Strom aus Gas und Uran – Ausweg aus dem Engpass?
Der Schweiz droht ab 2020 eine Lücke in der Stromproduktion. Mit dem Ersatz alter Kernkraftwerke und dem Neubau von Gas-Kombi-Kraftwerken soll die Energiekrise abgewendet werden.
Der Entscheid, Gas- oder Kernkraftwerke zu bauen, wird nicht leicht fallen. Denn beide Technologien bieten zwar Vorteile, bergen aber auch Risiken.
Falls sich in der Schweiz der Konsens herausbildet, das Land brauche in den kommenden Jahrzehnten neue Grosskraftwerke, stellt sich die Frage: Strom aus Gas oder aus Uran – oder gar beides. «There is no such thing as a free lunch», hat schon der kürzlich verstorbene US-Ökonom Milton Friedman immer gesagt.
Dieser Satz gilt leider auch für die Energiepolitik. Denn die ideale, umweltfreundliche, billige und zugleich risikolose Methode, in grossem Massstab elektrische Energie zu gewinnen, existiert schlicht nicht.
Das GAU-Risiko
Das Risiko einer Reaktorkatastrophe ist zwar äusserst gering, aber nicht null. Einen GAU, ein Schmelzen des Reaktorkerns, hat es auch schon mal gegeben in einem KKW, einem Kernkraftwerk westlicher Bauart: 1979 im Reaktor «Three Mile Island». Allerdings blieben die Auswirkungen grösstenteils auf das Reaktorgebäude beschränkt.
Es entwich zwar Radioaktivität in die Umgebung, ob sich aber deswegen wie befürchtet tatsächlich die Krebsrate in der Bevölkerung erhöht hat, wird bis heute diskutiert. Die Strahlenbelastung durch KKW im Normalbetrieb beträgt etwa in der Schweiz knapp ein Prozent der natürlichen Hintergrundsstrahlung.
Ein GAU, eine zerstörerische Explosion, kann sich auch in einem Gaskraftwerk ereignen. So geschehen in Algier im Jahr 2004 mit Toten und Verletzten, in Duisburg (2001) oder Tiflis (1995). Die Auswirkungen waren jedoch jeweils örtlich begrenzt.
Das Problem mit der Endlagerung
Atommüll muss auch im besten Fall mehrere Tausend Jahre lang von der Biosphäre abgeschlossen gelagert werden. Entsprechende Endlager sind technisch machbar und in Schweden sowie Finnland auch bereits in Bau.
Im Juni 2006 ist der Bundesrat zum Schluss gekommen, die Entsorgung hochaktiver Abfälle sei auch in der Schweiz technisch machbar. Als Standorte für solche Lagerstätten werden gegenwärtig das Zürcher Weinland und das Bözberg-Gebiet (jeweils in Opalinuston-Formationen) diskutiert.
Weitgehend noch Ratlosigkeit herrscht hingegen, wie mit dem bei jedem Verbrennungsprozess und somit auch in Gaskraftwerken in grossen Mengen anfallenden Kohlendioxid zu verfahren ist. Zwar kann man das Treibhausgas chemisch oder über Kühlfallen den Rauchgasen entziehen.
Wie und wo der Abfall dann aber dauerhaft und getrennt von der Biosphäre gelagert werden könnte, ist unklar. Versuchsweise wird Kohlendioxid zurückgepumpt in stillgelegte Kohlenzechen oder in aufgegebene Ölbohrlöcher unter dem Meeresboden.
Uranvorkommen
Die Schweiz muss zwar den Reaktorbrennstoff aus dem Ausland importieren, die Brennelemente können jedoch auf Vorrat eingekauft und über Jahre auf kleinstem Raum gelagert werden. Die KKW bleiben somit unberührt von kurzfristigen Engpässen oder Erpressungsversuchen von Seiten der Lieferländer.
Auch punkto langfristige Versorgung mit Reaktorbrennstoff sind keine Probleme auszumachen. Die gesicherten Uranvorkommen decken den Weltbedarf für 70 Jahre, dazu kommen vermutete Reserven für 270 Jahre plus das in Phosphatlagern, Granit und Meereswasser vorkommende Uran.
Mit der Nutzung der Brütertechnologie und der Thoriumvorräte erschlösse sich sodann ein geradezu unlimitiertes Potenzial an Reaktorbrennstoff.
Erdgasvorkommen
Auch das Erdgas wird uns nicht so bald ausgehen. Die heute bekannten Reserven sollten noch 70 Jahre ausreichen. Steigende Preise werden die Prospektion lohnend machen, neue Lagerstätten werden entdeckt werden. Daneben kann Methangas auch aus Biomasse oder chemisch gewonnen werden.
Weniger gut stehts mit der kurzfristigen Versorgungssicherheit. Die Querelen um Durchleitungsrechte zwischen Russland und seinen Nachbarn haben erst kürzlich wieder gezeigt, wie anfällig die Versorgung mit leitungsgebundenen Energieträgern sein kann.
Der Preis
Genau 4,34 Rappen kostete im Jahr 2005 die Kilowattstunde Strom aus dem KKW Gösgen, inkl. Rückstellungen für Stilllegung und Entsorgung.
Demgegenüber rechnet die NOK, die Nordostschweizerische Kraftwerke AG, auf Basis des Gaspreises vom Oktober 2006 – die CO2-Abgabe eingerechnet – mit Stromkosten von 11,43 Rappen pro mit Erdgas gewonnene Kilowattstunde.
swissinfo, Ulrich Goetz
Ein KKW wird mit der Energie betrieben, die bei der Spaltung von Atomkernen frei wird.
«Vebrannt» wird in der Regel das spaltbare Isotop Uran-235, dessen Gehalt im Kernbrennstoff bei etwa 3% liegen muss, damit die Kettenreaktion in Gang kommt.
Unterstützt wird dieser Prozess durch Wasser, das als Moderator dient und gleichzeitig die gewonnene Energie abführt.
Diese wir in Wärmtauschern abgegeben, wo in einem zweiten Kreislauf Dampf erzeugt wird, der dann Turbinen und Stromgeneratoren antreibt.
Die Restwärme wird über einen Fluss (Beznau und Mühleberg) oder über Kühltürme (Gösgen und Leibstadt) an die Umwelt abgegeben.
In Gas-Kombikraftwerken, wie sie in der Schweiz geplant sind, wird der Strom in zwei Stufen gewonnen.
Das Gas wird unter Druck in der Brennkammer gezündet. Die 1300 Grad heissen Rauchgase treiben wie bei einem Flugzeug eine Turbine an.
Die immer noch 550 Grad messenden Abgase generieren danach in Wärmetauschern Wasserdampf, der eine Dampfturbine antreibt.
Der Gas- und Dampfturbine ist je ein Stromgenerator nachgeschaltet. Die Restwärme wird analog zum KKW entsorgt.
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