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Strategischer Swisscom-Kurswechel bestätigt

Bis mindestens 2012 soll der Service public durch die Swisscom garantiert werden. Keystone

Die Landesregierung hat am Mittwoch ihre Prioritäten für die geplante Privatisierung des Telekommunikations-Konzerns Swisscom präsentiert.

Gemäss Analysten sei dabei nichts Neues zu entdecken. Gewerkschaften erwägen hingegen die Lancierung eines Referendums gegen diese «Alibi-Strategie».

Der Bundesrat habe zusammen mit der Swisscom eine einvernehmliche Fassung der neuen strategischen Ziele für die Jahre 2006 bis 2009 gefunden, sagte Kommunikationsminister Moritz Leuenberger am Mittwoch vor den Medien. Der Swisscom bleibe Spielraum, das Risiko für den Mehrheitsaktionär Bund werde begrenzt.

Die Swisscom kann im Ausland Beteiligungen an Telekommunikations-Firmen ohne Grundversorgungsauftrag nur tätigen, wenn diese das Kerngeschäft im Inland unterstützen. Dies hat der die Landesregierung am Mittwoch in den strategischen Zielen festgelegt.

Gleichzeitig beauftragte der Bundesrat die Swisscom, die ausschüttbaren Reserven auf höchstens eine Milliarde Franken zu reduzieren. Für zusätzliche Investitionen und Akquisitionen darf sich das Unternehmen noch höchstens bis zu 5 Mrd. Franken verschulden.

Eine Neuerung gibt es auch beim verlangten Leistungskatalog. Der Bundesrat erwartet von der Swisscom, dass sie auch Sprach- und Internetdienste sowie TV/Videoangebote aus einer Hand anbietet. Zudem soll die Swisscom eine zeitgemässe Lehrlingsausbildung betreiben.

Flankierende Massnahmen

Der Bundesrat will die geplante Privatisierung der Swisscom mit flankierenden Massnahmen abfedern. Er will das Unternehmen nach Ablauf der jetzigen Konzession dazu verpflichten, während weiteren mindestens fünf Jahren die Grundversorgung in der Schweiz sicher zu stellen.

Die absehbare Volksabstimmung über die Privatisierung der Swisscom wird voraussichtlich im März 2007 stattfinden.

Erst dann soll die Konzession für die Erbringung der Grundversorgung neu ausgeschrieben werden, teilte das Eidgenössische Departement für Umwelt, Energie, Verkehr und Kommunikation (UVEK) mit.

Weiter will der Bundesrat in der geplanten Vernehmlassungsvorlage auch Massnahmen zur Wahrung der Eigenständigkeit der Swisscom vorschlagen. Dazu gehören die Beibehaltung einer Sperrminorität von 33% des Aktienkapitals, die Einführung von Kontrollrechten oder die Schaffung einer Volksaktie. Die Landesregierung lehnt eine Beteiligung des Bundes an der Swisscom Fixnet AG jedoch

Swisscom will sich anpassen

Swisscom wird ihre Strategie den bundesrätlichen Zielen für die Jahre 2006 bis 2009 anpassen. Den eingeschränkten Spielraum bei Unternehmens-Käufen im Ausland nimmt der Telekommunikations-Konzern zur Kenntnis.

Swisscom will nach eigenen Angaben nun in den kommenden Monaten die künftige Unternehmensstrategie entsprechend überarbeiten.

Unzufriedene Gewerkschaften

Die Gewerkschaft Kommunikation hat dem Bundesrat mit seiner neuen Swisscom-Strategie «Augenwischerei» vorgeworfen und erneut mit dem Referendum gedroht.

Auch eine allfällige Sperrminorität sei nur ein Zwischenschritt hin zur vollständigen Privatisierung. Dies wiederum gefährde die Qualität der Grundversorgung und könne nicht verhindern, dass das Unternehmen in ausländische Hände falle.

Der Gewerkschaftsdachverband Travail.Suisse fürchtet um die telefonische Grundversorgung in der Schweiz. Die geplante Abgabe der Bundesmehrheit gefährde den Service public in der Schweiz.

Eine Privatisierung der Swisscom würde überdies sehr schnell zu einem Abbau von qualifizierten und wertschöpfungsintensiven Arbeitsplätzen führen. Travail.Suisse wird sich deshalb dem Verkauf der Aktienmehrheit widersetzen und das Referendum gegen die Pläne des Bundesrates unterstützen.

Breites Meinungs-Spektrum bei den Bundesratsparteien

Für die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) sind die flankierenden Massnahmen «Zeichen politischer Hilflosigkeit und reine Augenwischerei». Offenbar zweifle der Bundesrat selber daran, dass nach einer Privatisierung der Swisscom die Grundversorgung und die Unabhängigkeit des Unternehmens gewährleistet blieben.

Weiter kündigte die SP das Referendum an, falls der Bundesrat das obligatorische Referendum vermeide.

Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) hegt generelle Bedenken, ob die Privatisierung richtig ist. Die flankierenden Massnahmen sicherten die Grundversorgung nicht ausreichend. Der Bundesrat scheine nicht recht zu wissen, was er wolle. An der Auslandsstrategie bemängelt die CVP, dass ausgerechnet Beteiligungen an mehrheitlich stabilen Grundversorgern ausgeschlossen würden, sei unverständlich.

Für die Schweizerische Volkspartei (SVP) geht die Swisscom-Strategie des Bundesrats grundsätzlich in die richtige Richtung. Die Vorschläge überzeugten aber noch nicht vollständig und müssten genau überprüft werden. Auch keinen Fall dürfe das Vorhaben «verbürokratisiert» werden. Es gehe nicht um die Frage der Grundversorgung.

Die Freisinnig-Demokratische Partei der Schweiz (FDP) begrüsst das zügige Vorgehen des Bundesrates in der Swisscom-Frage. Die FDP will die geplanten flankierenden Massnahmen kritisch prüfen.

An der Schweizer Börse SWX sind die neuen strategischen Ziele des Bundesrates für die Swisscom positiv aufgenommen worden. Die Aktie des Schweizer Telekomkonzerns legten an Wert zu. Analysten zeigten Verständnis für den Bund.

swissinfo und Agenturen

Der Aktienanteil der Eidgenossenschaft an der Swisscom wurde von 66,1% auf 62,45% reduziert.
Neben dem Bund gibt es 64’000 weitere Aktienbesitzer, wovon 12 je mehr als 100’000 Aktien besitzen.
Zum Vergleich: Die deutsche Regierung besitzt 37% der Deutschen Telekom und die französische 33% von France Telecom.

Am 23. November hat der Bundesrat erklärt, seinen Aktienanteil von 66,1% an der Swisscom verkaufen zu wollen.

Am Tag darauf wurde bekannt, dass die Landesregierung der Swisscom eine Expansion in ausländische Märkte verboten hatte.

Eine Übernahme der irischen Eircom wurde daher in letzter Minute vereitelt, der Aktienwert der Swisscom sank um 1,5 Mrd. Fr.

Am 2. Dezember präzisierte der Bundesrat sein Verbot von Übernahmen ausländischer Unternehmen: Es gelte nur für Festnetz-Anbieter.

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