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Swisscom-Privatisierung teilt politische Lager

Der Finanzminister spricht, und löst eine heftige politische Debatte aus. Keystone

FDP, SVP und die Wirtschaft begrüssen die vom Bundesrat angekündigte Privatisierung. CVP, Linke und Gewerkschaften dagegen drohen mit dem Referendum.

Die ehemalige Monopolistin selber äusserte sich neutral über das geplante rasche und vollständige Abstossen der Aktienmehrheit des Bundes.

Der Börsenwert der Swisscom-Aktien im Besitze der Eidgenossenschaft beträgt mehr als 17 Mrd. Franken. Darum ist es nicht erstaunlich, dass die Pläne des Bundes, seine Aktienmehrheit (66%) an der Swisscom abzustossen, bei Parteien, Gewerkschaften und Verbänden zu teils heftigen Reaktionen geführt hat. Die Sozialdemokratische Partei (SP) und die Christlichdemokraten (CVP) kündigten zusammen mit den Gewerkschaften Widerstand und das Referendum an.

Dagegen sehen die Schweizerische Volkspartei (SVP) und die Freisinnigen (FDP) sowie die Wirtschaft in den Plänen der Regierung ein altes Anliegen erfüllt. Die Swisscom selber hielt sich bedeckt.

Der Bundesrat wolle sich «von den Fesseln befreien», welche ihm durch die Mehrheitsbeteiligung an der Swisscom auferlegt seien, begründete Finanzminister Hans-Rudolf Merz am Donnerstag in Bern den Entscheid.

Die Grundversorgung sei aber auch nach einer Trennung von der Mehrheitsbeteiligung gewahrt. Den Verkaufserlös wolle der Bundesrat für die Tilgung von Schulden verwenden.

Gegen Rückfall in die Vormoderne

SP und Gewerkschaften wollen eine Zustimmung des Parlaments zur Änderung der Gesetzesgrundlage mit dem Referendum bekämpfen. Beide sind überzeugt, dass das Volk Nein zum Verkauf sagen wird.

«Wir werden die Bundesmehrheit bei der Swisscom mit letzter Vehemenz verteidigen», sagte der Präsident der Gewerkschaft Kommunikation, der Freiburger SP-Nationalrat Christian Levrat. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund warf dem Bundesrat vor, den Rückfall in den Nachtwächterstaat anzustreben.

Für eine Beibehaltung der Aktienmehrheit des Bundes sprach sich auch die CVP aus. Sie sieht die Grundversorgung und den Service Public in Gefahr, wenn sich der Bund zurückzieht. Zusammen mit der Linken und den Gewerkschaften will die CVP auch das Huhn nicht schlachten, das für den Bund milliardenschwere goldene Eier legt.

Für raschen Verkauf

Völlig anders sehen dies SVP und FDP. Beide Parteien begrüssten den Bundesratsbeschluss und erklärten, damit würden ihre eigenen Forderungen erfüllt. Die FDP betonte, die Grundversorgung sei auch ohne Bundesmehrheit an der Swisscom in jedem Fall gewährleistet.

Zudem würde der Bund durch den Verkauf von seiner problematischen Doppelrolle als Eigentümer und Regulator befreit. Auch gelte es die Risiken zu mindern, die zum Beispiel mit Auslandübernahmen verbunden seien. Die SVP forderte, der Verkauf solle umgehend abgewickelt werden.

SVP spricht schon vom Geld

Zusammen mit dem Wirtschaftsdachverband economiesuisse thematisierte die SVP bereits die Verwendung des Milliardenerlöses aus dem Verkauf der Swisscom-Aktien. Das Geld müsse vollumfänglich für den Schuldenabbau eingesetzt werden. Economiesuisse verspricht sich zudem eine Stimulierung des Wettbewerbs nach dem Ausstieg des Bundes.

Die Swisscom selber sprach vom einen rein politischen Entscheid, der auf das laufende Geschäft keinen direkten Einfluss habe. Konzern-Sprecher Sepp Huber wies allerdings darauf hin, dass die gesetzliche Festschreibung der Bundesmehrheit angesichts der schnell fortschreitenden Konzentration auf dem Telekommarkt längerfristig eine Einschränkung sein könnte.

Umgekehrt bringe der Bundesbesitz für die Swisscom gewisse Marketingvorteile mit sich. Wichtig ist für die Swisscom vor allem, dass der Bund bei einem allfälligen Verkauf der Aktienmehrheit keine Sonderrechte behält.

swissinfo und Agenturen

1990 begann die damalige Monopolistin PTT ihren Umwandlungsprozess.

1992 wurde der Markt mit einer Änderung des Telekommunikations-Gesetzes teilweise geöffnet.

1995 beschloss die Regierung die vollständige Liberalisierung des Telekom-Marktes. Dafür wurden zwei unabhängige Unternehmen geschaffen: Die Post und die Telecom PTT.

1997 löste die Swisscom die Telecom PTT ab.

Seither ist Swisscom eine AG, wobei sich die Aktienmehrheit im Besitz der Regierung befindet (momentan 66%).

Das Unternehmen muss der ganzen Bevölkerung in der Schweiz einen Zugang zum Telekommunikations-Netz gewährleisten.

Trotz der Konkurrenz bleibt Swisscom Marktführer in der Schweizer Telekommunikation.

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