hauseigentum, Berufsauslagen, Spenden oder Pensionskassen varieren von Kanton zu Kanton.

Kantone und sogar die Gemeinden haben eigene Steuersätze und Progessionskurven. In diesem Dickicht den Durchblick zu finden ist schwierig.

Die Freisinnig Demokratische Partei (FDP) hat zwei Monate vor den nationalen Parlamentswahlen eine Idee neu lanciert, welche seit Jahren immer wieder auftaucht, wenn von einer Vereinfachung des Steuersystems die Rede ist.

Mit EasySwissTax will die Partei nicht einen einheitlichen Steuertarif einführen, sondern zwei oder drei einkommensabhängige Tarifstufen. Denkbar wären 10% für die ersten 100’000 Franken, 20% bis 200’000 Fr. und 30% für mehr als 200’000 Franken.

Bei den Vermögenssteuern würde mit EasySwissTax die Besteuerung einer Soll-Kapitalrendite zum Einheitstarif eingeführt. Diese würde zum Einkommen dazugezählt. Darüber liegende Gewinne blieben vom Fiskus unberührt.

Die Hunderte von heute möglichen Abzügen will die FDP auf vier reduzieren. Für Berufstätige, Rentner und Invalide, Unterstützungspflichtige sowie gemeinnützige Zuwendungen sollen Pauschalabzüge eingeführt werden.

Lockerung fördert Wirtschaftswachstum

«Ziel ist, dass die neue Steuererklärung nur noch eine Seite lang ist und in einer halben Stunde ausgefüllt werden kann», so der Präsident der FDP Schweiz, Fulvio Pelli.

Dennoch bleibt vieles vage: So will die Partei an den Privilegien für Hausbesitzer festhalten. Ein Abzug für den Immobilien-Unterhalt ist deshalb unter den zusätzlichen Optionen vorgesehen.

Als Option verpackt erscheint auch die Absicht der FDP, die Erbschafts- und Schenkungssteuer schweizweit abzuschaffen und die Verrechnungssteuer zu streichen.

Grundsätzlich rechnet die FDP mit einem Steuerausfall im Umfang von 250 Millionen Franken, allein für den Kanton Zürich, was 3% der Einnahmen enspricht.

Gleichzeitig würden die Steuererleichterungen das Wirtschaftswachstum zusätzlich ankurbeln und so die Einnahmenverluste kompensieren, argumentiert die Partei.

Das Modell soll in den kommenden Monaten in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert werden.

Widerstand ist programmiert



«Die Idee ist für die breite Bevölkerung sicherlich attraktiv. Dennoch muss die FDP auf die eigene Klientel Rücksicht nehmen. Das sind vielfach Hausbesitzer welche die Reparaturkosten abziehen wollen», führt der Politologe Hans Linder gegenüber swissinfo aus.

Die Steuerreform sei ein gutes Wahlkampthema, das der FDP «Stimmen bringen wird», sagt Linder weiter. Doch die Realisierungschancen seien eher gering. «In der Ausgestaltung wäre das an sich einfache Modell extrem komplex. Da sind sehr viele unterschiedliche Interessen im Spiel.»

Widerstand erwartet der Politologe nicht nur von der politischen Linken, welche eine stärkere steuerliche Belastung statt eine Entlastung der Reichen anstrebt, sondern auch von den Kantonen.

«Die Kantone werden rasch ihre eigenen Interessen und ihre poltischen Sensibilitäten einbringen.»

Familien entlasten

Weniger radikal sind die Reformen, mit welchen die Christlichdemokratische Partei (CVP) den Wahlkampf alimentiert. Die Partei will Kinder- und Ausbildungszulagen von den Steuern ausschliessen.

Damit will sich die CVP als «treibende Kraft in der Familienpolitik» positionieren und Familien steuerlich entlasten.

Die Sozialdemokratische Partei (SP) kritisiert das Modell der FDP und argumentiert, diese wolle damit den Reichen «Geschenke machen».

Die SP setzt auf ihre Volksinitiative «für mehr Steuergerechtigkeit», welche die Reichen stärker besteuern und ein Verbot von degressiven Steuermodellen einführen will.

So sollen Einkommen über 250’000 Franken mit einem Mindestsatz von 22 Prozent und Vermögen über 2 Millionen Franken mit einem Satz von 5 Promille besteuert werden.

Damit will die SP verhindern, dass sich die Kantone «die superreichen Steuerzahlenden abjagen».

swissinfo, Andreas Keiser

In der Schweiz sind die Gemeinden, die Kantone, der Bund und die Kirchgemeinden der anerkannten Landeskirchen berechtigt, Steuern zu erheben.

Die Steuerhoheit erlaubt es ihnen, den Steuersatz und die Progression festzulegen.

Die Progression sorgt dafür, dass höhere Einkommen prozentual stärker besteuert werden als tiefere.

Das schweizerische Steuersystem ist so kompliziert, dass damit 2500 Steuerberater jährlich 700 Mio. Fr. verdienen.

Bisher hat kein einziges westeuropäisches Land die Flat Tax Rate eingeführt.

Flat Tax-Steuern haben Länder des ehemaligen Ostblocks: Lettland, Russland, Slowakei, Ukraine und Serbien.

Steuersystem Schweiz

Flat Rate Tax ist ein Steuersystem, bei dem hohe und tiefe Einkommen zu einem Einheitssteuersatz besteuert werden.

EasySwissTax will statt einem einzigen Steuersatz mehrere, abgestufte Sätze einführen.

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft