Südafrika: Privatarchive bleiben zu
Die Archive der Schweizer Banken und Unternehmen werden zur Aufarbeiten der Beziehungen Schweiz-Südafrika während der Apartheid nicht geöffnet.
Der Nationalrat lehnt einen entsprechenden Vorstoss ab und bestätigt die Politik des Bundesrates.
Die Grüne Pia Hollenstein wollte mit ihrem Vorstoss die Banken und Unternehmen in der Schweiz zwingen, auch ihre privaten Archive für Untersuchungen zu öffnen.
Im Mai 2000 hatte der Bundesrat den Nationalfonds beauftragt, mit einem Nationalen Forschungsprogramm (NFP 42+) die Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika während der Zeit der Apartheid zu untersuchen.
Hollenstein begründete ihr Anliegen damit, dass die Schweizer Bevölkerung ein Recht habe, die Wahrheit zu erfahren über die Zusammenarbeit mit dem Apartheidregime.
Mbeki dagegen
Nun lehnte der Nationalrat, die grosse Parlamentskammer, den Vorstoss mit 103 zu 67 Stimmen ab, gegen den Willen der Sozialdemokraten und Grünen. Die Mehrheit begründete die Ablehnung damit, dass die Aufarbeitung der Beziehungen der Schweiz zu Südafrika nicht den selben Stellenwert habe wie die Klärung der Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg.
Zudem habe sich auch der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki bei seinem Besuch Mitte Juni in der Schweiz gegen Sammelklagen und Prozesse vor ausländischen Gerichten gewandt und darauf hingewiesen, dass Südafrika selber keine Entschädigungs-Zahlungen von Firmen verlange.
Klagen zusammengelegt
In der Zwischenzeit sind in den USA Sammelklagen gegen verschiedene Firmen mit Geschäftsbeziehungen zu Südafrika eingereicht worden. Darunter sind auch Schweizer Unternehmen.
Die Klagen der Apartheidopfer in den USA wurden vor wenigen Tagen in New York zusammengelegt. Das heisst, die Einzelklagen von Anwalt Ed Fagan und diejenigen der südafrikanischen Opfergemeinschaft Khulumani, die von Anwalt Michael Hausfeld vertreten wird.
Die beiden Anwälte verfolgten unterschiedliche Strategien. Hausfeld bezeichnete Fagans Arbeitsmethoden als «schlampig» und wehrte sich bis zum Schluss gegen eine Zusammenlegung der Verfahren.
Ein Gremium von Richtern kam nun aber zu der Ansicht, das die Ähnlichkeit der Klagen von Hausfeld und Fagan eine Zusammenlegung rechtfertigten.
Die Schweizer Banken Credit Suisse und UBS, die zu den Beklagten gehören, hoffen, dass die Klagen bald abgewiesen werden. Sie begründen ihre Sichtweise damit, dass das Gericht nicht zuständig sei; zudem hätten die Klagen eine «mangelnde Substanz».
Regierung schränkt Akteneinsicht ein
Die Schweizer Regierung hatte schon im April den Forschern die Akteneinsicht im Bundesarchiv im Hinblick auf die Sammelklagen von Apartheid-Opfern gegen Schweizer Unternehmen eingeschränkt. Sie dürfen Südafrika-Akten mit Namen von Schweizer Unternehmen nicht mehr einsehen.
Der Nationalrat unterstützte nun im Zusammenhang mit dem Vorstoss Hollenstein auch das Vorgehen des Bundesrates, die Akteneinsicht einzuschränken.
Die Regierung hatte die Einschränkung der Akteneinsicht so begründet: Schweizer Unternehmen müssten vor Gericht gleich lange Spiesse haben, wie ausländische. Die noch bis April gängige liberale Einsicht berge die Gefahr, dass sich die Stellung der eingeklagten Schweizer Firmen verschlechtern werde.
Die Regierung hält weiter fest, dass kein rechtlicher Anspruch auf freien Zugang zu den Akten im Bundesarchiv bestehe. Der Bundesrat wolle den Zugang zu den betreffenden Unterlagen nur befristet einschränken und periodisch überprüfen, ob die Bedingungen für eine breitere Öffnung der Archive wieder gegeben seien.
Gewisses Verständnis
Für den Leiter des NFP 42+, Georg Kreis, kam der Entscheid der Regierung nicht überraschend. Der Basler Geschichtsprofessor sagte kürzlich gegenüber swissinfo, er bedaure es zwar, dass die Arbeitsbedingungen während des Forschungsprozesses geändert worden seien. Andererseit zeigte Kreis auch ein gewisses Verstädnis für die Massnahme.
«Wenn historische Forschung in die heutige Zeit greift, gibt es das Risiko, dass die Rahmenbedingungen sich ändern und die Bedingungen beeinflussen, unter denen wir forschen.»
Nicht die ganze Wahrheit?
Wie der Zürcher «Tages Anzeiger» am Donnerstag berichtete, zeigten Aktenfunde in Südafrika, dass dem Schweizer Parlament früher nicht die ganze Wahrheit über heikle Apartheid-Kontakte gesagt worden sei.
So beschreibt der «Tages Anzeiger» eine Reise eines Schweizer Chefbeamten nach Südafrika im Jahr 1989. Die Reise wurde offiziell als «seine Ferien in Südafrika» bezeichnet. Wie Recherchen in einem Geheimdienst-Dossier in den Archiven in Südafrika zeigten, hatte die Ferienreise offenbar doch einen offiziellen Charakter. So hatte der südafrikanische Verteidigungs-Attaché damals bei der Reiseplanung mitgewirkt.
Der «Tages Anzeiger» kommt zum Schluss, dass Forscher in Südafrika heikle Akten auswerten dürften. «Doch in der Schweiz wird ihnen der Zugang zum Bundesarchiv erschwert», heisst es weiter.
swissinfo und Agenturen
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