Streit zwischen der Schweiz und der EU
Der Schweizer Handelsdiplomat Luzius Wasescha erwartet künftig mehr Streit zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU).
Alt Staatssekretär Franz Blankart sieht die Ursache für die wachsenden Diskriminierungen im EWR-Nein von 1992.
Der Schweizer Botschafter und Handelsdelegierte Luzius Wasescha sieht dunkle Wolken auskommen. Zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU)werde in Zukunft wohl vermehrt gestritten. Deutschland werde nicht mehr hinter den neuen Standard bei den Genzkontrollen zurückgehen.
«Dies dürfte der Standard für die Zukunft sein, sofern die Schweiz nicht ein spezielles Arrangement für diesen Bereich findet», sagte Wasescha in einem Interview mit der «Basler Zeitung» vom Samstag.
Es sei innerhalb der EU immer wieder moniert worden, dass einige EU-Staaten gewisse Regeln zu wenig genau anwendeten.
Grenzbewachung nach Vorschrift
«Offenbar hat der Schengen-Ausschuss in Brüssel einen solchen Vorwurf an die deutsche Adresse gerichtet», sagte Wasescha. Deutschland habe reagiert und bewache nun vorschriftsgemäss die einzige EU-Aussengrenze, die es noch habe: die zur Schweiz.
Und wenn die Praxis in einem Land kritisiert werde, wirke sich das auch auf die Praxis in den anderen Ländern aus.
«Deshalb wird sich das Verhältnis der Schweiz zur EU in Zukunft schwieriger gestalten», sagte Wasescha. Eine Lösung wäre ein Beitritt zum Schengen-Raum.
Merz würde Schritt begrüssen
Der deutsche CDU-Spitzenpolitiker Friedrich Merz würde es begrüssen, wenn die Schweiz dem Schengen-Raum beiträte. Es sei sicher sinnvoll, wenn ein grösstmöglicher Teil Europas diesem System beitrete, sagte Merz in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag». Doch jeder Staat müsse das für sich selbst entscheiden.
Auf die Frage, ob er der Schweiz zu einem EU-Beitritt rate, sagte Merz, es habe vielleicht Vorteile, nicht in der EU zu sein. Doch das Abseitsstehen führe auch zu gravierenden Problemen.
Blankart verweist EWR-Nein
Alt Staatssekretär Franz Blankart sieht die Ursache für die wachsenden Diskriminierungen der Schweiz durch die EU im EWR-Nein von 1992.
Das EWR-Abkommen hätte mit seiner allgemeinen Nichtdiskriminierungsklausel der Schweiz ein klagbares Recht auf Gleichbehandlung gebracht.
Damit wären der Schweiz seit 1992 eine ganze Reihe von Nachteilen erspart geblieben, schreibt Blankart in einem Beitrag für die «NZZ am Sonntag». Als jüngste Beispiele erwähnte er den Streit um die Nordanflüge auf den Flughafen Zürich-Kloten.
Mit dem EWR-Vertrag hätte Deutschland wegen der Nichtdiskriminierungsklausel die Flüge von und nach Kloten gleich behandeln müssen wie die An- und Abflüge in München, Frankfurt oder Berlin. Aufgrund des bilateralen Luftverkehrsabkommens bestehe hierfür keine Rechtsgrundlage.
Blankart war von 1986 bis 1998 Direktor des Bundesamtes für Aussenwirtschaft und führte als Chefunterhändler die Verhandlungen für den EWR-Vertrag.
Recht hinkt Wirtschaft hinterher
Laut Wasescha hinkt die rechtliche Entwicklung zwischen der Schweiz und der EU der wirtschaftlichen hinter.
«Die Schweiz muss daher prüfen, ob das Freihandelsabkommen von 1972 in einzelnen wirtschaftpolitischen Bereichen präzisiert und modernisiert werden müsste», sagte Wasescha.
Es gebe eine Menge von Ausschüssen und Unterausschüssen in der EU, die ständig neue Ideen zu Papier brächten hätten.
Da diese Kumulation Ausdruck der engen wirtschaftlichen Verflechtung sei, «werden wir ständig mehr strittige Punkte haben. Deshalb dürfte man durchaus einmal laut darüber nachdenken, ob der institutionelle Rahmen, in dem wir unsere Beziehung zur EU pflegen, noch zeitgemäss ist», sagte Wasescha.
swissinfo und Agenturen
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