Travail.Suisse empört sich über Währungshüter
Nationalbank-Direktor Thomas Jordan warnte am Wochenende in einem Zeitungsinterview vor Lohnerhöhungen, weil diese eine Lohn-Preis-Spirale nach sich ziehen würden. Damit sorgte er bei den Gewerkschaften für Empörung.
Die wichtigste Aufgabe der Schweizerischen Nationalbank (SNB) besteht darin, über die Währung, den Schweizer Franken, zu hüten. Dazu gehört auch die Sorge um den stabilen Geldwert.
Die SNB hat festgelegt, dass die Preisstabilität ab 2% Inflation nicht mehr gegeben sei – zur Zeit beträgt die Teuerung wegen der Erdöl-Preishausse aber 2,9%. Also muss gehandelt werden.
Ein Mitglied des Nationalbank-Direktoriums, Thomas Jordan, äusserte sich dementsprechend in der NZZ am Sonntag über die «unerfreuliche Inflation».
Das Instrumentarium der SNB im Kampf gegen die Teuerung umfasst nur die Zins- und Geldpolitik, nicht aber andere klassische konjunkturpolitische Mittel. Diese obliegen dem Parlament (Budget), der Regierung (öffentliche Aufträge) oder den Sozialpartnern.
Wespennest Verteilungskampf
Bei den Sozialpartnern, also Arbeitgebern und Gewerkschaften, liegt der Bereich der Lohnpolitik: Gegenwärtig fordern die Arbeitnehmer ihren Anteil am Produktivitätsgewinn der vergangenen Jahre in Form von Teuerungsausgleich und Reallohnerhöhung ein.
Doch genau in dieses Wespennest des Verteilungskampfs hat Thomas Jordan gestochen: Er warnte vor dem Versuch, «reale Einbussen wie höhere Erdölkosten durch nominelle Lohnsteigerungen kompensieren zu wollen».
Angesprochen ist damit auch der Teuerungsausgleich, den die Gewerkschaften für die nächste Lohnrunde verlangen.
Höhere Löhne – höhere Inflation?
Jordan argumentiert, dass das teure Erdöl der Schweiz Einkommensverluste bringen werde, die es aufzuteilen gelte. Er plädiert dabei für eine Aufteilung auf Margen (der Unternehmen) und Löhne (der Arbeitnehmer).
Den Arbeitnehmern empfiehlt er Einschränkungen bei ihren Lohnforderungen. Sie sollen sich selbst einschränken und weniger als den Teuerungsausgleich fordern. Denn alles, was darüber hinausgehe, heize die Inflation an.
Was dann die SNB dazu zwinge, die Zinsbremse und ihre Geldpolitik anzuziehen.
«Ungeheuerlich, was Nationalbank versucht»
«Was die Nationalbank hier versucht, empfinde ich als ungeheuerlich», sagt Susanne Blank von der Gewerkschaft Travail.Suisse gegenüber swissinfo.
«Die SNB macht sich damit zum Gehilfen der Arbeitgeber und setzt ihre Glaubwürdigkeit und letztlich auch ihre Unabhängigkeit aufs Spiel», so Blank.
Reallohn-Zunahme stagnierte bei 1%
«Bei einer exakten Betrachtung der Daten sieht die Situation viel weniger schlimm aus», korrigiert Susanne Blank. «Seit 2004, als die Wirtschaft wieder anzog, hat sich das Bruttoinlandprodukt BIP um 11,7% erhöht. Das heisst, dass auch die Unternehmen sehr gute Gewinne gemacht haben und ihre Margen steigern konnten.»
Gleichzeitig stagnierten die Reallöhne seit 2004, sie nahmen um knapp 1% zu. «Wenn nun die Teuerung zunimmt, sind die Unternehmen gar nicht gezwungen, den Teuerungsausgleich auf die Preise zu übertragen», so Blank.
Sie könnten ihre Gewinnmarge etwas reduzieren. Es sei deshalb unverständlich, dass sich die SNB in diesen Diskussionsbereich der Teuerung einmische.
Auch exzessive Management-Löhne fördern Inflation
Wenn schon Einsparungen bei der Lohnkomponente, so Travail.Suisse, dann liesse sich bei den Lohnexzessen im Top-Management ansetzen. Erst im letzten Juni hat Travail.Suisse ihre jüngste Untersuchung über die Auseinanderentwicklung der Löhne des Top-Managements und der «gewöhnlichen» Mitarbeitenden publiziert.
Die exorbitanten Manager-Löhne sind seit Jahren ein Thema. Es sei deshalb ärgerlich, so Susanne Blank, dass die SNB den Teuerungsausgleich erst jetzt in Frage stelle. «Sie hätte schon vor einigen Jahren gegen die überrissenen Manager-Löhne auftreten können.»
Jahrelang sei auf Managerebene abgezockt worden, so Blank, und die «gewöhnlichen» Arbeitnehmer hätten das Nachsehen gehabt. «Aber kaum geht es um einen lapidaren Teuerungsausgleich, wehrt sich die SNB dagegen.»
Blank schätzt den Lohnsummenanteil der hoch bezahlten Manager grob immerhin auf 10 bis 15%. 85 – 90% der Lohnsumme würden demnach auf die Löhne der «gewöhnlichen» Arbeitnehmer entfallen, für die jetzt zumindest der Teuerungsausgleich verlangt werde.
swissinfo, Alexander Künzle
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) ist die politisch unabhängige Zentralbank der Schweiz und zeichnet für die Geld- und Währungspolitik des Landes verantwortlich.
Als Währungshüterin ist ihr der stabile Geldwert resp. die Preisstabilität besonders wichtig.
Weitere ökonomische Aufgaben sind die Gewährleistung der Bargeldversorgung, die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, Währungsreserven, Überwachung der Stabilität des Finanzsystems.
Die Nationalbank muss sich laut Verfassung und Gesetz vom Gesamtinteresse des Landes leiten lassen.
Travail.Suisse ist eine schweizerische Dachorganisation von Arbeitnehmern, die 2002 gegründet wurde.
Sie umfasst Gewerkschaften und Verbände, die vorher dem Christlichnationalen Gewerkschaftsbund der Schweiz (CNG) und der Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände (VSA) angeschlossen waren.
Travail.Suisse vertritt rund 170’000 Mitglieder und wird von Nationalrat Hugo Fasel präsidiert.
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) ist ebenfalls eine Dachorganisation und vertritt rund 390’000 Mitglieder.
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