UBS-Abkommen: Erleichterung, aber auch Zweifel
Nachdem das Parlament den UBS-Staatsvertrag angenommen hat, drehen sich die Fragen nun um die wahren Absichten der US-Behörden in diesem Dossier. Der Fokus richtet sich auf das neue Doppelbesteuerungs-Abkommen mit den USA.
Urs Ziswiler, Schweizer Botschafter in Washington, sprach am Mittwoch in Bern von «Erleichterung», nachdem die Räte in der Woche zuvor den Staatsvertrag mit den USA zur Schweizer Grossbank UBS abgesegnet hatten.
Der Diplomat war Gast der Schweizerischen Gesellschaft für Aussenpolitik (SGA), die eine Debatte über die Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA organisiert hatte.
Der umstrittene Vertrag ebnet den US-Steuerbehörden den Weg zur Übergabe der Bankdaten von 4450 US-Kunden der Schweizer Grossbank.
Der Diplomat gab zu bedenken, dass diese durch illegale Praktiken der UBS hervorgerufene Affäre einen Schatten auf die sonst «exzellenten» Beziehungen zwischen den beiden «Schwesterrepubliken» geworfen hätten.
Ende der Sorgen?
Bedeutet die Annahme des Staatsvertrags nun das Ende der möglichen juristischen Sorgen für die Schweizer Banken, die in den USA tätig sind?
Urs Ziswiler will dafür nicht die Hand ins Feuer legen: «Es ist nicht auszuschliessen, dass andere Schweizer Banken nicht auch ähnlich wie die UBS operierten. Ausschliessen aber kann man, dass diese möglichen Verfehlungen im gleichen Umfang geschehen wären», erklärte er gegenüber swissinfo.ch.
Während also die Verteidiger des Staatsvertrags erleichtert aufatmen, bleiben laut Martin Naville, Direktor der Handelskammer Schweiz-USA, Zweifel auf Seiten der USA.
«Fishing expeditions»
Margret Kiener Nellen, Präsidentin der nationalrätlichen Finanzkommission des Parlaments, fragte sich, ob die USA mit dem Abkommen in der Tasche nicht bereits auf die Ratifizierung des neuen Doppelbesteuerungs-Abkommens mit der Schweiz schielen würden. Dieses war ebenfalls letzte Woche von Parlament verabschiedet worden.
Die Berner Sozialdemokratin erinnerte daran, dass eine gemeinsame Erklärung zum UBS-Staatsvertrag vom August 2009 den Weg zu neuen Rechtshilfe-Gesuchen der USA ebnen könnte, die mit «Fishing expeditions» auch andere Schweizer Banken in den USA ins Visier nehmen könnten, die sich möglicherweise ähnlich wie die UBS verhalten hätten.
Diese Erklärung basiert auf einer breiten Auslegung des derzeit gültigen Doppelbesteuerungs-Abkommens von 1996. Dieses könnte sich paradoxerweise als vorteilhafter für die USA erweisen als der neue Text, der eine Unterscheidung zwischen Betrug und Steuerhinterziehung weglässt.
Auf diesen Punkt angesprochen, unterstrich Ziswiler, dass das neue Abkommen derzeit im US-Senat besprochen werde. Er hofft auf eine Ratifizierung bis Ende Jahr. «Ich kann aber nicht sagen, dass ich keine Zweifel daran habe», gab er zu.
Krise nicht erwartet
Der ebenfalls eingeladene Raymond Loretan, ehemals Schweizer Generalkonsul in New York, versteckte sein «tiefes Unbehagen» über einen Staatsvertrag, der auf einem «zweifelhaften Präzedenzfall» aufbaut, nicht. Laut dem ehemaligen Generalsekretär der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) «hat man verpasst, (den Amerikanern) zu erklären, wie die Schweizer Institutionen funktionieren».
Er bedauert auch, dass Bern diese Krise nicht hat kommen sehen. «Die Drohungen aus den USA wurden nicht ernst genommen. Man hätte früher mit Verhandlungen beginnen sollen.»
Für Naville hingegen hat die Schweiz bewiesen, dass sie «nicht ein Staat ist, der Steuersünder verteidigt».
Nicht einschlafen
Urs Ziswiler relativiert diese Frage: Es sei klar, dass zwischen einer Supermacht und einem Kleinstaat ein Ungleichgewicht geherrscht habe. «Der grösste Fehler, den wir nun begehen könnten, wäre, einzuschlafen», sagte er gegenüber swissinfo.ch. Für ihn sind Arbeitskontakte mit den und Erklärungen an die Adresse der USA nötiger denn je.
Die Journalistin Myret Zaki, Autorin eines Buches über das Bankgeheimnis, sieht einen Abwärtstrend für schweizerische Finanzinstitute auf dem US-Markt voraus. Laut ihr dürften die in finanziellen Schwierigkeiten steckenden USA mehr und mehr dazu tendieren, einseitige Finanzkämpfe gegen ausländische Unternehmen zu führen.
Eine Befürchtung, die Martin Naville nicht teilt: Laut ihm gibt es derzeit keine Anzeichen für einen Rückzug von Schweizer Investoren aus den Vereinigten Staaten.
Federico Bragagnini, swissinfo.ch
(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)
Die Vereinigten Staaten sind für die Schweiz der zweitgrösste Exportmarkt nach Deutschland (fast 19 Milliarden Franken im Jahr 2009, Quelle: Seco).
In den Vereinigten Staaten steht die Schweiz hinter Deutschland, Italien und Frankreich an vierter Stelle, was die Exporte betrifft: Das Exportvolumen beträgt etwas weniger als 10 Mrd. Fr.
Ungefähr 20% aller ausländischen Investitionen, 150 Mrd. Fr., investieren Schweizer Unternehmen direkt in den USA. Das ist mehr als von deutschen, französischen, italienischen und österreichischen Unternehmen zusammen. Diese bringen etwa 15% auf.
Im Jahr 2008 beschäftigen Schweizer Unternehmen 350’000 Personen auf US-amerikanischem Boden. Die Schweiz ist damit der sechstgrösste ausländische Investor in den USA.
Aus der Sicht der Schweiz sind die USA der zweitgrösste Investor, nach den Niederlanden (86,5 Mrd. Fr.) 2008, das sind 18,5% des Volumens ausländischer Investitionen in der Schweiz.
Die UBS, die zweitgrösste Bank der Schweiz nach der Credit Suisse, ist ein Schwergewicht in der Vermögensverwaltung: Das Unternehmen beschäftigt laut eigenen Angaben 64’000 Leute auf der ganzen Welt. Davon arbeiten 37% in den USA und in Kanada.
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